24.08.2021 - Der Verkehrssektor als Klimasorgenkind in Österreich.

Ist eine Förderung des Fuß- und Radverkehrs gerechtfertigt?

Verkehrssektor als Klimasorgenkind
© Adobe Stock/j-mel

 

Dieser Blogeintrag soll das Verständnis für die Umsetzung von ökosozialen Maßnahmen im Verkehrssektor fördern. Angeführte Zahlen, Daten und Fakten werden oft in der Mobilitätsforschung verwendet. Nach jedem Absatz sind Links zu Grafiken, unter "Quelle" angeführt, um die Argumente zu verdeutlichen.

 

 

 

Um die Bedeutung des Verkehrssektors in Österreich zu verstehen und wie dieser historisch gewachsen ist, muss man sich die typischen Mobilitätskennwerte (2014) ansehen.

  • Mittlere Wegezahl alle Personen: 2,5-3
  • Mittlere Reisezeit (Tageswegedauer) alle Personen: ca. 85 Minuten
  • Mittlere Weglänge: ca. 10-15 km, steigend
  • Mittlere Wegdauer: ca. 20-25 Min

Quelle: https://www.klimabuendnis.at/teil-2/tagesweglaenge-und-tageswegdauer

 

Wenn man die Werte von 2015 mit 1995 vergleicht, ist die einzige Variable, die sich signifikant ändert, die Weglänge. Diese ist zum einen auf den Motorisierungsgrad, andererseits auf die Zersiedelung zurückzuführen.

Quelle: https://www.statistik.at/wcm/idc/groups/r/documents/webobj/mdaw/mdq0/~edisp/044857.png

 

Die Zunahme von Treibausgasen im Verkehrssektor von 1990 bis 2019 beträgt 75%. Wenn man diesen Wert vom „Tanktourismus“, also den Treibstoffexport, bereinigt, ist ein Anstieg von ca. 50% zu verzeichnen und macht 30% der ausgestoßenen Treibhausgase in Österreich aus.

Quelle: https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/mobilitaet/mobilitaetsdaten/verkehr-treibhausgase

 

Der Verkehrssektor in Österreich verursacht 30% der Treibhausgasemissionen. Doch welchen Anteil hat der motorisierte Individualverkehr an den 30%? MIV verursachen 53% der Emissionen im Verkehrssektor, dies entspricht ca. 16% der ausgestoßenen Treibhausgase in Österreich.

Quelle: https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/aktuelles/2021/thg_bilanz/thg-emissionen_gesamt_2019.png

 

 

Wieso nun den Fuß- und Radverkehr fördern?

Anhand der drei Säulen der Nachhaltigkeit + Verkehrssicherheit lassen sich Argumente ableiten.
 

1. Soziale Nachhaltigkeit

Sicherstellung der selbstständigen Mobilität für Personen, denen kein KFZ zur Verfügung steht. Dies fördert unter anderem die Erreichbarkeit von Zielen für die 5 + 2 Daseinsgrundfunktionen (wohnen, arbeiten, sich versorgen, sich bilden, sich erholen + Verkehrsteilnahme, in Gemeinschaft leben). Zudem wirkt der Ausbau von Fuß- und Radverkehr der Zersiedelung entgegen und fördert kurze Wege und kleinräumige Strukturen. Weitere Punkte sind Lebensqualität, Lärmreduktion und Reduktion der Unfallzahlen, die auch zur ökonomischen Nachhaltigkeit zählen. Die Teilnahme am Verkehr durch eigenständige Bewegung wirkt dem Übergewicht entgegen und macht mit der geeigneten Infrastruktur Spaß.

 

2. Ökonomische Nachhaltigkeit

Verglichen mit anderen Verkehrsmitteln, ist die Investition je zurückgelegtem Weg kostengünstiger. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wird geringer. Die Verkehrsfläche wird effizienter ausgenützt (PKW- Verkehr nützt Fläche am schlechtesten aus) und speziell in der Verkehrsspitzenzeit gibt es keinen Zeitverlust. Die Gesundheits- und Umweltkosten werden deutlich verringert!

Quelle: https://epub.boku.ac.at/obvbokhs/download/pdf/1035872?originalFilename=true (S.52)

Die Tabelle ist ohne den Infrastrukturkosten dargestellt. Der externe- und interne Effekt unterscheiden sich dadurch, dass intern die Kosten vom Fahrzeughalter und extern die Kosten vom Staat getragen werden. Mit dieser Kostenaufstellung lässt sich deutlich zeigen, dass mit Abstand der Gesundheitsnutzen volkswirtschaftlich gesehen dominiert und ein zurückgelegter Kilometer mit dem Fahrrad einen positiven Gesamteffekt von 96,83 Cent hat. 

Betrachtet man Wien und nimmt als den Ausgangspunkt eines Weges mit dem Fahrrad den Standort Schottentor, so wird ersichtlich, dass sogar mit dem bestehenden Radnetz, unter Berücksichtigung von Ampeln und Stopps, eine Strecke von 8,5 Kilometer in 30 Minuten zurückgelegt werden kann.

Quelle: https://www.fahrradwien.at/2018/11/27/wie-weit-kommt-man-mit-dem-fahrrad/

Betrachtet man die Transportkapazität eines 3,5 Meter breiten Fahrstreifens, so wird ersichtlich, dass schienengebundene Fahrzeuge die klaren Sieger sind und der Fuß- und Radverkehr deutlich vor dem motorisierten Individualverkehr liegen. (Der Besetzungsgrad vom motorisierten Individualverkehr beträgt 1,23 Personen/KFZ!)

Quelle: https://www.itf-oecd.org/sites/default/files/docs/integrating-urban-public-transport-systems-cycling-roundtable-summary_0.pdf (S.10)

 

3. Ökologische Nachhaltigkeit

Fuß- und Radverkehr belasten die Umwelt kaum, wirken der Zersiedelung entgegen und reduzieren Immissionsbelastungen in Ballungszentren, wo Emissionen die kritischste Wirkung aufweisen. Die Luftreinhaltung fördert Lebensqualität und Volksgesundheit. Mit dem Ausbau des Fuß– und Radverkehrs kann der Versiegelung von Flächen entgegengewirkt werden, denn diese Verkersmodi benötigen keine versiegelten, sondern nur befestigte Flächen. Ein großer Faktor innerorts ist der Lärm, der durch den Ausbau stark reduziert werden kann.

 

4. Verkehrssicherheit

Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12948971/#&gid=article-figures&pid=figure-1-uid-0

Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12948971/#&gid=article-figures&pid=figure-3-uid-2

Aus den beiden Grafiken lässt sich am Beispiel Niederlande ableiten, dass sich ein erhöhter Fuß- und Radanteil positiv auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Dieses Phänomen lässt sich mit dem Begriff "Safety in numbers" beschreiben. Zudem lässt sich die Aussage treffen, wo Radfahrer und Fußgänger häufig sind, herrscht Rücksichtnahme. Kommt es jedoch doch zu Unfällen, verletzten sie andere Verkehrsteilnehmer kaum, also die Anzahl der schweren Unfälle sinkt. Neben den schon oben erwähnten positiven Auswirkungen auf Lärm, Luft, Versiegelung etc. verringert ein erhöhter Anteil an Fußgeher*Innen und Radfahrer*Innen die Unfallzahl insgesamt.