Walk the talk

Interview: Über "New Work" wird in der KaufmannGruppe nicht nur theoretisiert, Philipp Kaufmann und sein Team leben "New Work".

Der Linzer Unternehmer Philipp Kaufmann ist Gründer und Geschäftsführer der KaufmannGruppe sowie Gründungspräsident der ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft), die 2009 ins Leben gerufen wurde. Das Herz seiner Unternehmertätigkeit ist die KaBB GmbH, die Teil der KaufmannGruppe ist. Die Vision des Oberösterreichers ist es, eine saubere Immobilienwirtschaft zu gestalten, die professionell, fair, integer und transparent ist.

Das Buzzword „New Work“ ist für Philipp Kaufmann und sein Team bereits gelebte Realität, ob im Linzer Headquarter oder in den M.A.N.D.U.-Studios, für die er ein eigenes „New Work“-Möbelstück entwickelt hat. Wie das gelingen kann und was für Philipp Kaufmann den Kern von „New Work“ ausmacht, lesen Sie in unserem Interview.

Kaufmann Philipp
© Ines Thomsen

RLB OÖ: WENN „NEW WORK“ EIN MÖBELSTÜCK WÄRE, WAS WÄRE DAS FÜR SIE UND WARUM?

Eine wirklich gute Frage (denkt kurz nach). Mir fällt hier spontan unser selbstentwickeltes Möbelstück ein, und zwar das ‚Kommunikationspult‘, welches das zentrale Gestaltungselement in jedem M.A.N.D.U. Store von Österreich bis Amerika ist. Dieses ersetzt die klassische Rezeption und soll den M.A.N.D.U.-Personal Coach mit dem Kunden verbinden und nicht trennen. Vielmehr begegnen sich beide auf Augenhöhe, ohne dass darunter die Funktionsfähigkeit leidet. Das Möbel ist eine vollständige Working Station, mit welcher der Premium Coach den Store-Alltag unkompliziert bewältigen kann. Zudem ist es freischwebend und wesentliches Gestaltungselement im Mikro-Studio.

RLB OÖ: WENN EIN MÖBELSTÜCK „OLD WORK“ VERSINNBILDLICHEN WÜRDE, WELCHES WÄRE ES UND WARUM?

Da gibt es wohl eine ganze Bandbreite an Möbelstücken, mit denen ich selbst noch aufgewachsen bin bzw. die vor 20 oder 30 Jahren im Büroalltag noch völlig normal erschienen sind. Ich denke da etwa an ein Präsentationsmöbel mit einem Overhead-Projektor oder einen Aktensekretär - und natürlich eine riesige Wand mit Stechkarten für die Zeiterfassung.

Mit den angeführten Beispielen lässt sich der Wandel von analoger zu digitaler Arbeitswelt wohl am besten – und im Nachhinein – auch am lustigsten beschreiben. So gut wie alles, was ich hier aufgezählt habe, ist durch eine digitale Version ersetzt worden. Für unsere Kinder ist es kaum mehr vorstellbar, wie groß und klobig derartige Möbel waren und vor allem wie umständlich das Arbeiten gewesen ist. Beispielsweise ist es heute wohl mit Home-Office, Microsoft Teams oder WebEx bzw. Arbeiten, wo man sich gerade befindet, kaum mehr vorstellbar, im Schichtbetrieb im Büro mit Stechuhren arbeiten zu müssen.

     

RLB OÖ: WIE DEFINIEREN SIE „NEW WORK“?

„New Work“ zeichnet sich für mich – neben zig anderen Attributen und Definitionen – unter anderem durch die Verbindung von analogem und digitalem Arbeiten hin zu einer global vernetzten Arbeitswelt aus sowie durch einen neuen, adaptierten Führungsstil, auch als „New Leadership“ bezeichnet. Es spiegelt sich aber auch in neuen Bürokonzepten architektonisch wieder – die alten, etwas angestaubt wirkenden fixen Sitz- und Arbeitsplätze werden langsam aber sicher immer mehr von einer Art Coworking-Space abgelöst und wird – auch das passiert natürlich sukzessive und nicht von heute auf morgen – auch immer mehr von den Mitarbeitern angenommen. Sprich, man muss das Bürokonzept auch neu denken, denn Büros von heute brauchen mehr Kommunikationsfläche und Möglichkeiten des Rückzugs. Heute ist es in meinem Unternehmen nicht mehr denkbar, dass ein Mitarbeiter aufgrund seiner hierarchischen Position Anspruch auf bestimmte Fensterachsen oder eine bestimmte Größe seines Büros hat. Wir sitzen und arbeiten, wie es der Bedarf erfordert.
 

