Selbstfahrer
Selbstfahrer

Autos, die uns ganz eigenständig ans Ziel bringen: Bis diese Vision zur Realität wird, werden noch einige Jahre vergehen. Die technologischen Grundlagen sind aber längst vorhanden.

Autonomes Fahren

Text: Robert Prazak 

Einsteigen, hinsetzen und nichts mehr tun, außer die Fahrt zu genießen und vielleicht die Nachrichten zu lesen: Das Autofahren wird zur passiven Tätigkeit. Die Frage ist längst nicht mehr, ob das autonome Fahren kommt, sondern wann es passiert. Die technologischen Voraussetzungen dafür sind vorhanden oder werden gerade verfeinert: Vernetzung mit Breitbandinternet (Stichwort 5G), leistungsfähige Sensoren, selbstlernende Systeme und künstliche Intelligenz machen es möglich, dass sich die Autos von Jahr zu Jahr dem autonomen Fahren annähern. Darunter versteht man den vollautomatisierten Betrieb ohne menschliches Zutun, davor gibt es diverse Abstufungen maschineller Selbstständigkeit (siehe rechts). Am Ende soll ein Individualverkehr stehen, der umweltfreundlicher und bequemer ist – und sicherer: Die meisten Verkehrsunfälle in Österreich passieren wegen Ablenkung bzw. Unachtsamkeit, also könnten Mobilitätsroboter auch in dieser Hinsicht ein Fortschritt sein.

 

Österreichs Test-Cockpits

Vorausgesetzt, sie funktionieren einwandfrei. Aber wie weit ist die Entwicklung bisher gekommen? Der Status quo: Es wird getestet und probiert, was das Zeug hält. Überall in der Welt laufen Forschungs- und Testprojekte und werden Teststrecken gebaut. Auch in Österreich tut sich einiges, einige Beispiel dafür:

  • Beim Projekt iLIDS4SAM haben sich elf Partner zusammengetan. Der Hintergrund: Zuverlässige Sensorsysteme sind die Voraussetzung für das vollautomatisierte Fahren. In Österreich soll nun ein Lasersystem entwickelt werden, das in Zusammenarbeit mit Deep-Learning-Software die entsprechenden Daten sammelt und auswertet. Mit an Bord sind unter anderem Infineon, AVL List, ams AG und TU Graz.
  • Zu den Pionieren bei Künstlicher Intelligenz zählt Sepp Hochreiter, Professor an der Johannes Kepler Universität Linz. An seinem Institut für maschinelles Lernen ist autonomes Fahren ein Schwerpunkt. Gemeinsam mit Audi hat die Universität ein KI-Zentrum gegründet, bei dem die Grundlagenforschung in die Praxis geführt werden soll. Laut Sepp Hochreiter soll sich der Fahrer in seinem Auto „in Zukunft wohler fühlen als in seinem eigenen Wohnzimmer“.
  • Geforscht wird auch an der Technischen Universität (TU) Wien, unter anderem zum kooperativen Verkehr: Autos sollen automatisch miteinander kommunizieren. Laut Christoph Mecklenbräuker vom Institut für Telekommunikation ließen sich dadurch der Treibstoffverbrauch senken und die Sicherheit erhöhen.

Von der breiten Öffentlichkeit beinahe unbemerkt wird der Umstieg auf automatisiertes Fahren auch in der Industrie längst vorbereitet. Bei den Zulieferern sind die Systeme dafür – etwa Sensoren, Kameras und Datenmanagement – in Planung. Ein Beispiel ist der Straubinger Maschinenbauer Strama-MPS. „Wir investieren derzeit in das stark wachsende Segment des automatisierten Fahrens“, erzählt Geschäftsführer Herbert Wittl. Der Wettbewerb in diesem Bereich sei sehr groß, aber es gäbe weltweit höchstens 15 bis 20 Unternehmen, die bei Projektgröße und Know-how auf einer Stufe seien. Konkret sind neben Maschinen für Kamerasysteme derzeit elektronische Komponenten für Radarsensoren und Bremssysteme zwei wichtige Schwerpunkte für das Unternehmen. „Bei den Bremsen geht es um Systeme, die innerhalb weniger Millisekunden reagieren, ohne dass der Mensch etwas tun muss.“ Seiner Einschätzung nach werden in den nächsten zehn Jahren die Stufen 4 und 5 des automatisierten Fahrens umgesetzt, das bedeutet vollständige Autonomie mit oder ohne Eingreifmöglichkeiten des Fahrers. Der Weg dorthin ist aber steinig. „Neben der eigentlichen Entwicklung der Autos gibt es auch bei der Infrastruktur und bei der Kommunikation zwischen Fahrzeugen noch viel zu tun.“ Dazu kommt die Datensicherheit: Es darf ja nicht sein, dass Hacker von außen in die Systeme eindringen können. Zudem müssen neben Fragen nach der Haftung auch jene der Ethik und Moral beantwortet werden – hitzige Debatten sind vorprogrammiert.

