Das Steuer übergeben

Irgendwann kommt an jeder Unternehmensspitze die Zeit für eine Staffelübergabe. Wovon hängt es ab, ob sie erfolgreich wird? Wie hoch ist die Messlatte für die Jungen? Welche Fallstricke gilt es zu vermeiden? Expertinnen und Experten für die Betriebsnachfolge und einige Best-Practice-Beispiele zeigen, wie es funktionieren kann.

Jede Unternehmensnachfolge ist ein einzigartiger Prozess“, ist Johann Mitterhubers Erfahrung. In den vergangenen 15 Jahren hat der langjährige Banker als Nachfolgecoach der Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich rund 740 Unternehmensübergaben begleitet. Ein paar allgemeingültige Erfolgsfaktoren gebe es aber durchaus. „Zum Beispiel, das Thema rechtzeitig anzugehen.“ Dieser Zeitpunkt sei spätestens dann gekommen, wenn folgende Fragen am Horizont auftauchen: Wie lange machen die geschäftsführenden Unternehmer noch weiter? Wer wird ihm oder ihr nachfolgen? Was wird sich durch die Nachfolge ändern? „Je länger dies ungeklärt bleibt, desto mehr wertvolle Energie wird gebunden, die eigentlich der strategischen und operativen Unternehmensführung zur Verfügung stehen sollte. Die zeitnahe Regelung der Nachfolge gibt allen Stakeholdern Perspektive.“ Dabei plädiert Mitterhuber für fachkundige Unterstützung. Ein Coach sei neutral und unbefangen. „Dadurch können die unterschiedlichen Sichtweisen von allen Seiten beleuchtet werden und zur Klärung der Rahmenbedingungen für die Nachfolge beitragen.“ Wie die Lösung letztlich aussehe, dafür gebe es kein Patentrezept. Eine Beraterin oder ein Berater dränge sich auch nicht auf. „Beim Coaching geht es um die Moderation und Mediation in einem komplexen Entscheidungsfindungsprozess, an dessen Ende im Idealfall ein konkreter Nachfolgeplan steht. Dass alle Beteiligten damit zufrieden sind, ist essenziell.“ Zudem hätten Fachleute aus der Steuerberatung oder auch Notarinnen und Notare dann ein substanzielles Konzept in der Hand, an dem sie mit der sachlichen Analyse und Umsetzung ansetzen könnten.

Johann Mitterhuber

Herzblut als Voraussetzung

Zum Nachfolgecoach finden Kundinnen und Kunden üblicherweise auf Empfehlung der Bank, er ist aber grundsätzlich unabhängig von ihr. „Klarerweise sind Banken daran interessiert, dass es mit Betrieben, zu denen sie eine Geschäftsbeziehung haben, erfolgreich weitergeht. Doch ein Coaching samt den hier zur Sprache kommenden persönlichen Details ist selbstverständlich vom Bankgeschäft getrennt und absolut vertraulich.“ Mitterhuber teilt noch eine weitere Erkenntnis: „Nachhaltigen Erfolg beobachte ich nur, wenn der Nachfolger oder die Nachfolgerin die neue Aufgabe wirklich aus ganzem Herzen bejaht und die Übergebenden ihm oder ihr zugleich die Freiheit geben, die Firma auf seine oder ihre Weise zu führen und weiterzuentwickeln.“ 90 Prozent aller Seniorchefs wünschen sich eine Nachfolge innerhalb der Familie. „De facto ist dies im österreichischen Durchschnitt aber nur bei etwa der Hälfte der Familienbetriebe der Fall.“ Doch auch bei externer Übergabe sei die Klärung innerhalb der Eigentümerfamilie bedeutsam. „Gravierende Auffassungsunterschiede und zwischenmenschliche Probleme sind große Hindernisse.“ 

Gerhard Luftensteiner und Christoph Kogler
© Christian Huber Fotografie www.christianhuberfotografie.com

Beteiligungsansatz

Das sieht auch Gernot Hofer so. Er ist Vorstandsvorsitzender der Invest Unternehmensbeteiligungs AG („Invest AG“), einem Private-Equity-Fonds der Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich. Sie investiert in mittelständische Unternehmen im deutschsprachigen Raum und hält derzeit 55 Beteiligungen. „Neben operativer Profitabilität und Wertsteigerung ist uns auch ein einigermaßen harmonischer Ablauf wichtig“, unterstreicht Hofer. Bei Kapitalbedarf, den Unternehmensnachfolger zum Übergabezeitpunkt nicht durch Kredite oder Eigenmittel decken können, sind Beteiligungen relativ häufig. Vorausgesetzt, das Geschäftsmodell ist nachhaltig, fungiert die Invest AG in solchen Fällen als Finanzpartner auf Zeit. „Die Ausgangslage, die passende Struktur und der Investitionszeitraum variieren selbstredend. Doch jeder Form der Partnerschaft mit uns geht ein sorgfältiger Prozess voran und bei eklatanten Streitfällen im Hintergrund halten wir einen Einstieg eher nicht für sinnvoll.“

