Ein digitaler Euro - welche Rolle sollen die Banken spielen?

Dr. Johannes Rehulka, Heft 12/2020

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in einem Bericht die Diskussion über die Einführung eines digitalen Euro gestartet. Der digitale Euro soll das Bargeld nicht ersetzen, sondern neben Bargeld eingeführt werden, um die Nachfrage nach elektronischen Zahlungen zu decken. Allerdings bleiben viele wesentliche Fragen unbeantwortet, insbesondere die Rolle der Geschäftsbanken. Ohne die Einbindung der Geschäftsbanken macht eine digitale Währung allerdings keinen Sinn.

Hintergrund

Die wachsende Geschwindigkeit bei den Innovationen für Zahlungsmöglichkeiten, aber auch die wachsende Nachfrage nach digitalen Zahlungsarten haben den Gouverneursrat der EZB dazu veranlasst, eine High Level Task Force einzusetzen, die sich mit den rechtlichen, operativen und technischen Fragen der Einführung einer digitalen Euro-Währung (dem digitalen Euro) beschäftigt. Das Ergebnis dieser Beratungen der High Level Task Force ist der vorliegende Bericht über einen digitalen Euro.

Mit dem Bericht über einen digitalen Euro möchte die EZB die Grundlage für die weiteren Diskussionen schaffen. Für die EZB ist es zwar zu früh, eine konkrete Ausgestaltung des digitalen Euro festzulegen, allerdings werden einige Grundsätze für die neue Währung definiert. Bis Mitte 2021 möchte die EZB entscheiden, ob sie das Projekt eines digitalen Euro in Angriff nimmt.

Konzept

Der digitale Euro soll keine zusätzliche neue Währung zum Euro sein. Vielmehr wird er als eine Verbindlichkeit des Eurosystems in digitaler Form als Ergänzung zu Bargeld und Zentralbankeinlagen beschrieben. Neben Bargeld und Zentralbankgeld soll er also eine neue Form des Euro sein. Die Bewertung des digitalen Euro würde sich auch nicht ändern. Die EZB spricht von einer 1:1 Wertkoppelung an den Euro. Insoweit würden sich alle Fragen der Bewertung des digitalen Euro weiterhin nach dem bestehenden Euro richten. Für einen digitalen Euro würde man daher einen normalen Euro erhalten.

Nach den Vorstellungen der EZB soll der digitale Euro den höchsten Anforderungen der Zahlungstechnologien entsprechen. Er soll Offline-Zahlungen ermöglichen und allen Bevölkerungsgruppen zugänglich sein. Zumindest für die Basisnutzung soll er gratis sein. Gleichzeitig soll, sofern dies gewünscht wird, die EZB auch ein Entgelt über Zinsen einnehmen können, um auch ihre Ziele in der Geldpolitik zu erreichen. Der digitale Euro soll über besonders sichere Kanäle zur Verfügung gestellt werden. Der digitale Euro soll zu einer Reduktion der Kosten und des ökologischen Fußabdruckes führen. Er soll auch so ausgestaltet werden, dass er nicht als Investition verwendet wird, um einen umfangreichen Abfluss von Bankeinlagen zu verhindern. Der digitale Euro soll über Geschäftsbanken zugänglich gemacht werden.

Die Rolle der Geschäftsbanken

Der Bericht behandelt insbesondere den Zugang der gesamten Öffentlichkeit (also Bürger und Unternehmen) zu Zahlungen mit dem digitalen Euro. Dabei werden an mehreren Stellen des Berichts ein direkter Zugang der Bürger zum digitalen Euro bei der EZB (z.B. über eigene EZB-Konten) und ein indirekter Zugang über Banken zur Diskussion gestellt. Bürger und Unternehmen haben aktuell nur indirekt über Geschäftsbanken Zugang zum Euro in seiner Bargeldfunktion, ein direkter Zugang ist derzeit nicht vorgesehen.

