03.05.2021 - Mehr Transparenz und Vergleichbarkeit

Brüssel stellt die nicht-finanzielle Berichterstattung auf neue Beine. Ziel sind europaweit harmonisierte und vergleichbare Nachhaltigkeitsberichte.

Leiter der ÖRV-Abteilung für Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen
© ÖRV / Sabine Klimpt
Josef Plank, Leiter der ÖRV-Abteilung für Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen

Wirtschaft soll nachhaltiger werden

Seit geraumer Zeit arbeitet die EU-Kommission nun umfassend daran, die Wirtschaft in Europa nachhaltiger auszurichten - auch mithilfe von Investoren. Das jüngste Regelwerk dazu: Ein Entwurf für die Überarbeitung der EU-Richtlinie zur nicht-finanziellen Berichterstattung.

Als Teil der Bemühungen zum Green Deal und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 benötigen Unternehmen einen umfassenden Rahmen, der es ihnen ermöglicht, ihre Geschäftsmodelle nachhaltiger zu gestalten. Um diesen Wandel im Finanzwesen zu gewährleisten und Grünfärberei zu verhindern, sollen die neuen Maßnahmen die Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der Angaben zur Nachhaltigkeit erhöhen. Der europäische Finanzsektor soll dabei ins Zentrum einer nachhaltigen und inklusiven wirtschaftlichen Erholung von der Covid-19-Pandemie und der längerfristigen nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung Europas gestellt werden.

Mit der neuen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) werden die geltenden Bestimmungen der Richtlinie über die nicht-finanzielle Unternehmensberichterstattung (NFRD) überarbeitet und gestärkt. Ziel ist die Schaffung eines Regelwerks, das die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Laufe der Zeit auf eine Stufe mit der Finanzberichterstattung stellen wird.

Ein Kernpunkt der vorgeschlagenen Richtlinie ist die Ausweitung der EU-Bestimmungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf alle Großunternehmen und alle börsenotierten Unternehmen. Erfasst werden alle Unternehmen mit Sitz in der EU, die mindestens zwei von drei Mindestkriterien erfüllen: 20 Millionen Euro Bilanzsumme, Nettoumsatzerlöse von 40 Millionen Euro oder 250 Mitarbeiter im Durchschnitt des Geschäftsjahres. Damit sollen künftig fast 50.000 Unternehmen in der EU detaillierte Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung einhalten müssen, also deutlich mehr als die 11.000 Unternehmen, die den derzeit geltenden Anforderungen unterliegen.

Die Kommission schlägt die Entwicklung von Standards für Großunternehmen sowie die Entwicklung getrennter, verhältnismäßiger Standards für KMU vor, die nicht-börsenotierte KMU freiwillig anwenden können.

Der Vorschlag soll sicherstellen, dass Unternehmen die von Anlegern und anderen Interessenträgern benötigten verlässlichen und vergleichbaren Informationen zu ihrer Nachhaltigkeit bereitstellen. So werden die Unternehmen darüber Bericht erstatten müssen, wie Nachhaltigkeitsthemen und der Klimawandel ihre Tätigkeit beeinflussen und wie ihre Tätigkeiten sich auf Mensch und Umwelt auswirken.

Außerdem legt die Überarbeitung der Richtlinie Firmen Berichtspflichten zu Nachhaltigkeitszielen auf sowie zu ihrem Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und etwaigen nachteiligen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Nachhaltigkeitsziele. Die überarbeitete Richtlinie soll jedenfalls mit der Taxonomie-und der Transparenzverordnung der EU abgeglichen werden, denn Brüssel möchte doppelte Berichtspflichten vermeiden. Daher sollen unter anderem die für die Taxonomie entwickelten Indikatoren für nachhaltige Aktivitäten auch für die Berichtsstandards der CSRD gelten.

Die Kommission hat daher auch eine sogenannte Delegierte Verordnung zu den ersten beiden ökologischen Zielen der EU-Klimataxonomie verabschiedet, Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz. Die Verordnung zielt darauf ab, Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu fördern. Zu diesem Zweck wird klargestellt, welche Wirtschaftstätigkeiten am meisten zur Erreichung der EU-Umweltziele beitragen. Noch dieses Jahr will die Kommission eine Erweiterung des Delegierten Rechtsakts vorlegen, welche die Bereiche Agrar, fossiles Gas und Atomkraft regelt. Firmen müssen die ersten beiden Ziele in ihren nichtfinanziellen Berichten für 2021 berücksichtigen.

Als nächsten Schritt werden EU-Parlament und die Mitgliedstaaten ihre Standpunkte zum Vorschlag der EU-Kommission zur nicht-finanziellen Berichterstattung für die weiteren Verhandlungen festlegen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Änderungen laut aktuellem Zeitplan bis 1. Dezember 2022 in nationales Recht umsetzen. Die neuen Vorgaben sollen erstmals auf Unternehmensberichte für Geschäftsjahre angewendet werden, die ab dem 1. Jänner 2023 beginnen. Erste Nachhaltigkeitsberichte nach dem neuen EU-Standard sind damit nicht vor 2024 zu erwarten.

Die wesentlichen Änderungen:

  • Ausweitung des Geltungsbereichs und der Berichtsinhalte
  • Verpflichtende EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung
  • Veröffentlichung der Informationen als Teil des Lageberichts
  • Externe Prüfungspflicht für Nachhaltigkeitsinformationen
     

Quelle: Raiffeisenzeitung; Text: Edith Unger
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Josef Plank
Leiter der ÖRV-Abteilung für Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen

1. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung geht weit über den Finanzbereich hinaus. Ist dieses Thema außerhalb des Bankensektors schon angekommen?

