Der moderne Staat ist da!

BM Mag. Karoline Edtstadler, Heft 5/2024

Was lange währt, wird endlich gut: Der moderne Staat ist da. Mit Verständnis für das Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger des 21. Jahrhunderts und Augenmaß für die Verwaltung. Der berühmte, allerdings oft unvollständig zitierte Satz vom Soziologen Max Weber besagt, die Politik sei „ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“. Eines der härtesten Bretter haben wir nun gemeinsam durchbohrt: Das Amtsgeheimnis wird nach 100 Jahren am 1. September 2025 abgeschafft und stattdessen ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen eingeführt.

Mit dem Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2024 und der Zustimmung im Bundesrat am 15. Februar 2024 wurde dieser Paradigmenwechsel besiegelt und der Weg zur Informationsfreiheit final geebnet. Kundgemacht wurden die Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie die Erlassung des Informationsfreiheitsgesetzes im Bundesgesetzblatt I 2024/5. Wir drehen damit das bisherige System um 180 Grad: Ab 1. September 2025 wird Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger Österreichs zur Regel und berechtigte Geheimhaltung die Ausnahme sein.

 

Valdis

Der Weg hin zum modernen Staat

Leidenschaft und Augenmaß waren stets unsere Motive für das Ziel der Schaffung eines transparenten und modernen Rechtsstaats. Viele Vorgängerregierungen hatten die Abschaffung des Amtsgeheimnisses in ihren Regierungsprogrammen verankert. Uns war es von Beginn an ein großes Anliegen, eine möglichst breite Einbindung zu gewährleisten, um die Umsetzung auch tatsächlich zu schaffen.

Im Rahmen der Begutachtung zum Ministerialentwurf im Jahr 2021 sind über 200 Stellungnahmen eingelangt, mit zahlreichen berechtigten Sorgen und unterschiedlichen Anliegen: Den einen ging es viel zu weit, den anderen war es nicht weitgehend genug. Wir waren stets bestrebt, dass das Gesetz von jenen, die es letztlich auch umsetzen müssen, akzeptiert und angenommen wird.

Deshalb habe ich unter anderem gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler unzählige Gespräche geführt, in denen wir das Für und Wider, sämtliche Differenzen offen und lösungsorientiert angesprochen haben. Das waren durchaus harte inhaltliche Diskussionen, die aber stets auf Augenhöhe geführt wurden. Schließlich ging es um eine tiefgreifende Veränderung unseres Systems, die wohlüberlegt und vollziehbar sein musste. Das war unser Leitsatz und hat schließlich in das vorliegende Gesetz gemündet.

Transparenz auf zwei Säulen

Wir schaffen den Paradigmenwechsel in Österreich und ein neues Verständnis des modernen Staates, der den Bürgerinnen und Bürgern umfassenden Zugang zu Information ermöglicht. Gleichzeitig agieren wir mit Augenmaß in der Umsetzung für die Verwaltung.

Die neue Informationsfreiheit steht daher auf zwei Säulen – der proaktiven Informationspflicht und dem Grundrecht auf Zugang zu Informationen, der passiven Informationspflicht. Beide Säulen ergänzen einander und stellen sicher, dass Transparenz effizient und bürgernah gewährleistet wird.

Proaktive Informationspflicht

Im Rahmen der ersten Säule werden Informationen von allgemeinem Interesse zukünftig proaktiv zur Verfügung gestellt. Diese Pflicht trifft alle Organe der Verwaltung, der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichte, Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof sowie Nationalrat, Bundesrat, Rechnungshof und Volksanwaltschaft. Alle Verwaltungsorgane müssen Informationen von allgemeinem Interesse künftig in einem neu zu schaffenden Informationsregister auf data.gv.at veröffentlichen.

Nationalrat, Bundesrat, die Gerichtsbarkeit, Rechnungshof und Volksanwaltschaft können diese Informationen auf ihren jeweiligen eigenen Internetseiten veröffentlichen. Unter Informationen von allgemeinem Interesse, also einen allgemeinen Personenkreis betreffend oder für diesen von Relevanz, können zum Beispiel Tätigkeitsberichte, Amtsblätter, Umfragen oder Studien fallen.

Von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen sind Informationen, soweit und solange sie der Geheimhaltung unterliegen, deren Veröffentlichung also beispielsweise die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder den Datenschutz verletzen würde.

Gerade bei dieser vollkommen neuen Säule der Transparenz haben wir auf die Gemeinden, als kleinste Einheiten unseres Staates, die gleichzeitig das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden, besonderes Augenmerk gelegt. Das Gesetz sieht daher vor, dass die proaktive Veröffentlichungspflicht erst für Gemeinden ab 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gilt. Es besteht jedoch natürlich auch für diese Gemeinden künftig die Möglichkeit, Informationen von allgemeinem Interesse ins Informationsregister einzuspeisen, was durchaus sinnvoll sein kann, weil man bei Einzelanfragen darauf verweisen kann. Einzelanfragen müssen jedenfalls beantwortet werden, dazu gleich mehr.

