Andreas Brandstetter
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"Die Wucht der Veränderung trifft uns sträker denn je"

Die Wucht der Veränderung

UNIQA-CEO Andreas Brandstetter über Wandel, Stabilität, Künstliche Intelligenz sowie den Megatrend Gesundheit und Vorsorge.

Andreas Brandstetter, Vorstandsvorsitzender der UNIQA Insurance Group, spricht im Interview über das, was sich stark verändert hat, und das, was seit 1811 konstant gilt, über Künstliche Intelligenz, den Megatrend Gesundheit und über das Leuchten in den Augen.

Interview: Paul Billisich

business: Hat sich aufgrund der geopolitischen Situation, der Teuerung und der Zinsen ihr Geschäft verändert? Haben sich die Erwartungen Ihrer Kunden gewandelt?

Andreas Brandstetter: Nein, unser Geschäft hat sich nicht verändert – nur die Qualität bei Produkten und Service ist noch wichtiger geworden. Zur zweiten Frage: Wir spüren, dass unsere Kundinnen und Kunden von uns noch mehr Verlässlichkeit, Sicherheit und Stabilität wollen. Eine logische Konsequenz angesichts aller Unsicherheiten, von denen sie jeden Tag hören oder lesen.

 

business: Wenn Sie auf die vergangenen zehn Jahre zurückblicken: Welches Ereignis hat aus Ihrer Sicht die größte Veränderung für Ihre Branche gebracht?

Brandstetter: Es war kein einzelnes Ereignis, sondern die Summe vieler: Digitalisierung, sich dadurch stark ändernde Kundenerwartungen, die Covid-Pandemie, der russische Angriffskrieg in der Ukraine und damit verbunden dann die Teuerung und Inflation. Und last, but not least und für unsere Branche ganz besonders wichtig: die brutal spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Die Wucht an Veränderungen, die unsere Industrie derzeit trifft, ist stärker als in den gesamten vergangenen 80 Jahren. Aber unsere eigentliche Aufgabe – also das, wofür wir wirklich da sind – hat sich seit der Geburtsstunde einer unserer Vorgängerfirmen im Jahr 1811 nicht verändert: Risiken, die der einzelne Mensch allein nicht tragen kann, werden auf die Schultern unserer Gemeinschaft verteilt. Das ist das Prinzip einer guten Versicherung und aus meiner Sicht heute wichtiger denn je.

 

business: Welche Rolle spielt dabei Künstliche Intelligenz?

Brandstetter: Künstliche Intelligenz wird uns vor allem helfen, unseren Kundinnen und Kunden eine noch höhere Geschwindigkeit und noch bessere Qualität bei der Erledigung ihrer Schadensfälle zu bieten. Maschinen können auch einfache Tätigkeiten übernehmen, die einander sehr ähnlich sind. Zum Beispiel können sie KFZ-Verträge von Cabrios und Motorrädern, die zumeist nur im Sommer gefahren werden, über den Winter automatisch stilllegen. Dadurch haben unsere Kolleginnen und Kollegen mehr Zeit für komplexe Aufgaben oder Anfragen, bei denen neben Kompetenz auch Empathie und Einfühlungsvermögen – also eben der Mensch – gefragt ist.

 

business: 2022 haben Sie die Marke Mavie für Ihre Gesundheitsdienstleistungen eingeführt. Wie sieht hier Ihre Zwischenbilanz aus?

Brandstetter: Gesundheit ist in Österreich gerade das Thema schlechthin: Fast 1,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben bei uns ihre Gesundheit versichert. UNIQA hat damit einen Marktanteil von rund 44 Prozent, die Nachfrage nach unseren Produkten der Krankenversicherung ist riesig. Einfach deswegen, weil die Menschen in Österreich merken, dass das öffentliche Gesundheitssystem unter Druck ist, und sie auch privat vorsorgen wollen.