Vor allem mit zunehmender Generationenfolge wüchsen die Herausforderungen. Statt Brüder und Schwestern müssten sich dann Cousins und Cousinen einigen. „Je größer und verzweigter die Familienstämme sind, desto mehr Personen mit unterschiedlichen Lebensplanungen und Teilhabeambitionen sowie weniger emotionaler Bindung zur Gründergeneration gibt es.“ Es sei zwar nicht immer einfach, aber zwingend notwendig, sämtliche Zielkonflikte geklärt zu haben. Als ein Best-Practice-Beispiel dafür zieht Hofer die Neuordnung der Firmenstruktur des österreichischen Traditionsunternehmens Kapsch im Jahr 2021 heran. „Das war eine sehr vorausschauende Vorbereitung für die nächste Generation.“ Das übergeordnete Ziel: zu gegebener Zeit einen reibungslosen Übergang auf diese zu gewährleisten. Die Vorgangsweise: Die Kapsch TrafficCom und die Kapsch BusinessCom, beides rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Unternehmen, wurden zwischen den drei Familienstämmen aufgeteilt. „Dabei haben die Invest AG und die OÖ Invest die Wachstumsfinanzierung der Kapsch BusinessCom AG gesichert.“ Ebenso zufrieden blickt Hofer auf den im Vorjahr erfolgten Einstieg bei der r&r Objekttischlerei zurück, einem Marktführer für Projektabwicklung und Montage von Türlösungen. Die Invest AG und die Raiffeisen KMU Invest AG wurden neuer Mehrheitseigentümer, der Gründer und vorherige Eigentümer Siegfried Enzenhofer sowie der frühere Miteigentümer Rudolf Enzenhofer übergaben das operative Geschäft an das seit über zehn Jahren im Unternehmen tätige Managementteam. Sie blieben weiterhin mit 25 Prozent beteiligt, auch die Geschäftsführer halten Anteile. Entscheidungsgrundlage für das Modell waren unter anderem die Know-how-Stabilität und Anknüpfungspunkte zur bisherigen Firmenphilosophie. „Besonders wichtig war es uns, für Kontinuität bei der Kundschaft, den Mitarbeitenden und den Liefernden zu sorgen“, schildern die Enzenhofers. Am Partner Invest AG schätzen sie, dass „die eigenständige r&r-Kultur und weitere Wachstumsmöglichkeiten bestmöglich unterstützt werden“. 

Gernot Hofer
© Carolina Frank

Weichen für die Zukunft

Nicht immer geht es beim Generationensprung an der Spitze um die Ablöse der Eigentümer, stets aber um das Stellen von Weichen für die Zukunft. Beim Linzer Automationsspezialisten KEBA Group etwa hat unlängst der langjährige CEO und Vorstandsvorsitzende Gerhard Luftensteiner die Staffel an Christoph Knogler übergeben, den vorherigen Geschäftsführer des Geschäftsfeldes KEBA Energy Automation. Seit 1. Oktober ist der 39-Jährige damit CEO und Sprecher des Vorstands. „Generationenwechsel bedeutet für uns, Kontinuität und Erfahrung mit der Gestaltungskraft der jüngeren Generation zu verbinden“, betont Luftensteiner, der sich in die Pension und in den Aufsichtsrat verabschiedet hat. Unabdingbare Anforderung an die nächste Generation in einer solchen Spitzenposition seien hohe Leadership- und strategische Kompetenzen, Innovationsfähigkeit und die Agilität, um schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren. „Zudem ist es wichtig, Menschen so begeistern zu können, dass sie sich im Unternehmen mit ihrem ganzen Können einbringen.“

 

Drei Jahre Vorbereitung

Auch bei der KEBA Group startete man früh mit den Vorbereitungen für die Nachfolge. Als erster Schritt erfolgte vor drei Jahren die Neustrukturierung der Unternehmensgruppe in drei eigenständige GmbHs: Industrial Automation, Handover Automation und Energy Automation. Getrennte Verantwortung für unterschiedliche Geschäftsfelder ermögliche schnellere Entscheidungen und zielgerichteteres Agieren an der Kundschaft, ohne auf die Synergien der Gruppe verzichten zu müssen, so die Philosophie. Einem Businessboard aus Vorstandsmitgliedern und GmbH-Geschäftsführern obliegt die strategische Ausrichtung und Zusammenarbeit der Einheiten. 2022 schließlich startete ein intensives Auswahlverfahren für Luftensteiners Nachfolge. Zusätzlich plante man eine angemessene Übergangszeit ein, um den reibungslosen Wissenstransfer zwischen dem scheidenden und dem neuen CEO zu gewährleisten. Beide sehen Offenheit und Vertrauen als das Um und Auf jedes Nachfolgeprozesses. Was wird nun Knoglers Fokus sein? „Inhaltlich auf jeden Fall Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Dekarbonisierung“, sagt dieser. „Es zeichnet sich heute schon ab, dass das wesentliche Erfolgsfaktoren sein werden.“ ••

Text: Uschi Sorz