21.04.2021 - Resilienz in Zeiten von COVID-19 und den SDGs
Organisationale Widerstandsfähigkeit – also die Krisenfestigkeit von Unternehmen in der VUCA-Welt – ist aktuell gefragter, denn je.
VUCA-Welt
Die Welt ist VUCA: volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Denken wir an Digitalisierung, Globalisierung, Konnektivität, Urbanisierung, Mobilität und Neue Arbeit wird klarer, was damit gemeint ist. Und dann auch noch die Corona-Pandemie. Wie ein Brennglas verstärkt sie bereits bestehende Herausforderungen und bringt neue Probleme mit sich. Alle von uns – egal ob Politiker*innen, Unternehmer*innen, Arbeitnehmer*innen oder Privatpersonen – werden auf die Probe gestellt. Widerstandsfähigkeit ist wohl aktueller als jemals zuvor. Der Fokus auf nachhaltige Entwicklung ist dabei unerlässlich. Veränderungen bisher angenommener „Normalitäten“ sind notwendig. Die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) können dabei helfen. Beispielsweise dann, wenn es gesellschaftlich betrachtet, um den Umgang mit natürlichen Ressourcen, die Auswirkungen des Konsums und der Mobilität auf unser Klima, Bodenversiegelung durch Bautätigkeiten, den Gender Pay Gap, unfaire Arbeitsbedingungen oder die Auslegung unseres Wohlstandsbegriffs entlang materieller Faktoren geht.
Was Resilienz bedeutet
Gerne als „Stehauf-Männchen-Qualität“ bezeichnet, hat die Widerstandsfähigkeit in den verschiedenen Bereichen – beispielsweise in der Psychologie, Umweltwissenschaften und Wirtschaft – sehr viel mit dem Aushalten von Druck, Stress und Krisen zu tun, um danach wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. Herausforderungen werden also erfolgreich gemeistert. Im Besten Fall wird daraus gelernt, um neue und positive Entwicklungen zu ermöglichen. Das erfordert nicht nur Kraft, Wissen, Reflexion, Achtsamkeit, Vielfalt und Agilität. Die Resilienz gegenüber Entwicklungsrisiken bedarf auch die ganz bewusste Nutzung innerer und äußerer Ressourcen. Eine positive Botschaft möchte ich gleich vorwegschicken: Resilienz kann erlernt werden. Als dynamischer Anpassungsprozess ist sie variabel. Und nicht zu vergessen: Resilienz ist, multidimensional im Kontext der Mensch-Umwelt-Interaktionen zu verstehen. Das gilt auch für Unternehmen als organisationale Systeme.
ISO-Norm zu organisationaler Resilienz
Kennen Sie die ISO-Norm 22316 zu organisationaler Resilienz? Keine Sorge, jetzt wird es nicht zu technisch oder normativ. Was ich mit der Frage vermitteln möchte ist, dass es bereits eine Vielzahl an Expertise hinsichtlich Prinzipien, Merkmale und Charakteristika für bzw. von resilienten Unternehmen gibt. Dazu zählen laut Resilienz-Coach und Unternehmensberaterin Prof. Jutta Heller die folgenden Elemente (weiterführende Informationen - hier):
- Geteilte Vision und Klarheit über den Unternehmenszweck
- Internes und externes Umfeld verstehen und beeinflussen
- Führungskräfte, die andere ermutigen, sowie Unsicherheit und Scheitern annehmen
- Relevante Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen festlegen
- Information und Wissen teilen
- Verfügbarkeit von Ressourcen
- Entwicklung und Koordination der Unternehmensmanagementbereiche
- Evaluation und Unterstützung kontinuierlicher Verbesserung
- Fähigkeit, Veränderung zu antizipieren und zu managen
7 Säulen der Resilienz und die SDGs
