04.03.2021 - Ich meine ...
Raiffeisen und Diversität sind kein Widerspruch!
Von Generalanwalt Walter Rothensteiner
In den vergangenen Jahren haben wir neben anderen besonders ausgeprägten Stärken von Raiffeisen immer wieder auch "die Kraft der Vielfalt" betont. Zugegeben -zuerst einmal im Blick auf die vielfältigen Tätigkeitsfelder innerhalb unserer Organisation: Natürlich Banken, Lagerhäuser, Milchverarbeiter. Aber ebenso vom Schilift bis Carsharing, von Physiotherapeuten bis zu IT- Technikern, von Weinbauern und Bierbrauern bis hin zum top-aktuellen Bereich der erneuerbaren Energien. "Vielfalt" meint (und kann) aber noch viel mehr - nämlich "Diversität".
Dazu Wikipedia (etwas gekürzt): Diversität ist ein Konzept der Soziologie, das für die Unterscheidung und Anerkennung von individuellen Merkmalen benutzt wird. Die Diversität von Personen wird klassischerweise auf folgenden Ebenen betrachtet: Alter, ethnische Herkunft & Nationalität, Geschlecht & geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion & Weltanschauung, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft. Weniger ins Auge fallen eine große Zahl weiterer sozialisationsbedingter und kultureller Unterschiede wie Arbeitsstil, Wahrnehmungsmuster, Dialekt usw., die die Vielfalt weiter erhöhen und ebenfalls der Aufmerksamkeit bedürfen.
Ist Raiffeisen - vor diesem Hintergrund - ein gelungenes Beispiel für Vielfalt auch im Sinn von Diversität? Ich behaupte: Ja! Und Sie schmunzeln? Raiffeisen - ein Hort der Diversität!? Oder doch viel eher ein vorwiegend ländlich-konservativ geprägter und weitestgehend homogener "Männerorden", wie ich hie und da mit Augenzwinkern anmerke? Mag schon einmal so gewesen sein (und mancherorts nach wie vor so sein). Aber allein drei Zahlen zeugen von unserem enormen Potenzial: In Österreich haben wir rund vier Millionen Kundinnen und Kunden. Wir beschäftigen rund 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und zumindest ebenso bedeutsam, wenn nicht überhaupt Diversitäts-entscheidend: Wir befinden uns im Eigentum von zwei Millionen Miteigentümerinnen und Miteigentümern. Also Diversität, wohin man schaut: Alte und Junge. Männer und selbstverständlich auch Frauen. Haupt- und Ehrenamtliche. Am Land und ebenso in der Stadt. Lehrlinge und Studierte. Christen und Muslime. Kritische Geister und Angepasste. Konflikt- und ebenso Kompromissbereite und (selbst in unserer genossenschaftlich geprägten Organisation) wohl auch der eine oder andere notorische Einzelgänger. Setzen Sie diese Aufzählung in Gedanken ruhig noch weiter fort Alle Genannten finden sich unterm Giebelkreuz. Und das ist gut so.
"Die Raiffeisen" im Sinne des einen Monolithen gibt es nicht, Vielfalt ist eine unserer Stärken. Was aber nicht heißen soll, dass wir schon am Ziel wären. Denn Vielfalt im Sinn von Diversität entwickelt sich ständig weiter. Hand in Hand mit der Epoche, in der sie konkret verortet ist. Beispiel? "Sodann ist bemerkt worden, auch die Frauen müßten, wie die Männer, das Recht haben, an den Generalversammlungen Theil zu nehmen und darin zu stimmen. Dieser Einwand scheint bei oberflächlicher Betrachtung gerechtfertigt. Es ist deßhalb auch öfters hierüber berathen worden. Indeß jedesmal und meist einstimmig wurde der Beschluß gefaßt, weibliche Mitglieder an den Versammlungen nicht Theil nehmen zu lassen und ihnen das Recht der Wählbarkeit nicht zuzuerkennen. Dieser Beschluß rechtfertigt sich durch die Stellung der Frauen überhaupt, insbesondere aber dadurch, daß es sich hier um Geschäfte handelt, welche den Frauen fremd sind und außerhalb ihrer Sphäre liegen." - schreibt Friedrich Wilhelm Raiffeisen in seinem Standardwerk über Kreditgenossenschaften. Damals vor 150 Jahren gängige Meinung - heute natürlich absolut aus der Zeit gefallen. Allein in dieser Ausgabe der Raiffeisenzeitung finden sich zig Beispiele für tolle Frauen, ohne die unser Sektor ganz schön alt aussehen würde. Und ja - noch mehr davon täten uns gut. Ebenso wie mehr Jugend in Funktionärsämtern. Daher auch unsere gemeinsamen Initiativen "Frauen bewegen!" und "Raiffeisen NEXT". Und daher meine Einladung: Nutzen wir unsere Vielfalt. Und ergreifen wir die Chancen, die sich daraus ergeben. Raiffeisen und Diversität sind kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil. Weiterdenken und weitermachen ausdrücklich erlaubt!
Quelle: Raiffeisenzeitung
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