Eine Rolle wird das autonome Fahren aber nicht nur bei der Beförderung von Personen spielen, sondern auch im Gütertransport; tatsächlich könnte es dort sogar schneller gehen. Ein Kernthema dabei ist Platooning. Darunter versteht man die digitale Koppelung von Lkw, wodurch mehrere Fahrzeuge in deutlich engerem Abstand fahren können, als dies bisher erlaubt ist. Der erste Lkw gibt die Geschwindigkeit vor, die anderen folgen dicht danach. Muss gebremst werden, wird das sofort an die nachfolgenden Fahrzeuge übermittelt. Durch den geringen Abstand kann Treibstoff gespart werden und es sollen Unfälle vermieden werden.

 

Schwerverkehr als Vorreiter

Das Logistikunternehmen Hödlmayr beschäftigt sich intensiv mit diesen Themen. „Wir wollen damit auch ein klares Signal geben, dass wir uns unserer Verantwortung hinsichtlich Umwelt und Nachhaltigkeit bewusst sind“, sagt Markus Formann, der für diese Projekte zuständige Prokurist bei Hödlmayr. So ist das Unternehmen beim Projekt Digitrans beteiligt, bei dem auch die FH Oberösterreich sowie die Welser Reform-Werke dabei sind. Die Idee: eine Testregion für automatisiertes, vernetztes Fahren schaffen. Geschäftsführerin Eva Tatschl-Unterberger: „Digitrans soll die besten Antworten finden, wie die Zukunft des autonomen Fahrens realisiert werden kann – und zwar konkret für den Gütertransport.“ Man will also nicht warten, bis automatisiertes Fahren irgendwann passiert, sondern aktiv etwas dafür tun. Auf einer Teststrecke („Proving Ground“) bei Ernsthofen sind umfangreiche Versuche möglich – und zwar nicht nur auf asphaltierten Straßen, sondern auch im Gelände und auf Rüttelstrecken.

Das ist aber nicht die einzige Aufgabe von Digitrans. Für das erwähnte Platooning werden unter anderem Berechnungsmodelle für den Einsatz erstellt. Im Güterverkehr käme eine fortschreitende Automatisierung auch bei sogenannten Hub2Hub-Transporten auf Firmengeländen oder beim Warenumschlag gelegen. „Interessant ist automatisiertes Fahren auch bei kommunalen Diensten wie bei der Schneeräumung oder bei der Instandhaltung von Radwegen“, sagt die Digitrans-Chefin. Der Vorteil: Bei Versuchen mit solchen langsam fahrenden Fahrzeugen kann man den praktischen Einsatz erproben.

Bleibt die Frage, wie autonomes Fahren und Elektromobilität zusammenpassen – diese beiden Trends bestimmen ja den Pkw- und Lkw-Markt der Zukunft. Herbert Wittl von Strama-MPS meint: „Autonomes bzw. automatisiertes Fahren und Elektromobilität werden sich getrennt voneinander entwickeln, es ist auch eine Frage der Ressourcen.“ 

Platooning: Lkw werden in langen Schlangen digital gekoppelt. Das spart Sprit, Risiken – und Fahrer.
Platooning: Lkw werden in langen Schlangen digital gekoppelt. Das spart Sprit, Risiken – und Fahrer.

Die Stufen der Autonomie

Der Begriff autonomes Fahren bedeutet streng genommen das vollständig automatisierte Fahren ohne Fahrer. Bis es so weit ist, wird die Umstellung in Schritten erfolgen. In der Industrie ist die Einstufung der SAE (Society of Automotive Engineers) anerkannt:

Stufe 0: Keine Automation, der Fahrer macht alles selbst.

Stufe 1: Einzelne unterstützende Systeme wie ABS, die selbstständig eingreifen können.

Stufe 2: Automatisierte Systeme können Teilaufgaben wie automatische Notbremsung übernehmen, der Fahrer behält aber die Hoheit.

Stufe 3: Man spricht von bedingter Automation, das Auto kann selbstständig lenken, beschleunigen und bremsen. Bei Bedarf wird der Fahrer aufgefordert, zu übernehmen.

Stufe 4: Das Auto fährt vollständig autonom, der Fahrer kann aber eingreifen.

Stufe 5: Vollautomatisierter, also autonomer Betrieb, Fahrer muss und kann nicht eingreifen.