Die Zentralbank selbst dürfte jedoch ernsthafte Bedenken gegen ein direkt zugängliches Zentralbankgeld hegen. So wird trotz der Erwähnung der Möglichkeit eines direkt zugänglichen digitalen Zentralbankgeldes in mehreren Passagen des Berichts darauf hingewiesen, dass dem Zugang zum digitalen Euro über die Geschäftsbanken der Vorzug zu geben wäre. Dies zuletzt auch deshalb, da die IT-Systeme der EZB nicht darauf ausgerichtet sind, ein großes Volumen an Transaktionen für Kunden durchzuführen. Dennoch soll nach Ansicht der EZB der digitale Euro für jeden zugänglich sein, also auch jene, die aktuell kein Bankkonto haben. Und die Banken dürften laut EZB auch nicht die Qualität und den Zugang zum digitalen Euro in irgendeiner Weise beschränken.

Die EZB zeigt zwei Möglichkeiten für die Einbindung von Banken auf: entweder die Institute stehen als reiner Torwärter für den Zugang zum digitalen Euro zur Verfügung. Dabei würden sie die Kunden wie schon heute beim Zugang zum Bargeld authentifizieren, alle Verpflichtungen der Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung übernehmen und die Verbindung zwischen Kunde und EZB herstellen. Als Alternative könnten die Institute auch als Abwicklungsagent auftreten, die Transaktionen im Namen ihrer Kunden durchführen und Aufbewahrungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. In letzterem Fall könnten die Geschäftsbanken auch die Dienstleistungen für den digitalen Euro in ihr Geschäftsmodell einbauen.

Untauglich erscheinen die Vorschläge der Zentralbank, wie Banken auf die Einführung des digitalen Euro reagieren sollten. Da wird von der Möglichkeit der Erhöhung der Einlagezinsen oder der Koppelung der Einlagezinsen mit anderen Dienstleistungen (wie etwa Zahlungsverkehr oder Hypotheken, etc.) gesprochen. Gerade für Primärbanken erscheinen auch die Vorschläge aus einer anderen Welt, dass Einlagen durch Zentralbanklinien oder durch Kapitalmarktfinanzierungen ersetzt werden sollen.

Finanzmarktstabilität

Die Gefahren für die Finanzmarktstabilität durch die Einführung eines digitalen Euro liegen auf der Hand: Würde der digitale Euro ohne Obergrenzen eingeführt werden, könnten die Anleger gerade in Krisenzeiten sämtliche Einlagen von Geschäftsbanken in den digitalen Euro abziehen. Ein massiver Liquiditätsabfluss bei den Geschäftsbanken wäre die Folge, die dann wohl auch Probleme hätten, die gesetzlichen Bestimmungen der Liquidity Coverage Ratio (LCR) und der Net Stable Funding Ratio (NSFR) zu erfüllen. Auch würden die Finanzierungskosten für Banken unweigerlich steigen und weniger Kredite zur Verfügung stehen. Auch würden die Kosten dadurch für die Bankkunden steigen. Dieser Gefahren ist sich die Zentralbank durchaus bewusst und deutet auch an, dass ein unbegrenzter Zugang zum digitalen Euro aus Gründen der Finanzmarktstabilität nicht angemessen erscheint. Die Beschränkung könnte durch individuelle Obergrenzen für das Halten oder gestaffelte Entgelte für den digitalen Euro erreicht werden.

Entgelt für den digitalen Euro?

Durch Entgelte könnte die EZB nach eigenen Angaben die Nachfrage nach dem digitalen Euro besser steuern und auch stabile Einkünfte für die Zentralbank sicherstellen. Auch andere Zentralbanken würden ein solches Prinzip der Kostenneutralität vorsehen. Dabei stellt die EZB ein gestaffeltes Entgelt zur Diskussion, das bis zu einer noch zu definierenden Obergrenze attraktiver ausfallen soll. Wird die Obergrenze überschritten, sollen dagegen weniger attraktive Zinsen oder Gebühren anfallen. Durch dieses gestaffelte System sieht die EZB eine Möglichkeit, Anreize zu setzen, nicht zu hohe Beträge in den digitalen Euro zu investieren. Dieses angedachte Entgelt könnte auch ein Mittel für die Zentralbank darstellen, ihre Geldpolitik effektiver durchzusetzen (siehe Absatz zur Geldpolitik). Für Bargeld wird jedenfalls aktuell kein Entgelt verrechnet.

