FMA strafft bei Wohnimmobilienkrediten die Zügel

Dr. Thomas Schmatzberger, LL.M., Heft 6/2022

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) wird bei der ohnehin schon stark reglementierten Vergabe von Wohnimmobilienkrediten zukünftig noch genauer hinsehen. Die Aufsichtsbehörde hat Ende April 2022 ihren Begutachtungsentwurf für eine Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) veröffentlicht. Das geplante Regelwerk sieht Maßnahmen zur Verminderung von festgestellten Veränderungen in der Intensität des systemischen Risikos bei Fremdkapitalfinanzierungen von Wohnimmobilien vor. Im FMA-Entwurf ist ein Inkrafttreten bereits mit 1. Juli 2022 vorgesehen. Der Fachverband wird sich für praktikable Verbesserungsvorschläge einsetzen.

Bevor wir uns die für die Raiffeisenbanken wesentlichsten Inhalte des Entwurfs der FMA-Verordnung ansehen, lassen Sie uns zu Beginn noch einen Blick auf deren Hintergrund rund um die derzeitige Situation am Immobilienmarkt werfen, um den Regelungsgegenstand und die Zielsetzung der avisierten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen besser nachvollziehen zu können.  

Seidl

1. Dynamischer Immobiliensektor

Die Immobilienpreise in Österreich und im Rest Europas kennen seit einigen Jahren nur noch einen Weg – und zwar steil nach oben. Nicht zuletzt aufgrund des historisch niedrigen Zinsniveaus und der damit einhergehenden Umschichtung von Vermögen in „Betongold“ kam es zu kontinuierlich steigenden Immobilienpreisen, die speziell auch Wohnimmobilien umfassten. Die Coronakrise, die zu einem enormen Anstieg an Homeoffice-Vereinbarungen führte, hat diese Entwicklung mit Sicherheit noch zusätzlich befeuert.

Laut einem aktuellen Gutachten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) über das Vorliegen von systemischen Risiken aus Fremdkapitalfinanzierungen aus Immobilien haben sich die Immobilienpreise in Österreich zwischen Ende 2010 und Ende 2021 – also innerhalb von nur 10 Jahren – durchschnittlich beinahe verdoppelt (!). Die Wohnimmobilienpreise entfernen sich nach dem OeNB-Gutachten immer weiter von ihren Fundamentalfaktoren, sodass die Preise in Österreich mittlerweile sub­stanziell über den gerechtfertigten Werten lägen. Die Preissteigerungen in der österreichischen Immobilienlandschaft fallen regional jedoch sehr unterschiedlich aus. Spitzenreiter sind hier Wien, die anderen Landeshauptstädte sowie deren Umland.

2. Sind regulatorische Eingriffe notwendig?

Unter den Finanzmarktakteuren herrscht wohl uneingeschränkte Einigkeit, dass ein nicht nachhaltiger Immobilienmarkt schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems haben kann. Spätestens seit den vergangenen Immobilienkrisen (insbesondere Schweiz, Japan, Dubai und Subprime-Krise in den USA) wissen wir das nur zu gut.

Auseinander gehen die Meinungen zwischen den österreichischen Aufsichtsbehörden und den heimischen Bankenvertretern aber, ob aufsichtsrechtliche Maßnahmen der FMA im Bereich der Vergabe von privaten Wohnimmobilienfinanzierungen tatsächlich geeignet sind, um dem Entstehen von systemischen Risiken Einhalt zu gebieten. Während die Aufseher dies im Brustton der Überzeugung bejahen, kommt eine von der Sparte Banken und Versicherungen in der Wirtschaftskammer im Namen der heimischen Kreditwirtschaft beauftragte Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO zur privaten Wohnbaufinanzierung in Österreich unter anderem zu dem Schluss, dass die Erfahrung aus Immobilienkrisen zeige, dass sich weniger die privaten Wohnbaufinanzierungen zur Eigennutzung („Häuslbauer“) destabilisierend auf den jeweiligen Finanzmarkt ausgewirkt hätten als vielmehr die Finanzierungen spekulativer Renditeobjekte durch Investoren.