New Work heißt für mich aber vor allem neue Tools einzusetzen und somit ortsungebundener sowie effizienter zu arbeiten. Dies bedeutet für mich einen enormen Mehrwert, da ich damit beispielsweise am Nachmittag Zeit für meine Kinder habe und meine Aufgaben einfach später erledigen kann. Mein Workflow ist nicht mehr abhängig von der Anwesenheit anderer und wir können im Team orts- und zeitunabhängig unsere Aufgaben erledigen. Ohne Webex, MessengerPeople, Asana, Microsoft 365 oder FanpageKarma kann ich mir somit mein Arbeiten nicht mehr vorstellen. „New Work“ ist output- und nicht input-getrieben. Und im Endeffekt geht es auch nicht mehr nur um die rein geleisteten Stunden, sondern um Projekte und die Erreichung der damit definierten Meilensteine.
 

Diese Art von Arbeit benötigt daher ein geändertes Mindset sowohl von den Mitarbeitern als auch von den Führungskräften und der Unternehmensorganisation insgesamt. So braucht es etwa flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege im Sinne von Lean Management. Der Mitarbeiter sollte sich so gut wie möglich mit den Unternehmenswerten und Unternehmenszielen identifizieren (Stichworte „Mission Statement“ oder „Employer Branding“) und darf nicht mehr bloßer Befehlsempfänger sein. Die Aufgaben und Entscheidungen müssen auch kritisch hinterfragt werden dürfen und adaptiert werden. Ein reiner „Top-Down“-Ansatz ist nicht mehr en vogue, ganz im Gegenteil: der Teamgedanke steht ganz zentral im Vordergrund. Die Schwierigkeit ist hier sicherlich, nicht nur die einzelnen Teams, sondern auch die Mitarbeiter, die teilweise unterschiedliche Erwerbs- und Lebensbiografien aufweisen, so zu führen und zusammenzustellen, dass die oft flexiblen Arbeitszeitmodelle für unterschiedliche Lebenssituationen einen flüssigen Arbeitsablauf ermöglichen. Hier sieht man auch wiederum einen wichtigen Faktor des „New Work“ aufblitzen: zeitunabhängiges Arbeiten.
 

RLB OÖ: WIE DEFINIEREN SIE „ARBEIT“?

Mein Ansatz wäre es, den Terminus „Arbeit“ durch mein Mantra „Visionen ohne Umsetzung bleiben geträumt“ zu ersetzen. „Arbeit“ hat bei sehr vielen Menschen eine automatisch negative Konnotation – aus unterschiedlichsten Gründen. Ich sehe „Arbeit“ als solches aber grundsätzlich positiv.
 

Mir geht es darum, gemeinsam mit Menschen, wie Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder Franchisepartnern, Visionen einer (Geschäfts)idee gemeinsam zum Leben zu erwecken, eben sie umzusetzen und sie nicht nur zu träumen. Gemeinsam mit Menschen solche Ideen zu realen Projekten zu machen, ist mein Antrieb und so würde ich für mich persönlich auch „Arbeit“ definieren – die Subsumtion aller Tätigkeiten und Aktivitäten, die darunterfallen, um diesem Mantra gerecht zu werden. All dies bedeutet im Gegensatz zu früheren Generationen aber nicht, ausschließlich zu arbeiten und insbesondere als Mann keine Zeit für die Familie zu haben.
 

RLB OÖ: KANN „NEW WORK“ OHNE „NEW LEADERSHIP” GEDACHT WERDEN?

Nein. New Work ohne New Leadership wäre sicherlich nicht möglich, weil alte, womöglich noch etwas patriarchale oder autoritäre Führungsformen, mit dieser neuen Form der Arbeit sicherlich nicht kompatibel sind.
 