Josef Plank: Ja jedenfalls - obwohl die detaillierte Auseinandersetzung bei vielen erst beginnt. Mit dem Vorschlag wird der Anwendungsbereich auf alle Großunternehmen ausgeweitet -unabhängig von der Börsennotierung und ohne die bisherige Schwelle von 500 Beschäftigten. Diese Änderung würde bedeuten, dass künftig sämtliche Großunternehmen gegenüber der Öffentlichkeit über ihren sozialen und ökologischen Fußabdruck Rechenschaft ablegen müssten.
 

2. In den neuen Vorschlägen sollen die Berichtsinhalte ausgeweitet und präzisiert werden. Was genau kommt hier auf die Unternehmen zu?

Plank: Mit dem Vorschlag würde erstmals eine allgemeine EU-weite Prüf-(Bestätigungsanforderung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung eingeführt. Dies wird gewährleisten helfen, dass die gemeldeten Informationen zutreffend und verlässlich sind. Auch wenn das Ziel letztlich darin besteht, dass die Finanz-und die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein vergleichbares Maß an Sicherheit bieten, ist doch ein schrittweiser Ansatz erforderlich.
 

3. Gibt es aus Ihrer Sicht bestimmte Themen, die in der nicht-finanziellen Berichterstattung stärker Berücksichtigung finden sollten?

Plank: Das Grundproblem ist nach wie vor, dass die betroffenen Sektoren - wie auch die Land-und Forstwirtschaft bzw. Lebensmittelwirtschaft -bei der Ausarbeitung der Kriterien seitens der Kommission nicht oder sehr spät eingebunden wurden. Daher fehlen dafür die Folgenabschätzungen. Besonders kritisch muss auch der zu erwartende Dokumentationsaufwand gesehen werden - vor allem für KMUs. Diese müssen zwar nicht selbst berichten, werden aber als Zulieferer in der Lieferkette sehr wohl in die Ziehung genommen. Insgesamt besteht die Gefahr, dass aus einer guten Initiative ein Vorteil für die großen Player wird.
 

4. Mit der neuen Richtlinie soll die Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichte in der EU besser werden. Wie sieht der weltweite Trend bei Non-financial Reports aus?

Plank: Die EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung müssen mit den Zielen des europäischen Grünen Deals und mit dem bestehenden EU-Rechtsrahmen, d. h. der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten und der Taxonomie-Verordnung, in Einklang stehen.

Sie müssen nicht nur die Risiken für Unternehmen abdecken, sondern auch den sozialen und ökologischen Fußabdruck der Unternehmen (Konzept der "doppelten Wesentlichkeit"). Zugleich haben die EU und die europäischen Unternehmen und Investoren ganz klar ein Interesse daran, dass die Standards global abgestimmt sind. Ziel sollte es sein, dass die EU-Standards alle wesentlichen Elemente der weltweit anerkannten Standards, die derzeit entwickelt werden, beinhalten.

 

Johannes Rehulka
Geschäftsführer des Fachverbandes der Raiffeisenbanken

1. Was bedeuten die neuen Vorschläge der EU-Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Raiffeisenbankengruppe Österreich?

Johannes Rehulka: Die RBI und einige Landesbanken erstellen ja schon heute Nachhaltigkeitsberichte und setzen diese auch für die Positionierung am Markt erfolgreich ein. Insoweit ist da bereits ein breites Wissen vorhanden, das auch intern genutzt werden kann. Generell werden die neuen Berichtspflichten zu einer verstärkten Auseinandersetzung der Unternehmen mit den Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt führen. Das ist sicherlich positiv zu beurteilen.
 

2. Unter anderem wird im Vorschlag das Größenkriterium der Arbeitnehmerzahl von 500 auf 250 für berichtspflichtige Unternehmen gesenkt. Wie viele Raiffeisenbanken werden künftig davon betroffen sein bzw. wie viele waren es bisher?

Rehulka: Der Großteil der Raiffeisenbanken wird -wie von uns gefordert - nach dem Vorschlag von der Berichtspflicht nicht erfasst sein. Ebenso war uns wichtig, dass KMUs von der Berichtspflicht befreit sind. Auch das ist so vorgesehen.

Bisher waren nur Unternehmen und Banken betroffen, bei denen mehr als 500 Mitarbeiter angestellt sind. Nunmehr wird auf mehrere Kennzahlen, darunter auch die Arbeitnehmerzahl, abgestellt. Diese neuen Kennzahlen würden eine Anwendung auf bestimmte Landesbanken und auch auf bestimmte sehr große Raiffeisenbanken bedeuten, die bisher nicht berichten mussten.
 

3. Nachhaltigkeitsberichte sollen künftig auch geprüft werden. Steht schon fest, wer diese Aufgabe in Österreich übernehmen wird?

Rehulka: Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass der Nachhaltigkeitsbericht künftig als Teil des Lageberichts einer eingeschränkten Prüfpflicht unterliegt. Der Prüfer hat demnach zu bestätigen, dass der Nachhaltigkeitsbericht keine Fehler enthält. Künftig werden daher die Revisoren für die Raiffeisenbanken und Raiffeisenlandesbanken die Prüfung der nachhaltigen Berichterstattung übernehmen.
 

4. Sind nicht-finanzielle Berichte damit nun gleichwertig zu Finanzberichten?

Rehulka: Grundsätzlich gewinnt das Thema Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung -auch im Bereich der Berichterstattung. Der Vorschlag der EU-Kommission zeigt, dass der EU-Gesetzgeber die nicht-finanzielle Berichterstattung mit der Finanzberichterstattung gleichsetzen möchte. Von Gleichwertigkeit kann aber angesichts der Bedeutung der finanziellen Kennzahlen für Investoren noch nicht gesprochen werden.
 

Quelle: Raiffeisenzeitung
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