Die OeNB hingegen sieht ein erhöhtes Risiko auf Ebene der Haushalte und des Bankensystems. Weiter steigende Preise würden mit immer höheren Kreditvolumina finanziert, wodurch eine sich selbst verstärkende Kredit-Preis-Spirale droht, die eine kreditfinanzierte Hauspreisblase entstehen lässt, so der Tenor der Aufseher.

3. Warum gerade jetzt?

Bereits im Jahr 2016 warnte der Europä­ische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) erstmals vor möglichen systemischen Risiken von Wohnimmobilienfinanzierungen in einigen Mitgliedstaaten der EU, darunter auch Österreich.

Für die Zwecke der Krisenprävention hat das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG), dessen Mitglieder aus Vertretern des Finanzministeriums, der OeNB, FMA und des Fiskalrats besteht, im Jahr 2018 Standards zur nachhaltigen privaten Wohnimmobilienkreditvergabe durch die Banken empfohlen. Als nachhaltig erachtete das FMSG ein angemessenes Mindestmaß an Eigenmitteln der Kreditnehmer von 20%. Darüber hinaus sollten Kreditlaufzeiten länger als 35 Jahre die Ausnahme bleiben. Zudem sollte eine adäquate Begrenzung des Schuldendienstes (nicht mehr als 30% bis 40% im Verhältnis zum Nettoeinkommen) durch die Banken sichergestellt werden.

Diese Leitlinien des FMSG wurden seither nach Auffassung der österreichischen Aufsichtsbehörden seitens der Institute nicht im zufriedenstellenden Ausmaß eingehalten. Nach der eingangs erwähnten gutachterlichen Äußerung der OeNB müsse ein wirksamer Eingriff zur Reduktion systemischer Risiken aus der Immobilienfinanzierung grundsätzlich umso intrusiver und prozyklischer ausfallen, je später Maßnahmen ergriffen werden.

Demnach seien für den Fall, dass die bestehenden Risiken nicht zeitnah adressiert würden, durch das anhaltende, ungebremste Wachstum des Kreditexposures im Krisenfall weit stärkere Auswirkungen auf das Bankensystem aufgrund einer Anhäufung notleidender Kredite zu erwarten.

Vor diesem Hintergrund hat das FMSG Anfang März 2022 eine Empfehlung zur Ausgestaltung einer Verordnung der FMA auf der Grundlage des § 23h Bankwesengesetz (BWG) ausgesprochen.

Begründend führt das FMSG in Ergänzung zu den Ausführungen der OeNB aus, dass sich in den letzten beiden Jahren der Aufbau der systemischen Risiken aus der privaten Wohnimmobilienfinanzierung deutlich beschleunigt habe. Das Marktumfeld in Österreich sei zudem geprägt von einem hohen Wettbewerb sowie einem beträchtlichen Anteil an variabel verzinsten Krediten, der viele Kreditnehmer gegenüber steigenden Zinsen verwundbar mache. Als wichtigen risikoreduzierenden Faktor nennt das FMSG in diesem Zusammenhang unter anderem  die adäquate Kapitalausstattung des heimischen Bankensektors.

Von der Einführung eines antizyklischen Kapitalpuffers für alle österreichischen Banken wurde – im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz – seitens der Aufsicht hingegen abgesehen.

4. Die Vorgaben zur Begrenzung der Wohnimmobilienkreditvergabe

Im Folgenden sollen nun die wesentlichsten Eckpunkte des Verordnungsentwurfs der FMA dargestellt werden.

Für wen gilt die Verordnung?
Die KIM-V soll für Banken mit Sitz im Inland sowie für inländische Zweigstellen von Kreditinstituten gelten, die ihren Sitz inner- oder außerhalb der EU haben.

Welche Finanzierungen sollen erfasst sein?
Der Anwendungsbereich der FMA-Verordnung betrifft neu vereinbarte private Wohnimmobilienfinanzierungen an Verbraucher, wobei als Zeitpunkt der Neuvereinbarung der Zeitpunkt des Abschlusses des Finanzierungsvertrags gelten soll. Sonstige Änderungen oder Erneuerungen der Finanzierungsvereinbarung, einschließlich Änderungen des Finanzierungszwecks, des Zinssatzes, der Laufzeit, des Tilgungsplans, Währungskonvertierungen, Konsolidierungen oder Aufspaltungen von Finanzierungen sowie Stundungen und andere Maßnahmen für notleidende Kredite, gelten nicht als neue Vereinbarung einer privaten Wohnimmobilienfinanzierung.