Grundrecht auf Zugang zu Infor­mationen

Im Rahmen der zweiten Säule gibt es künftig für alle ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen, also das Recht, einzelne Informationen bei staatlichen Stellen anzufragen und dieses bis vor dem Verfassungsgerichtshof durchzusetzen. Die Pflicht, Zugang zu Informationen zu erteilen, trifft in erster Linie alle Organe der Verwaltung (also auch jede Gemeinde, unabhängig von ihrer Einwohnerzahl). Deshalb ist die Behauptung, Gemeinden wären nicht transparent, schlichtweg falsch. Jede und jeder hat in Zukunft ein Grundrecht darauf, bei sämtlichen Gemeinden Informationen zu erfragen, auch wenn diese (aufgrund der Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner) nicht der proaktiven Informationspflicht unterliegen.

Dieses neue Recht ist nicht nur verfassungsgesetzlich gewährleistet, auch das Verfahren wurde im Vergleich zum aktuell geltenden Auskunftsrecht gestrafft: Informationsbegehren sind gebühren- und formfrei, das heißt, dass sie schriftlich, mündlich, telefonisch oder in jeder anderen technisch möglichen und vorgesehenen Form ergehen können. Sie müssen innerhalb von einer Frist von vier Wochen (bisher acht Wochen) beantwortet werden.

In Ausnahmefällen kann diese Frist um weitere vier Wochen verlängert werden, etwa, wenn sich schwierige datenschutzrechtliche Fragen stellen. Wird der Informationszugang nicht erteilt, so muss auf Antrag ein Bescheid innerhalb von zwei Monaten ausgestellt werden, der sodann beim Verwaltungsgericht (mit einer verkürzten Entscheidungsfrist von zwei statt sechs Monaten) und dessen Erkenntnis – sofern eine Verletzung des Grundrechts behauptet wird – letztlich auch vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten werden kann.

Vom Zugang weiterhin ausgenommen sind auch in dem Fall solche Informationen, die der Geheimhaltung unterliegen. Denn selbstverständlich werden auch zukünftig zum Beispiel persönliche Daten, wie etwa medizinische Informationen, geschützt.

Umgekehrt treffen wir Vorkehrungen, dass dieses neue Grundrecht, etwa durch ungerechtfertigte Serienanfragen, möglichst nicht missbraucht wird. Zudem ist es mir wichtig zu betonen, dass nur bereits vorhandene Informationen abgefragt werden können, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Freiheit der Meinungsäußerung). Damit soll verhindert werden, dass Beamte mit Rechercheaufgaben beschäftigt werden und damit die Verwaltung lahmgelegt werden kann. Die begehrte Information muss fertig und abrufbar sein.

Abfragen bei privaten Informationspflichtigen

Informationen können künftig auch bei Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen abgefragt werden, die vom Rechnungshof kontrolliert werden (sogenannte private Informationspflichtige). Das sind Unternehmungen, die zu mehr als 50% in öffentlichem Eigentum stehen oder von der öffentlichen Hand beherrscht werden, dies gilt auch für Unternehmungen jeder weiteren Stufe (Tochterunternehmung) mit denselben Voraussetzungen. Für Anträge bei privaten Informationspflichtigen bestehen erweiterte Formvorschriften dahingehend, als Schriftlichkeit sowie die Bezeichnung als Antrag gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz verlangt wird. Darüber hinaus ist auch die Identität der Antragstellerin oder des Antragstellers glaubhaft zu machen. Über eine bekämpfte Nichterteilung der Information (die jedoch im Fall von privaten Informationspflichtigen nicht in Form eines Bescheides erfolgt) entscheidet ebenfalls das zuständige Verwaltungsgericht.

Grundsätzlich gelten natürlich auch für die privaten Informationspflichtigen die allgemeinen Geheimhaltungsgründe, die gegen einen Zugang zu Informationen sprechen können. Um den Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit von privaten Informationspflichtigen nicht ungebührlich zu behindern, ist hier eine zusätzliche Ausnahme vorgesehen: Zugang zu Informationen ist auch dann nicht zu erteilen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt würde. Generell ausgenommen von der Informationspflicht sind börsennotierte Gesellschaften, weil hier gesetzlich ohnehin hohe Transparenzstandards vorgegeben sind.

Wir gehen den transparenten Weg gemeinsam

Das Gesetz sieht eine sog. Legisvakanz bis 1. September 2025 vor. Diese rund 18 Monate sollen allen informationspflichtigen Stellen als „Vorbereitungszeit“ dienen. Die Datenschutzbehörde und das Bundeskanzleramt werden in dieser Zeit umfassend über den Paradigmenwechsel informieren und alle informationspflichtigen Stellen in ihren Vorbereitungen aktiv unterstützen.

Das beschlossene Informationsfreiheitsgesetz war ein wahrer Kraftakt, den wir als Bundesregierung gemeinsam mit Ländern, Gemeinden, Städten, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, aber auch der Opposition in Form der SPÖ gemeistert haben. Gemeinsam ist es gelungen, diesen historischen Meilenstein zu setzen. Nach 100 Jahren verbannen wir das Amtsgeheimnis in die Mottenkiste der Republik und geben uns allen ein neues Grundrecht auf Zugang zu Informationen. Denn Offenheit und Transparenz sind das Gebot des modernen Rechtsstaats des 21. Jahrhunderts.

Mag. Karoline Edtstadler ist Bundesministerin für EU und Verfassung. 

02.05.2024 - Raiffeisenblatt Online