Euro als Zankapfel der Notenbanker

Der Kurs des Euro ist plötzlich Gegenstand von öffentlichen Diskussionen geworden.

Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 11/2020 von Schauplatz Börse erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

Eigentlich war die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit dem Ziel angetreten, die Kommunikationskultur innerhalb des Rats zu verbessern. Mario Draghi, ihr Vorgänger, neigte bisweilen dazu, Diskussionen in seinem Sinne „abzukürzen“. Lagarde versprach mehr Konzilianz im Umgang mit gegensätzlichen Meinungen. Bei der Einschätzung des hohen Außenwert des Euros traten diese Dissonanzen zuletzt aber deutlich zutage. Ausgerechnet der mächtige Chefökonom der Europäischen Zentralbank warnte zuletzt öffentlichkeitswirksam vor den Folgen eines starken Euros für Wachstum und Inflation. Die wirtschaftliche Erholung und die Preisentwicklung seien durch den zuletzt aufwertenden Euro „deutlich gedämpft“ worden, schrieb der Ire Philip Lane in einem Beitrag auf der Internetseite der EZB. „Es sollte klar sein, dass es keinen Grund für Selbstzufriedenheit gibt.“ Die EZB stehe bereit, all ihre Instrumente, falls nötig, einzusetzen. Das Timing seines Beitrags wirkt wie eine Düpierung seiner Chefin, denn die Äußerungen Lanes klingen schärfer als die Einlassungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nur einen Tag zuvor. Die Französin hatte nach der Zinssitzung der Notenbank geäußert, dass die EZB kein Wechselkursziel, den Wechselkurs aber im Blick habe. Der Euro hatte daraufhin weiter aufgewertet.

 

Euro im Höhenflug

In der Tat wertete der Euro seit Mai in der Spitze um rund 10 Prozent auf. Ein Euro war zwischenzeitlich fast 1,20 Dollar wert. Die Notenbanker fürchten eine zu starke Währung, weil sie Importe für Europäer billiger und Exporte für europäische Unternehmen teurer macht. Die Aufwertung des Euros schmälert demnach die Wettbewerbschancen heimischer Unternehmen, ausgerechnet in Zeiten eines scharfen wirtschaftlichen Abschwungs.

 

Angst vor Währungskrieg

Die EZB kann den Kurs des Euro freilich nicht dekretieren. Die Währung spiegelt den fairen Wert wider, den der Markt ihr beimisst. Den Notenbankern stehen jedoch Mittel und Wege zur Verfügung, um den Eurokurs maßgeblich zu beeinflussen. So kann sie über Zinssenkungen Investments in Euro-Schuldtiteln weniger rentabel machen und die Nachfrage nach Euros senken. In der Folge vermindert sich nach Lehrbuchmeinung der Wert der Währung. Die Schweizerische Nationalbank wählt zur Steuerung des Franken-Kurses einen direkteren Weg und beeinflusst die eidgenössische Währung durch Deviseninterventionen am Markt. In der Welt der ganz großen Zentralbanken sind solche Versuche, in den Währungskurs einzugreifen, jedoch verpönt. Konsequenterweise hat die EZB auch kein offizielles Wechselkursziel. Mit ein Grund dafür ist die Gefahr eines „Währungskriegs“ zwischen den großen Notenbanken. Wenn sowohl die amerikanische Federal Reserve, die EZB und die Bank of Japan ihre jeweiligen Landeswährungen schwächen, dann ist keinem der Beteiligten geholfen. Wirkung und Gegenwirkung könnten sich aufheben. Ein solches Vorgehen würde auch nach außen hin angreifbar machen. Protagonisten, wie US-Präsident Donald Trump, warten geradezu darauf, die EZB als Devisenmanipulatorin zu bezeichnen. Es darf stark bezweifelt werden, dass die Entscheidungsträger in Frankfurt Freude daran hätten, in den US-Präsidentschaftswahlkampf gezogen zu werden. Äußerungen über den Euro bergen also durchaus das Risiko einer „Retourkutsche“.

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