Bargeld

Die EZB ist auch stets bemüht zu betonen, dass der digitale Euro keine Konkurrenz zum Bargeld sein und das Bargeld auch nicht ersetzen soll. Vielmehr sollte der digitale Euro in bestimmten Szenarien (etwa, wenn die Verwendung des Bargelds massiv abnimmt) zum Einsatz kommen. Im Vergleich zum Bargeld wäre der digitale Euro keinesfalls anonym. Nicht zuletzt wegen der Vorgaben zur Geldwäscheprävention und Terrorismusfinanzierung, aber auch zu allfälligen Obergrenzen für individuelle Halter des digitalen Euro wäre eine Registrierung der Nutzer zumindest bei der Erstanmeldung jedenfalls erforderlich.

Geldpolitik

Geht es der Zentralbank aber neben der Bedrohung durch private digitale Währungen und digitale Währungen anderer Zentralbanken womöglich auch darum, ihre Geldpolitik besser durchsetzen zu können? Die EZB gibt sich zu diesem Thema bewusst bedeckt. Aktuell kann die EZB wegen der hohen Beträge des im Umlauf befindlichen Bargelds keine Negativzinsen wirksam im Euroraum durchsetzen. Das wäre naturgemäß bei einer digitalen Form des Euro ganz anders. Mit einem Knopfdruck könnten Negativzinsen maximal effizient umgesetzt werden. Mit dem angedachten Entgelt für den digitalen Euro könnte die EZB auch die Nachfrage besser steuern und ihre Geldpolitik besser durchsetzen. Diese Variante deutet die Zentralbank in ihrem Bericht zumindest an.

Bewertung

Es ist nachvollziehbar, dass sich die EZB mit dem Thema einer digitalen Währung auseinandersetzt. Initiativen von anderen Zentralbanken (etwa der geplante digitale Yuan der chinesischen Zentralbank), aber auch von privater Seite lassen der EZB fast keine andere Wahl. Schließlich könnte ein Nicht-Tätigwerden der EZB dazu führen, dass eine Einführung digitaler Fremdwährungen zu einem großflächigen Ersatz des Euro und damit zu starken Fremdwährungsrisiken führt. Auch die Initiativen von einigen großen Technologieunternehmen zur Schaffung eigener Währungen (z.B. LIBRA) könnten global von derart großer Bedeutung werden, dass sie den Euro ersetzen. Solche Entwicklungen haben zweifelsohne das Potential, die europäische Souveränität zu gefährden.

Insoweit ist es legitim, dass die Zentralbank eine digitale Währung zur Diskussion stellen möchte. Aus unserer Sicht gibt es aber zahlreiche ernst zu nehmende Bedenken, die unbedingt beim Projekt eines digitalen Euro beachtet werden müssen:

·        In mehreren Passagen des Berichts bringt die EZB zwar zum Ausdruck, dass eine Mediation über Geschäftsbanken für sie wünschenswert wäre. Bevor ein Projekt zu einem digitalen Euro gestartet werden soll, müsste aber zunächst festgelegt werden, dass ein Zugang zum digitalen Euro ausschließlich über Geschäftsbanken stattfinden kann.

·        Wichtig wäre es, diese neue Geldform zunächst einmal nur experimentell einzuführen, da die Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität im Vorhinein nicht endgültig abgeschätzt werden können.

·        Bei unbegrenzter Nutzung würde der digitale Euro zu einem Beschleuniger des Liquiditätsabflusses von Geschäftsbanken werden. Im Krisenfall würden alle Kunden ihr Geld in den digitalen Euro anlegen. Mit massiven Abflüssen von Geschäftsbanken wäre hier zu rechnen. Insofern sind verbindliche niedrige Obergrenzen für das Halten eines digitalen Euro unverzichtbar. Eine unlimitierte Nutzung des digitalen Euro würde dagegen große systemische Risiken mit sich bringen.

·        Das von der EZB angedachte Entgelt sollte mit großer Vorsicht betrachtet werden. Ein solches Entgelt wird beim Bargeld schließlich auch nicht eingehoben und es könnte auch Finanzflüsse umleiten. Auch könnte dieses Entgelt den Weg für die Einführung von Negativzinsen ebnen.

·        Mit der Einführung eines digitalen Euro steigt die Gefahr der Durchsetzung negativer Zinsen. Ein solches Szenario ist klar abzulehnen und sollte auch von den europäischen Gesetzgebern ausdrücklich bei der Weiterverfolgung des Projekts mitbedacht werden.

Dr. Johannes Rehulka ist Geschäftsführer im Fachverband der Raiffeisenbanken.

01.01.2021 - EU-Finanzdienstleistungspolitik