Innovationstreiber Klima
Innovationstreiber Klima

Der Klimawandel macht die Bahn zum begehrten Mobilitätspartner. Vor allem bei der Gleiswartung steht die Industrie 4.0 hoch im Kurs.

Bahnverkehr

Text: Markus Mittermüller 

Fällt das Stichwort „autonomes Fahren“, dann ist in den meisten Fällen wohl vom selbstfahrenden Auto die Rede. Oder von der U-Bahn, die mittlerweile in mehreren europäischen Städten wie Paris oder Kopenhagen mit leerem Cockpit unterwegs ist und nach der Fertigstellung der Linie U5 auch in die Wiener Stationen einfahren wird. Eher ruhig ist es bei diesem Thema im Zusammenhang mit der Eisenbahn. Obwohl man vermuten könnte, dass sich die Bahn aufgrund ihrer fixen Strecken – ähnlich der U-Bahn – besonders gut für den fahrerlosen Einsatz eignet. Den Anfang der Autonomie auf den Zugschienen könnte die Gleis-Arbeitsmaschine des Rail-Technik-Unternehmens system7 rail support machen. „Wir sind auf dem Weg, in fünf bis zehn Jahren könnte es so weit sein“, sagt Bernhard Lichtberger, geschäftsführender Gesellschafter der system7 rail support GmbH.

 

Industrie 4.0 im Vormarsch

Auch sonst herrscht gleich im zweifachen Wortsinn Bewegung auf den heimischen Schienen, sowohl beim Personenverkehr als auch beim Gütertransport. Digitalisierung samt künstlicher Intelligenz, Big Data und dem Internet der Dinge hielte zwar auch Einzug, erst müssen aber die Wege ausgebaut werden. „Die Bahn ist erfolgreich, wenn investiert wird“, erklärt ÖBB-Pressesprecher Bernhard Rieder Kausalitäten. Das zeige etwa der Vergleich zwischen West- und Südstrecke. „Bei der Verbindung  von Wien nach Villach sind wir bis zu 15 Jahre hinterher. Erst wenn wir ab 2027 von Wien nur zwei Stunden und 40 Minuten nach Klagenfurt brauchen, sind wir dort konkurrenzfähig wie auf der Weststrecke“, so Rieder.

Der Investitionsschwerpunkt liege am Ausbau der Strecke, danach folgt die Infrastruktur der Bahnhöfe – der Großteil wurde in den vergangenen 15 Jahren komplett neu gestaltet. Drittes Investitionscluster sind die Züge, die im Vergleich den gleichen Komfort wie die individuelle Konkurrenz auf der Autobahn bieten müssen. Da so ein Wagon gut und gerne 30 Jahre in Betrieb bleibt, sind zwischendurch Upgrades nötig, wie jetzt bei den Doppelstockzügen.

 

„Zukunft der Mobilität ist die Bahn“

Ein großer Innovationstreiber ist auch in dieser Branche der Klimawandel. „Die Zukunft der Mobilität sind die Bahn und der öffentliche Verkehr, da sie den kleinsten ökologischen Fußabdruck hinterlassen“, erklärt Lichtberger. Und genau hier befindet sich die ÖBB an einem Wendepunkt. Zehn Prozent des Streckennetzes sind nämlich noch nicht elektrifiziert. Wie die Mühlkreisbahn, auf der noch Dieselzüge verkehren. „Diese wird es in Zukunft nicht mehr geben“, sagt Rieder. Neben der Elektrifizierung werden zwei Varianten von neuen Technologien bei Zügen getestet. Akku-Züge, also batteriebetriebene Elektro-Triebfahrzeuge, und die Wasserstofftechnologie. Der Wasserstoffzug wird derzeit zum Beispiel im südlichen Niederösterreich getestet. „Mit 1.000 Kilometern Reichweite ist diese viel größer als beim Akkubetrieb, der nur für 80 bis 90 Kilometer reicht,“ ist Bundesbahner Rieder zuversichtlich. Wesentliche Mankos gelte es aber noch zu beseitigen: „Leider fehlt beim Wasserstoff noch die Zuverlässigkeit und die Kosten sind aktuell noch zu hoch.“

 

Neue Seidenstraße ist „auf Schiene“

Beim Güterverkehr orientiert sich die ÖBB Richtung Osten, und zwar dem Fernen. Ihre Tochter Rail Cargo Group zählt mit 105 Millionen Tonnen transportierter Güter und einem Jahresumsatz von rund 2,3 Milliarden Euro zu den führenden Bahnlogistikunternehmen Europas. Allein 400 bis 600 Züge pro Jahr schickt die ÖBB nach China. Diese Verbindung, bekannt als die „Neue Seidenstraße“, soll ausgebaut werden, um die
Schiene als Alternative zum teureren Flugzeug und zum langsameren Schiff zu etablieren. „Derzeit benötigen wir 14 Tage von China nach Europa. Unser Ziel ist, die Strecke in zehn Tagen zu schaffen“, so Rieder.

Auf der Neuen Seidenstraße ebenfalls aktiv, und zwar seit 2019, ist die ARS Altmann AG, eines der führenden Dienstleistungsunternehmen der Automobillogistik in Europa mit Hauptsitz im bayerischen Wolnzach. Bei der Strecke vom Zentrum Europas ins Herz Chinas handelt es sich um einen sogenannten Hybridtransport von Autos auf einer Kombination aus Doppelstock-Waggons und Containern. Das Konzept des Transports von Waren mit Containerzügen auf dem eurasischen Kontinent wurde von der Automobilindustrie übernommen. Mit einer Schienenflotte von derzeit 3.500 offenen und geschlossenen Autotransport-Waggons – Tendenz steigend – ist die ARS Altmann AG der größte private Waggon-Einsteller in diesem Segment.

 

Ein Waggon für alle Fahrzeugtypen

Gemeinsamkeiten der offenen und geschlossenen Waggons sind die hohe Ladekapazität sowie die perfekte Sicherung der Fahrzeuge während des gesamten Lieferprozesses. „Ob SUV, E-Auto oder Kleinbus – aufgrund der intelligenten Bauweise und stetigen Weiterentwicklung der Waggons mit Blick auf die Anforderungen der Automobilindustrie können wir sämtliche Modelle von Personenkraftwagen oder Nutzfahrzeugen befördern und bieten unseren Kunden somit ein besonders vielseitiges Produkt“, erklärt Michael Bronsert, der bei der ARS Altmann AG Vertrieb und Marketing leitet. Den Großteil der Flotte machen die 2.400 offenen Doppelstock-Waggons vom Typ LAAERS aus, Gustostückerl sind aber die 1.100 geschlossenen Doppelstock-Waggons vom Typ HCCRRS. Sie schützen Fahrzeuge aufgrund ihrer spezifischen Bauweise vor Schäden und Umwelteinflüssen. Damit werden auch sogenannte saure Waschvorgänge mit umwelttechnisch bedenklichen Mitteln vermieden, die bei der Verwendung der offenen Waggons erforderlich sein können.

 

Künstliche Intelligenz wertet Gleisdaten aus

1,2 Millionen Fahrzeuge hat allein die ARS Altmann AG im Vorjahr auf der Schiene befördert. Der Instandhaltung der Eisenbahngleise kommt daher eine immer größere Bedeutung zu. „Die Bahn will viel Verkehr haben und die Strecke rund um die Uhr nutzen. Damit bleibt fast keine Zeit für Wartungsarbeiten“, sagt Lichtberger. Eine Lösung dafür ist die Universalstopfmaschine 4.0, die zur Instandhaltung von Eisenbahngleisen eingesetzt wird. Die Maschine vermisst, repositioniert und fixiert die Schwellen durch Verdichten des Schotters, um eine sichere Fahrt für Züge aller Art im Schienennetz zu gewährleisten. Und nutzt dabei die Vorteile der Digitalisierung. „Wir haben Big Data, künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge in die Maschine integriert“, so Lichtberger. So erfasst die Maschine bereits während der Arbeit mittels Sensoren den Zustand des Schotterbetts unter den Gleisen. Als Ergebnis liefert das Unternehmen den „Schotterbett-Report“. Mittels künstlicher Intelligenz werden die Daten ausgewertet und zum Beispiel Vorhersagen über die Haltbarkeit der Gleise geliefert. In Zukunft kann die Maschine mittels GPS jede Schwelle, an der gearbeitet wurde, auf Zentimeter genau lokalisieren. Gleichzeitig weiß die Maschine durch Messung der Arbeitsparameter selbst, was zu tun ist und wie sie arbeiten muss. „Sie macht somit das perfekte Gleis“, ist Lichtberger überzeugt.