Ältere Frau mit Einkaufswagen
Handlungsbedarf?

Die Generation 50 plus hat noch viel vor – und ist auch die finanziell potenteste Zielgruppe. Doch wie geht der Handel mit ihr um?

Raus aus der Grauzone

Die Generation 50 plus definiert das Alter radikal neu. Sie fühlt sich jünger, fitter und will das Leben in vollen Zügen genießen. Die neuen Alten sind auch die finanziell potenteste Verbrauchergruppe. Es ist an der Zeit, dass sich der Handel stärker auf sie konzentriert.

Wenn die Mehrheit der Bevölkerung über 50 ist, fallen graue Haare und reifere Gesichtszüge nicht mehr auf. Die sogenannten Best Ager sind schließlich gut in Form – und vor allem gut situiert. Wer vor 1970 geboren ist, zählt zur kaufkräftigsten und somit für den Handel weitaus lukrativsten Zielgruppe. Dennoch fehlt vielen Unternehmen eine klare Strategie für die Ansprache der junggebliebenen Alten. „Werber sprechen noch immer Jüngere an. Sie gehen davon aus, dass sie bei jenen, die gerade beginnen, eigenständige Kaufentscheidungen zu fällen, eine lebenslange Markenbindung aufbauen können“, sagt Gundolf Meyer-Hentschel, der sich seit vielen Jahren mit dem Alterungsprozess und wie man ihn für die Jugend nachvollziehbar machen kann befasst. „Hinzu kommt eine mangelnde Sensibilität – und vor allem die Unkenntnis der Zielgruppe seitens der meist jungen Marketingakteure. Sie wollen sich bisweilen auch gar nicht mit der Thematik beschäftigen.“

Dabei erlebt die Generation 50 plus gerade, wie ihre eigenen, hochbetagten Eltern mit wenig nutzerfreundlichen Produkten und Dienstleistungen zu kämpfen haben. Aus dieser Erfahrung entwickeln sie eine besondere Sensibilität, die ihre eigenen Kaufentscheidungen beeinflusst. Darauf reagiere der Handel noch viel zu wenig, findet der CEO des Meyer-Hentschel Instituts für Altersforschung. „Mit drei Sitzbänken in einer Shoppingmall ist hier nicht viel getan“. Ziel müsse es sein, den Einkauf für ältere Menschen so leicht wie möglich zu machen. Das finge bei kleineren Einkaufswägen an, die sich leicht manövrieren ließen, und höre bei der besseren Beleuchtung der Waren auf. Um das Bewusstsein von Unternehmen für die Bedürfnisse älterer Menschen zu wecken, entwickelte er den AgeExplorer-Anzug. „Der Spezialanzug simuliert nachlassende Seh- und Hörfähigkeit, schwindende Muskelkraft, steife Gelenke und Arthritis“, erzählt er. „Beim Tragen ist sofort spürbar, wie beschwerlich Alltagstätigkeiten sein können.“ Obwohl sich einige Händler bereits auf die reiferen Jahrgänge eingestellt hätten, seien noch viele bei der Frage nach den Wünschen und vor allem auch Werten älterer Konsumentinnen und Konsumenten unsicher. „Die Zielgruppe ist keine einfache“, so Meyer-Hentschel. „Das Alter hat den Vorteil, dass man viele Dinge schon hat. Die Generation 50 plus ist genussorientiert und qualitätsbewusst, gleichzeitig kritisch und anspruchsvoll.“ Der Handel müsse sich bei ihnen daher besonders anstrengen. 

Gundolf Meyer-Hentschel
© age-explorer.de / R. Kraus

Verlockende Angebote für alle

Um Best Ager als Kundinnen und Kunden zu gewinnen, sei es wichtig, Informationen in übersichtlicher Form zu vermitteln, ist man bei Hofer überzeugt. „Unsere Kommunikationsmaßnahmen sind daher so gewählt, dass wir möglichst viele Konsumentinnen und Konsumenten ansprechen und abholen“, lässt man beim Lebensmitteldiskonter auf Anfrage wissen: „Bei Hofer kaufen unterschiedlichste Personengruppen ein: Frauen wie Männer, junge wie ältere Personen, Menschen verschiedener Sprachen, Religionen und Kulturen sowie unterschiedlicher Bedürfnisse. Wir möchten mit unseren Botschaften daher eine möglichst breite Zielgruppe erreichen.“ Informationen kommuniziere die Handelskette daher auf den verschiedensten Kanälen. „Dies beginnt bei unserem Flugblatt, das als Printversion wöchentlich in sämtliche Haushalte Österreichs flattert, aber auch online abrufbar ist sowie auf WhatsApp, und erstreckt sich über sämtliche Kanäle bis hin zum Fernsehen, wo Hofer mit TV-Spots vertreten ist“, heißt es aus dem Unternehmen. Um Internet-affinere Konsumenten anzusprechen, setze Hofer auf Onlineplattformen wie YouTube oder TikTok. „Die Inhalte kommunizieren wir dabei selbstverständlich auf eine dem Kanal angepasste Art und Weise. Auf viele Kampagnen von Hofer trifft zudem der Spruch „Humor kennt keine Altersgrenze“ zu, wenn sie mit einem Augenzwinkern zum Schmunzeln einladen“. Vor allem die Hofer-Songs sollten schnell ins Ohr gehen und auch musikalisch verschiedenste Geschmäcker treffen: neben Hip-Hop-Beats zum Beispiel auch mit Hommagen an den Austropop. „Neben den verschiedenen Medien und der Art und Weise, Werbebotschaften zu kommunizieren, ist uns jedoch bewusst, dass für unsere Kundinnen und Kunden vor allem die Inhalte zählen“, konstatieren die Hofer-Experten. So kenne zum Beispiel das Interesse am Thema Frische und Regionalität keine Altersgrenze und spreche alle Zielgruppen an und werde dementsprechend breit beworben.