Auch keine Anwendung finden die Bestimmungen auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien. Aufgrund des Ausschlusses des gewerblichen Wohnbaus fallen – so explizit die Erläuternden Bemerkungen zur VO – zB auch Kredite zum Zwecke des Erwerbs oder der Errichtung eines unternehmerischen Beherbergungsbetriebes (Apartmenthäuser, Ferienwohnungen) nicht unter die Definition der privaten Wohnimmobilienfinanzierung.

Ausdrücklich ausgenommen sind weiters Prolongationen bestehender Finanzierungen sowie Fremdkapitalfinanzierungen an Kreditnehmer, die gemäß Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) als gemeinnützige Bauvereinigungen anerkannt sind.

Welche Obergrenzen sollen gelten?
In der Verordnung werden erstmals verbindliche Obergrenzen für Wohnimmobilienfinanzierung in Form von Höchstwerten bei bestimmten Kennzahlen festgelegt, die wie folgt aussehen: Für neu vereinbarte private Wohnimmobilienfinanzierungen darf die Beleihungsquote höchstens 90%, die Schuldendienstquote höchstens 40 % und die maximale Laufzeit 35 Jahre betragen. Ein verpflichtender Eigenmittelanteil des Kreditnehmers findet sich hingegen nicht im Entwurf.

Ab welcher Finanzierungshöhe gelten die Regeln?
Klar ist, dass bei einer vergleichsweise geringen Höhe der Kreditsumme auch das Ausfallsrisiko für die Bank begrenzt ist. Diesen Aspekt aufgreifend, sieht der Entwurf der KIM-V eine kreditnehmerbezogene Geringfügigkeitsgrenze vor. Neu vereinbarte private Wohnimmobilienfinanzierungen sollen demnach von den soeben erwähnten Obergrenzen ausgenommen sein, wenn die Summe sämtlicher aushaftender Kreditverbindlichkeiten des Kreditnehmers höchstens EUR 40.000 beträgt. Nach den Erläuterungen zum VO-Entwurf sollen durch diese Bagatellgrenze insbesondere Sanierungen von Kreditnehmern selbst bewohnten Immobilien vom Regelwerk ausgenommen werden. Ob der Schwellenwert von EUR 40.000 zur Zielerreichung adäquat oder zu niedrig angesetzt ist, wird gewiss noch Gegenstand von Diskussionen zwischen der Aufsicht und der Kreditwirtschaft sein, zumal dieser Schwellenwert zudem einer Beschränkung in Form eines institutsbezogenen Geringfügigkeitskontingents unterworfen ist.

Demnach darf die Obergrenze für den Anteil der aufgrund der kreditnehmerbezogenen Geringfügigkeitsgrenze ausgenommenen Finanzierungen höchstens 2 % aller vom Kreditinstitut neu vereinbarten privaten Wohnimmobilienfinanzierungen betragen. Auch diese aufsichtsbehördliche Einschränkung erscheint diskussionswürdig. Wenn Finanzierungen bis zu EUR 40.000 als nicht systemkritisch angesehen werden, sollte dies ohne Einschränkungen durch Kontingente der Fall sein.

Gibt es Ausnahmekontingente?
Ja, neben den soeben skizzierten Geringfügigkeitsgrenzen sind auch institutsbezogene Ausnahmekontingente vorgesehen. Neu vereinbarte private Wohnimmobilienfinanzierungen dürfen die Obergrenzen (Beleihungsquote, Schuldendienstquote, Laufzeit) überschreiten, wenn das Institut sicherstellt, dass von den neu vereinbarten privaten Wohnimmobilienfinanzierungen, die nicht unter die Geringfügigkeitsgrenze fallen, zumindest 80% des Neukreditvolumens allen Obergrenzen, 80% des Neukreditvolumens der Anforderung an die Beleihungsquote, 90% des Neukreditvolumens der Vorgaben an die Schuldendienstquote und 95% des Volumens an neuen Finanzierungen der Anforderung an die maximale Laufzeit entspricht.