Und genau hier setzen wir an, ohne uns aber – und das ist wichtig – als Gegenspieler zum öffentlichen System zu sehen, sondern vielmehr als dessen Ergänzung: Im Bereich der Prävention bieten wir mit Mavie zum Beispiel zu Hause ganz einfache Heimtests an, die etwa Blut und Darmflora auswerten und die Sie und ich innerhalb weniger Minuten bequem in den eigenen vier Wänden durchführen können. Oder mentale Gesundheitsangebote direkt am Arbeitsplatz, aber auch 24-Stunden-Betreuung für ein Altern in Würde zu Hause. Gleichzeitig investieren wir massiv in unsere fünf österreichischen Privatspitäler – damit man im Fall des Falles rasch und sorgfältig begleitet wieder auf die Beine kommt.

 

business: Welches Mavie-Produkt kommt als nächstes?

Brandstetter: Mit „Mavie Work“ unterstützen wir Unternehmen in ganz Österreich dabei, sich intensiver um die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kümmern. Wir wissen, dass gerade junge Mitarbeitende das von ihrem Arbeitgeber immer stärker erwarten. Für bereits über 140.000 Menschen in mehr als 170 Unternehmen in Österreich stellen wir Angebote, die sowohl die körperliche als auch die mentale Gesundheit umfassen, zur Verfügung: Von der raschen Vorsorgeuntersuchung am Arbeitsplatz bis zu motivierenden Bewegungsprogrammen oder diskreten psychosozialen Coachings im Fall von mentalen Krisen. Damit sind wir Marktführer in Österreich. Was kommt als nächstes? Wir glauben, dass das Wissen um die eigene Gesundheit ein ganz wichtiger Bestandteil von Prävention ist. Unsere MavieMe-Blut-Heimtests und die Darm-Mikrobiom-Tests haben hier enormes Potenzial. Dabei geht es um mehr Fitness, besseren Schlaf, mehr Energie oder ein gestärktes Immunsystem.

business: Sie haben die fünf Privatspitäler bereits erwähnt. Bis 2025 werden Sie in die Privatklinik Döbling insgesamt 65 Millionen Euro investieren. Sie haben zuletzt auch hohe Investitionen in die anderen Standorte angekündigt. Was kommt hier?

Brandstetter: Der Zubau in der Privatklinik Döbling, der größten Österreichs, wird heuer im Herbst fertig werden. Dann werden auch schon die ersten Patientinnen und Patienten in den neuen Operationssälen behandelt werden. Außerdem investieren wir in Wien nochmals 180 Millionen Euro, nämlich in den gemeinsamen Neubau unserer beiden Privatkliniken Confraternität und Goldenes Kreuz nahe der Stadtmitte. Bis Mitte 2028 bauen wir dort unter anderem ein Zentrum für Frauengesundheit und Geburtshilfe, einen Schwerpunkt zu Männergesundheit und die Voraussetzungen für ein chirurgisches Top-Leistungsangebot.

 

business: Abschließend gefragt: Was beschäftigt Sie im Augenblick als CEO der Uniqa Insurance Group am meisten? Und was macht Ihnen derzeit am meisten Freude?

Brandstetter: Am meisten beschäftigt mich, wie wir auch in Zukunft die besten Mitarbeitenden für uns gewinnen und dann bei uns halten können. Allein in den beiden vergangenen Jahren haben wir mehr als 3.000 neue Kolleginnen und Kollegen bei uns eingestellt. Wir dürfen derzeit für rund 17 Millionen Kundinnen und Kunden in ganz Europa arbeiten, davon ungefähr vier Millionen in Österreich. Und um diese Kundinnen und Kunden erstklassig zu betreuen und ihr Vertrauen rechtfertigen zu können, brauchen wir selbst viel Leidenschaft, Kompetenz und eine positive Ausstrahlung. Und was mir selbst wirklich am meisten Freude macht? Wenn ich Feedback von Kundinnen und Kunden bekomme, dass sie mit genau solchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von uns Kontakt hatten. Und wenn ich das Leuchten in den Augen unserer mehr als 100 Lehrlinge sehe! 

Zur Person

Andreas Brandstetter, Jahrgang 1969, ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der UNIQA-Versicherungsgruppe. Der promovierte Politikwissenschaftler stammt aus dem Kamptal (NÖ) und ist seit 1997 im Konzern, seit 2002 als Mitglied des Vorstandes. Davor arbeitete er im Österreichischen Raiffeisenverband und war unter anderem Mitarbeiter von Vizekanzler Erhard Busek.