04.02.2021 - Umweltsünder Fast Fashion

Die globale Textilproduktion hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt, die Verwendungsdauer von Kleidung aber gleichzeitig halbiert. Auch Investoren können gegensteuern.

Dieter Aigner, GF Raiffeisen KAG
© Raiffeisen KAG
"Investoren können Kapitalflüsse umleiten und dort investieren, wo Umweltstandards eingehalten werden", betont Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG.

Textilunternehmen zum Umdenken bewegen

Für die Produktion eines Baumwollhemdes sind 2.700 Liter Wasser nötig. 20 Prozent der weltweiten industriellen Wasserverschmutzung sind auf die chemische Färbung, das Bleichen oder andere Behandlungsmethoden von Textilien zurückzuführen. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) emittiert der Textilsektor mehr Treibhausgase als die gesamte Luft-und Seefahrt zusammen, wobei der Haupttreiber dafür die Produktion von Polyester, also Garn auf Kunststoffbasis, ist. 12,8 Millionen Tonnen Altkleidung landen jedes Jahr im Müll. 

Nichtsdestotrotz hat sich nach einer Studie der Ellen MacArthur Foundation die globale Textilproduktion während der vergangenen 15 Jahre verdoppelt. Wir kaufen im Durchschnitt um 60 Prozent mehr Kleidungsstücke, behalten diese aber nur halb so lange wie vor eineinhalb Jahrzehnten. 

Wesentliche Treiber dafür sind neben der wachsenden Weltbevölkerung insbesondere die großen aufstrebenden Wirtschaftsräume China und Indien, in denen eine immer bedeutendere Mittelschicht als Käufer an Relevanz gewinnt, sowie ein Trend in der Textilindustrie zu Fast Fashion.

Der Begriff Fast Fashion bezeichnet ein Geschäftsmodell der Modeindustrie, bei dem möglichst viele Kollektionen in einer möglichst kurzen Zeit auf den Markt gebracht werden. Die Kollektionen orientieren sich dabei an den neuesten Trends von Designern, die dann in kürzester Zeit imitiert und in einer geringeren Qualität - und damit verbunden kurzen Haltbarkeit - sowie zu einem sehr günstigen Preis hergestellt und dann verkauft werden.
 

Umdenken

"Den Konsumenten der billig hergestellten Waren ist oft gar nicht bewusst, welche destruktiven Systeme sie durch ihr Kaufverhalten fördern. Deshalb ist es wichtig, hier einerseits Aufklärungsarbeit zu leisten und andererseits die Textilunternehmen zum Umdenken zu bewegen und Druck auszuüben. Da das über finanzielle Mittel oft am besten gelingt, sind wir Investoren gefragt, mitzuwirken. Wir können Kapitalflüsse umleiten und dort investieren, wo Existenzlöhne gezahlt und Umweltstandards eingehalten werden", betont dazu der für Fondsmanagement und Nachhaltigkeit zuständige Geschäftsführer der Raiffeisen KAG, Dieter Aigner, im Infomagazin "Nachhaltig investieren".

Wie auch bei Lebensmitteln sprechen sich Konsumenten auch bei Kleidung immer stärker für mehr Nachhaltigkeit aus, kaufen dann aber doch oft Billigmarken und günstige Produkte. Die Produktionszyklen für Fast-Fashion-Labels sind extrem kurz geworden, wodurch sich die Anzahl der Kleiderkollektionen von 2000 bis 2011 verdoppelt hat. "Fast Fashion führt bei weiten Teilen der Käufer zu sogenannter "Disposable Fashion", erläutert Wolfgang Pinner, Leiter Sustainable and Responsible Investment bei der Raiffeisen KAG. Das bedeutet, dass rund 50 Prozent aller Fast-Fashion-Bekleidung bereits nach maximal einem Jahr wieder entsorgt wird, unter anderem, um Platz für neue Mode zu schaffen. Die Ellen Mac-Arthur Foundation schätzte bereits 2017, dass Konsumenten in einem globalen Kontext jedes Jahr auf 460 Milliarden US-Dollar verzichten, weil sie noch tragbare Kleidung wegwerfen.
 

Tonnen an Plastik

Besonders wenn es um die Produktion geht, steht die Fast Fashion Industrie häufig in der Kritik. Verwendet werden oft chemische Fasern wie beispielsweise Polyester, die aus Erdöl hergestellt werden und damit bei ihrer Produktion viel CO aussetzen. Aber auch für die Wasserverschmutzung in den Meeren sind chemische Stoffe verantwortlich. Durch das Waschen von Kleidung in der Waschmaschine gelangen kleine Fasern als Mikroplastik in die Meere. Somit sind synthetische Stoffe das am häufigsten nachgewiesene Mikroplastik in Gewässern. 

Hoffnung gibt, dass in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Brancheninitiativen ins Leben gerufen wurden, die Nachhaltigkeits-Themen in der Textilbranche mehr Bedeutung verleihen sollen. Dabei geht es einerseits vor allem um erhöhte Transparenz und Fairness der Lieferketten, andererseits haben diese Initiativen respektive Joint-Ventures auch die Forschung im Visier. Ziel der Forschungsaktivitäten ist beispielsweise die Weiterentwicklung von alternativen Grundmaterialien zur Gewinnung von Fasern, die zu Bekleidung verarbeitet werden können. Derartige Alternativen sind insbesondere Obst-, Pilz- und Lebensmittel-basierte sowie im Labor gezüchtete Fasern, geht aus der Publikation der Raiffeisen KAG hervor. 

Fest steht aber auch: Verantwortungsvolle Investoren wie die Raiffeisen KAG, die nur punktuell in Textilunternehmen mit Fokus auf Nachhaltigkeit auf Produktebene und auf Ebene der strategischen Ausrichtung investiert, werden die vielschichtigen Probleme, die Fast Fashion verursacht und die alle Nachhaltigkeitskriterien gleichermaßen betreffen, mit Sicherheit nicht alleine lösen können. "Um hier nachhaltige Strukturen zu schaffen, braucht es den Willen und das Zusammenwirken aller beteiligten Interessengruppen. In erster Linie braucht es die Politik, um notwendige Gesetze auf die Straße zu bringen. Es braucht die Wissenschaft, die die Forschung zu alternativen Fasern beziehungsweise deren besserer Verwertbarkeit vorantreibt. Es braucht die Medien, die Bewusstsein schaffen. Es braucht Konsumentinnen und Konsumenten, die nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die Nachhaltigkeit von Kleidung achten. Und natürlich bräuchte es vor allem auch den Handel und die Unternehmen selbst, die dieses System nicht mehr wollen", unterstreicht Aigner. "Von so einem Zusammenwirken sind wir noch weit entfernt. Derzeit werden mehr als 90 Prozent unserer Kleidung in Billiglohnländern wie Bangladesch, Indien und China angefertigt. Arbeits- und Umweltschutz werden großflächig ignoriert. Giftige Chemikalien gelangen in Flüsse und verseuchen das Trinkwasser von Millionen Menschen und Tieren. Das ist der eigentliche Preis, den wir für ein T-Shirt zahlen, das am anderen Ende der Welt produziert wird und bei uns um 3,50 Euro im Doppelpack in der Wühlkiste landet."

Quelle: Raiffeisenzeitung; Text: Edith Unger
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