Die Ausnahmekontingente sollen sicherstellen, dass auch Finanzierungen ermöglicht werden, die zwar die Schwellenwerte der Obergrenzen überschreiten, bei denen der Kreditnehmer jedoch ausreichend kreditwürdig ist bzw. entsprechende Kreditsicherheiten vorliegen. Die Banken sollen (natürlich) frei entscheiden können, ob – und wenn ja – welche Neufinanzierungen in die Ausnahmekontingente aufgenommen werden sollen.

Die praktische Umsetzung der Ausnahmekontingente wird die Institute jedenfalls vor Herausforderungen stellen, zumal deren Einhaltung erst im Nachhinein exakt bestimmbar sein wird. Man kann nicht im Vorhinein das Neugeschäft im kommenden Zeitraum antizipieren. Auch ist eine tägliche Limitkontrolle im standardisierten Massengeschäft praktisch nicht lebbar. Die FMA wird hier bezüglich einer umsetzungstauglicheren Herangehensweise zur Berechnung der Ausnahmekontingente wohl noch nachbessern müssen. Ein praktikabler Ansatz wäre, die Ausnahmekontingente auf Basis der Daten der Vorperiode errechnen zu können.

Dem Entwurf der FMA ist keine Strafregelung im Falle einer allfälligen Nichteinhaltung der Ausnahmekontingente zu entnehmen. Jedoch wird in den Sanktionsbestimmungen des § 98 Abs 2 BWG in dessen Z 12 die Verletzung der "Vorschriften der Verordnung gemäß § 23h" angeführt. Diese Regelung wird hier einschlägig sein. Die Verletzung der KIM-V stellt somit eine Verwaltungsübertretung dar und ist von der FMA mit  Geldstrafen bis zu EUR 60.000 zu ahnden.

Ab wann gilt die KIM-V?
Bei der Festlegung des Datums des Inkrafttretens geht die Aufsicht sehr ambitioniert vor. Die KIM-V soll bereits auf zwischen dem 1. Juli 2022 und dem 30. Juni 2025 neu vereinbarte private Wohnimmobilienfinanzierungen anzuwenden sein. Diese Vorgabe erscheint kaum möglich, zumal die erforderlichen Umsetzungsschritte in den Banken nicht  „von heute auf morgen“ erfolgen können, sondern einen entsprechenden Vorlauf benötigen.

Der Fachverband der Raiffeisenbanken wird sich jedenfalls für ein späteres Inkrafttreten der geplanten Regelungen einsetzen.

5. Ausblick

Die Begutachtungsfrist der FMA zum Verordnungsentwurf endete am 20. Mai 2022. Der Fachverband hat eine umfangreiche Stellungnahme für den Raiffeisensektor eingebracht, in der auf die Unzulänglichkeiten des Entwurfs hingewiesen und entsprechende Anpassungen gefordert werden. Mit der Veröffentlichung der finalen Verordnung der FMA ist aller Voraussicht nach im Laufe des Juni 2022 zu rechnen.

Abzuwarten bleibt auch, ob die Maßnahmen der FMA tatsächlich geeignet sein werden, dem Entstehen von systemischen Risiken Einhalt zu gebieten oder ob nicht andere Gründe für die Entstehung des Immobilienbooms maßgeblich sind, die in der KIM-V nicht adressiert werden. Der FMA kommt jedenfalls der gesetzliche Auftrag zu, die Effektivität der gesetzten Maßnahmen zeitnah vor deren Ablauf im Juni 2025 zu evaluieren. Die FMA wird das Ergebnis dieser Evaluierung an das FMSG übermitteln, das dann entscheiden wird, ob der Anwendungszeitraum der KIM-V über das Jahr 2025 hinaus verlängert werden soll.

Dr. Thomas Schmatzberger ist Mitarbeiter im Fachverband der Raiffeisenbanken.

01.06.2022 - Finanzmarktaufsicht