Der Lebensmitteldiskonter Hofer setzt im Marketing auf einen breiten Mediamix vom Flugblatt bis zum TikTok-Video.
Der Lebensmitteldiskonter Hofer setzt im Marketing auf einen breiten Mediamix vom Flugblatt bis zum TikTok-Video.

Johannes Kastenhuber, Marketingleiter Intersport Austria, ist davon überzeugt, dass sich auch beim Thema Sport alle Zielgruppen wiederfänden. „Ob in der Werbung oder in den Shops – Intersport holt die Kundinnen und Kunden über ihre Begeisterung für Sport und das Naturerlebnis ab“, erklärt er. Entsprechend ist die Werbung auf eine breite Zielgruppe ausgelegt und umfasst „junge Kanäle“ wie TikTok und Instagram ebenso wie einen klassischen Medienmix aus Print, Hörfunk, TV und Online. „Aber auch die Generation 50 plus ist nicht an nur einem Werbekanal festzumachen“, sagt Kastenhuber. „Ältere Menschen sind heute ebenso multimedial unterwegs wie die Jungen, es unterscheiden sich nur die Kanäle.“ Ein Beispiel für eine Kampagne, die sowohl junge Menschen als auch die Generation 50 plus anspreche, sei „Servus die Wadln“. „Mit diesem Gruß haben wir ein emotionales Verbindungsglied kreiert, das Menschen aller Altersgruppen begeistert und jedem auf Augenhöhe begegnet – gleich, ob Jung oder Alt“, erläutert der Marketingleiter. „Das ist der Schlüssel des Erfolgs in unserer Kommunikation: Wir wollen alle bei ihren sportlichen Aktivitäten und ihrer Weiterentwicklung unterstützen, egal wo sie stehen.“ Es ginge um die Gemeinschaft und der Freude am Sport. Das Bedürfnis nach Bewegung und Erholung beim Sport sei eben bei allen Zielgruppen gleich, egal ob mit 25 oder 55 Jahren.

„Als Premiumanbieter bei Sortiment, Beratung und Service spricht Intersport in erster Linie Konsumentinnen und Konsumenten mittleren und höheren Alters an“, fährt Kastenhuber fort. Die Zielgruppe sei zwischen 40 und 50 plus und lege großen Wert auf Qualität. „Das bestätigt auch die aktuelle GfK Studie“, ergänzt er, „aus der hervorgeht, dass unsere Kundinnen und Kunden bereit sind, etwas mehr zu bezahlen, weil das Gesamtpaket stimmt – von der Sortimentsbreite und -tiefe über die Beratungskompetenz des Fachpersonals bis hin zum Einkaufserlebnis in den Shops.“

Johannes Kastenhuber

Mittendrin statt nur dabei

„Grundsätzlich müsse man sich von dem veralteten Bild über die Generation 50 plus verabschieden“, wirft Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin von Spar Österreich, ein. „50- bis 60-Jährige stehen noch voll im Berufsleben und sind genauso digitalisiert wie jüngere Menschen.“ Das Nutzungsverhalten der Medien sei zwar etwas anders, aber sie seien über digitale Kanäle genauso erreichbar. „Als Lebensmittelhändler sprechen wir mit unserer Werbung bewusst immer alle Bevölkerungsgruppen an. Schließlich kaufen auch alle bei uns ein“, fährt sie fort. „Unsere Werbung ist deshalb darauf ausgerichtet, auf vielen Kanälen zu funktionieren – von Flugblättern über TV bis TikTok.“ Freilich gelte: Je älter, desto Fernseh-affiner. Auch diese versteht man bei Spar abzuholen. „Als beliebte Testimonials kommen hier Mirjam Weichselbraun oder bekannte heimische Skifahrer zum Einsatz“, so die Handelsexpertin.

Nicole Berkmann
© 31plus

Aber muss die Marketingwelt, die das Jungsein zum Maß aller Dinge gemacht hat, nicht auch viel grundsätzlicher umdenken? Verlangt die Veränderung in der Demografie nicht nach völlig neuen Konzepten? Die Notwendigkeit, den Fokus auf eine „aging culture“ zu legen, sieht Berkmann zumindest in ihrer Branche nicht. „Nachdem im Lebensmittelhandel alle einkaufen“, so Berkmann, „machen wir auch allen entsprechende Angebote.“ Das reiche von young and urban Drinks bis zum Sonntagsbraten im Sortiment, von Bedienung in der Feinkostabteilung bis zu Self Scanning Checkouts. ••

Text: Rosi Dorudi