Ein einfaches Beispiel: Wenn New Work davon ausgeht, dass der Erfolg der Arbeit oder eines Projektes vom Output abhängt, dann ist es letztlich völlig unerheblich, wo, wann und mit wie vielen Stunden der Mitarbeiter dies bewerkstelligt. Wenn man dieses Beispiel in das Extreme zieht, ist es sinnvoller, er schafft es in 6 Tagen im Home-Office, seinem Lieblingscafé oder irgendwo am Strand, als in 12 Tagen im Office, wo er brav jeden Tag seine 8, 10 oder 12 Stunden absitzt, der Output aber nicht der gleiche bzw. nicht gleich gut ist. Auch gute kreative Ideen, die ein Projekt weiterbringen können, sind nicht an einen Ort, eine Zeit oder an eine gewisse Anzahl an Arbeitsstunden gebunden. Und dann sollte die Führungskraft auch nicht auf einer vordefinierten Anzahl an Stunden beharren, die der Mitarbeiter im Büro bzw. am eigentlichen Arbeitsplatz verbringen muss. Natürlich muss hier die Führungskraft auch entsprechend mitwachsen, was sicherlich nicht so ganz einfach ist, weil vermutlich die meisten Führungskräfte noch mit einem anderem Mindset aufgewachsen und auch beruflich anders sozialisiert wurden.
 

„New Leadership“ ist hier aus meiner Sicht ein Balanceakt zwischen Attributen wie Vertrauen, Freiraum geben, Unterstützung, potentiellen Kurskorrekturen und letztlich natürlich aber auch Output-Kontrolle. In der KaufmannGruppe und unseren Beteiligungen leben wir „New Work“ und „New Leadership“ durch den FSW-Ansatz (freier, weiter, schneller). „Freier“ bedeutet, wir leben und fördern Vielfalt in all ihren Facetten und fühlen uns frei, uns auszudrücken. Das bedeutet, wir teilen unsere Ansichten, auch wenn sie nicht Mainstream oder beliebt sind. Wir wollen den Mitarbeitern die Chance zur Selbstverwirklichung bieten, damit sie sich jeden Tag aufs Neue über die Herausforderungen in der KaufmannGruppe freuen. „Schneller“ heißt, dass wir Trends und Kundenwünsche schneller erkennen als andere. So bauen wir stabile Geschäftsmodelle, welche die Wünsche der Kunden erfüllen und den Lifestyle der heutigen Konsumenten ansprechen. Mit „Weiter“ charakterisieren wir Strukturen und Ideen, die über traditionelle Grenzen gehen und wir offen sind, zu lernen. Wir übernehmen nicht-traditionelle Ansichten und erkunden unerforschte Gebiete in unserer modernen Welt.

     

RLB OÖ: WAS KOMMT NACH „NEW WORK“?

Der Blick in die Glaskugel ist natürlich immer so eine Sache und wenn man sich vor 100 Jahren die gezeichneten und erdachten Zukunftsszenarien für unsere jetzige Gegenwart ansieht, wirken diese Szenarien immer ein wenig plump bzw. oftmals sogar sehr belustigend, wenngleich natürlich extrem interessant.
 

Daher will ich hier einen Ansatz wählen, der so realistisch wie möglich ist. New Work, wie bereits ausgeführt, bringt den Aspekt der Digitalisierung in die Arbeitswelt mit ein und ich glaube, ganz simpel gedacht, dass der Digitalisierungs-Aspekt nach „New Work“ einfach noch ein paar Schritte weitergedacht wird. Also, dass beispielsweise Roboter und Menschen in der Arbeitswelt tatsächlich koexistieren könnten, ganz im Sinne von Christian Schmidt vom deutschen Zukunftsinstitut, der schreibt, dass „Next Work“ nach „New Work“ kommt und damit in etwa meint, dass die Digitalisierung ein neues Miteinander von menschlicher und technologischer Intelligenz schafft. Sieht man sich führende technologische Köpfe der Neuzeit an, wie etwa Elon Musk, erscheint diese Ansicht gar nicht mal so unrealistisch.
 