Aus der Psychologie, also im Hinblick auf die persönliche (innere) Widerstandsfähigkeit, sind die sieben Säulen der Resilienz bekannt. Die Agenda 2030 mit den 17 SDGs, verstanden als aktuelles Rahmenwerk für nachhaltige Entwicklung, bietet einiges – auch den Unternehmen, die sich damit ernsthaft beschäftigen. Wir finden darin beispielsweise Orientierung und Sinnstiftung. So etwa im Zusammenhang mit gesellschaftlichem und ökologischem Mehrwert eines Geschäftsmodells. Wir erkennen mithilfe der SDGs die Zusammenhänge, Wechselwirkungen, Synergien und Trade-Offs in einzelnen Bereichen unternehmerischer Aktivitäten. In der Agenda 2030 finden wir aber auch ein positives Zukunftsbild, welches Perspektive schafft. Die Vision lautet: Ein gutes Leben für alle Menschen im Rahmen der ökologischen Belastungsgrenzen. Wie diese Vision erreicht werden kann, zeigen uns die 169 SDG-Unterziele. Im Hinblick auf die sieben Säulen der Resilienz gibt es hier erkennbare Schnittmengen:
- Akzeptanz der bestehenden Herausforderungen (z.B. Klimakrise, Urbanisierung, Biodiversität, Inklusion, Chancengleichheit für Frauen und Männer).
- Optimismus, diese Herausforderungen lösen zu können.
- Selbstwirksamkeit und das Vertrauen in eigene Stärken, um nicht hilflos den Kopf in den Sand zu stecken.
- Verantwortung übernehmen, um mit dem eigenen Handeln eine Welt zu gestalten, die wir uns selbst wünschen. Damit kommen wir aus der Opferhaltung raus.
- Lösungsorientierung, um weg vom problemzentrierten Denken hin zu lösungsorientiertem Handeln zu gelangen. Nach Klärung, welche Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung stehen, wird tatsächlich gehandelt.
- Zukunftsorientierung, bei der Ziele möglichst klar formuliert werden. Man muss hier auch an die nächsten Generationen denken. Der Blick richtet sich nach vorne.
- Netzwerkorientierung ist essenziell. Zusammenhalt und Kooperationen sind wichtig, um voran zu kommen.
Nachhaltigkeit und Resilienz zusammendenken
So plädiere ich (und viele andere Personen) dafür, Nachhaltigkeit entlang der SDGs und Resilienz mit ihren Merkmalen verstärkt zusammenzudenken – auch im Unternehmenskontext mit all den Facetten und Elementen. Seit geraumer Zeit kennen wir die drei Leitstrategien der nachhaltigen Entwicklung:
- Suffizienz: Hierzu zählen der geringere Rohstoff- und Energieverbrauch sowie die Verringerung von Produktion und Konsum
- Effizienz: Intensivere Nutzung (Output) von Material und Energie (Input)
- Konsistenz: Hierzu zählen die Vereinbarkeit von Natur und Technik, naturverträgliche Stoffkreisläufe sowie Wiederverwertung
Möglicherweise haben wir mit Resilienz eine vierte Leitstrategie für nachhaltige Entwicklung, bei der es sich lohnt, näher darüber nachzudenken – nämlich dann, wenn enormer Druck, Stress und Krise einwirken. Um nun ein Unternehmen solch eine Situation widerstandsfähig bewältigen zu lassen und in weiterer Folge zukunftsfit aufzustellen, bedarf es Orientierung. Die 17 SDGs bieten genau diese. Nehmen wir diese ernst und ganzheitlich in ihrem Selbstverständnis wahr, entdecken wir Potentiale und Chancen, die es zu nutzen gilt. Für Unternehmen bedeutet dies beispielsweise neue Geschäftsmodelle, ökologische und soziale Fairness in Liefer- und Wertschöpfungsketten, Innovationen, Wohlergehen der eigenen Mitarbeiter/innen und gesellschaftlicher Impact.
Autor: Florian Leregger, Geschäftsführer Institut für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE)