von vielen getragen

Geschichte der Genossenschaftsidee im Ländle

Franz Michael Felder, Wendelin Rädler, Johann Kohler – einige Persönlichkeiten versuchten Ende des 19. Jahrhunderts die Idee der Selbsthilfe von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) in Vorarlberg zu etablieren. Mit nachhaltigem Erfolg, wie sich heute zeigt.

Franz Michael Felder (1839-1869) war Schriftsteller, Sozialreformer und Bauer. Ihm war es zu Lebzeiten ein Anliegen, die wirtschaftliche Lage der Kleinbauern im Bregenzerwald zu verbessern. Aus diesem Grund gründete er soziale Vereine und kämpfte gegen die erstarrten Denkweisen seiner Umgebung an. Für seine Vorhaben legte er sich auch mit dem Klerus an und brachte mit einigen seiner revolutionären Ideen fast die ganze Region gegen sich auf. Franz Michael Felder ließ sich dadurch nicht unterkriegen und kämpfte weiter. Besonders für die Milchbauern im Ländle setzte er sich ein. Damals war es üblich, dass „Käsgrafen“ wie Gallus Moosbrugger bereits am 25. November, dem Namenstag der heiligen Katharina, die Wintermilch im Vorhinein kauften und auch bezahlten. War es den Bauern später, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich, die geforderte Menge an Milch zu liefern, mussten sie umsonst für die „Käsgrafen“ arbeiten. Um einen besseren Milchpreis und einen breiteren Vertrieb zu erreichen, versuchte Franz Michael Felder 1866, Gallus Moosbrugger für eine Zusammenarbeit mit den Bauern in einer gemeinsamen Genossenschaft zu gewinnen. Mit seinem Vorschlag stieß er auf taube Ohren: Moosbrugger ging auf den Vorschlag Felders nicht ein. Er wollte vielmehr seine eigenen wirtschaftlichen Interessen wahren. Franz Michael Felder hielt dieser Fehlschlag nicht ab: Er gründete die erste Genossenschaft.

Dieselben fortschrittlichen Ziele wie Franz Michael Felder im Hinterbregenzerwald hatte der aus Hirschbergsau im Vorderwald stammende Lehrer Wendelin Rädler (1835-1913).

Franz Michael Felder

Gemeinsam mit Johann Kohler (1839-1916) zog er quer durch das Land und hielt zahlreiche Vorträge zur Raiffeisenschen Selbsthilfeidee. Auch Wendelin Rädler hatte mit ähnlichen Misserfolgen wie Franz Michael Felder zu kämpfen. Seine Erfolge hielten sich vorerst in Grenzen. Eine Naturkatastrophe brachte jedoch schließlich die Veränderung: 1888 gerieten die Menschen in Lustenau durch die große Rheinüberschwemmung in arge Not. Niemand war damals bereit, der verarmten Gemeinde und ihren Bewohnern Geld zu leihen. Die Idee der Selbsthilfe schien die Rettung zu sein. So wurde beschlossen, eine Spar- und Darlehenskasse zu gründen: Bereits am 3. Jänner 1889 konnte der erste Spar- und Darlehenskassenverein in Vorarlberg seine Arbeit aufnehmen. Innerhalb des nächsten Jahres entstanden die Spar- und Darlehenskassenvereine Wolfurt, Götzis, Höchst und Hard. Danach folgten insgesamt 80 Raiffeisenkassen in ganz Vorarlberg. Zugleich entstand ein Netz von Sennereigenossenschaften im Ländle sowie die Großmolkerei Bregenz, die heute zur Vorarlberg Milch gehört. Um eine Ausgleichsstelle zwischen den einzelnen Spar- und Darlehenskassenvereinen zu schaffen, wurde am 29. April 1895 der „Verband der Spar- und Darlehenskassenvereine in Vorarlberg, mit Sitz in Lauterach“ geschaffen. Fünfzehn Jahre später übersiedelte er nach Bregenz und agiert mittlerweile als Raiffeisenlandesbank Vorarlberg.

Mit einer Idee, vielen Initiativen, Überzeugungsarbeit und Tatkraft war so der Grundstein für die vielen heutigen Genossenschaften in Vorarlberg nach dem Vorbild von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gelegt.

Milchpilz
Milchpilz
Konsum
Konsum

Allmeinde Vorarlberg. Von der Kraft des gemeinsamen Tuns.

Mehr zur Geschichte und Gegenwart der Genossenschaftsidee in Vorarlberg: Rita Bertolini (2012). Allmeinde Vorarlberg. Von der Kraft des gemeinsamen Tuns. Erschienen im Bertolini Verlag Bregenz. 

Allmeinde Vorarlberg. Von der Kraft des gemeinsamen Tuns.