Ein prägendes Beispiel für mich ist: Mein Vater war Architekt und hat noch Pläne mit Tusche gezeichnet bzw. zeichnen lassen. Hat der Computer die letzten Jahre das Entwerfen und Bearbeiten von Plänen radikal vereinfacht, wird die nächste Phase sein, dass der Computer mit KI Pläne zeichnet und selber quasi entwirft. Wir sollten uns darauf freuen, denn der Mensch als Entscheider kann damit in kürzester Zeit Ideen visualisieren lassen und verschiedene Lösungsansätze durchplanen lassen.
 

RLB OÖ: Wie leben SIE IN DER KAUFMANN GRUPPE „NEW WORK“?

Aus einem räumlich / geographischen Gesichtspunkt sind hier unterschiedlichste Arbeitsplätze und Arbeitsorte zu nennen, die den Mitarbeitern der KaufmannGruppe zur Verfügung stehen. Das Repertoire bei uns in Linz in der Breitwiesergutstraße reicht vom Großraumbüro bzw. Co-Working-Spaces über Lounges bis hin zu Seminarräumen, einem Studio mit technischen Möglichkeiten für ConCalls und Online Meetings sowie einer Bibliothek. Aber auch in den Beteiligungen der KaufmannGruppe kann ortsunabhängig mit dem richtigen technischen Equipment gearbeitet werden – hier reicht die Bandbreite von den einzelnen MANDU-Stores über das Café in Linz-Urfahr, dem Beenie all day, bis hin zum CUBUS im AEC.
 

Der räumliche/geographische Gesichtspunkt wäre in vielfacher Hinsicht jedoch ohne den technischen Aspekt nicht realisierbar. So setzen wir in der KaufmannGruppe auf vielfältige technische Tools und Kommunikationskanäle. Die Mitarbeiter sind mit modernen Handys und Laptops ausgestattet – dies ist kein Novum, sondern ein zeitgerechter und schlicht notwendiger Hygienefaktor. Als Projektmanagement-Tool verwenden wir Asana in Verbindung mit dem damit verknüpften Zeitaufzeichnungssystem von Toggle. So behalten die Mitarbeiter die Übersicht über die diversen Projekte. Als Hauptkommunikationstool intern, wie extern, verwenden wir die Business-Version von Webex. Für unsere Social Media-Aktivitäten arbeiten wir mit den Tools von FanpageKarma und MessengerPeople.
 

Ein Aspekt, der für mich bei „New Work“ auch noch mitgedacht werden muss, ist der Gesundheitsaspekt in Verbindung mit Nachhaltigkeit. Zum einen geht es hier um die Büro-Infrastruktur, ein gesundes Raumklima und den Klimaaspekt. Hier haben wir einen neuen Weg eingeschlagen und heizen und kühlen die Büroräumlichkeiten mit dem Tonputz von Emoton. Dabei werden Schadstoffe und Emissionen vom Ton wie ein Schaum aufgesaugt und der Luft dauerhaft entzogen. Das wirkt sich positiv auf die Luft im Büro und auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aus, weil diese beispielsweise nicht so schnell müde werden. Zum anderen geht es um „Mental Health“, wo wir das Credo „Lustvoll.nachhaltig.leben“ vertreten, was bedeuten soll, dass es zum Arbeiten auch einen Ausgleich geben muss. Denn nur, wer auf sich und seine psychische Gesundheit achtet, wird seine Fähigkeiten auch ausschöpfen und produktiv arbeiten können.
 

Wichtig ist in diesem Kontext auch zu erwähnen, dass wir, obwohl wir mit den Beteiligungen der KaufmannGruppe, auf mehr als 100 Mitarbeiter kommen, die Hierarchien flach und die Entscheidungswege kurz sind. Nur so kann schnelles, flexibles und innovationsgetriebenes Arbeiten ermöglicht werden. 

Wordrap: 5 sekundenschnelle Entscheidungen

  1. Output oder Anwesenheit? Output
  2. Fleiß oder Talent? Fleiß, mit der Hoffnung auf etwas Talent ;)
  3. Disziplin oder Interdisziplinär? Interdisziplinär
  4. Individualist oder Teamplayer? Teamplayer
  5. Sprint oder Marathon? Marathon mit täglichen Sprints ;)