Raiffeisen Nachhaltigkeits-Initiative Neu

Mag. Robert Pichler, Heft 2/2024

Seit 2007 gibt es die Raiffeisen Nachhaltigkeits-Initiative (RNI) als Plattform, Service- und Vertretungseinrichtung von 22 Raiffeisen-Unternehmen, die sich als wesentliche Player in ihrem Bereich mit großem Engagement aktiv für Klimaschutz und Nachhaltigkeit einsetzen. Diese Unternehmen haben in den letzten Jahren sehr intensiv daran gearbeitet, ihre Produkte, Services und den eigenen Ressourcenverbrauch zukunftstauglich zu gestalten. Mit den deutlich gestiegenen Anforderungen im Nachhaltigkeitsbereich – sowohl für Banken wie auch andere Unternehmen – war eine Weiterentwicklung der Raiffeisen Nachhaltigkeits-Initiative geboten. Künftig werden noch stärker branchenübergreifende Themen bearbeitet, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Taxonomie und Biodiversität bilden inhaltliche Schwerpunkte. Mit der Weiterentwicklung geht auch eine personelle Neuaufstellung einher. 

Schmatzberger

Die Themen Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien sind zu einem Megatrend mit enormer Popularität geworden. Auch die Finanzwirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr stark gewandelt. Sie ist zu einem der wichtigsten Sparringspartner beim sog. Green Deal der Europä­ischen Union avanciert. Ihre Aufgabe ist es, Kapitalströme so umzuleiten, dass verantwortungsvolles Wirtschaften und Handeln gefördert und das Gegenteil davon nicht mehr finanziell unterstützt wird. Wichtig ist hier, als Finanzdienstleister glaubwürdig zu sein und auch selbst das umzusetzen, was man von Kund:innen, Emittenten und Lieferanten einfordert.

Von Anbeginn an lag der Fokus der RNI darauf, als Plattform, Service- und Vertretungseinrichtung für Aktivitäten auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit zu fungieren. Gemäß der Vision „Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft“ sind aus einer Idee über die Jahre eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen entstanden. Ein spezielles Augenmerk liegt darauf, durch geeignete Maßnahmen einen substanziellen Beitrag zu leisten, damit die Mitglieder die Querschnittsmaterie Nachhaltigkeit optimal in ihren Unternehmen umsetzen und Synergien bestmöglich nutzen können. Darüber hinaus werden Aktivitäten forciert und konsequent an einer klimafreundlicheren und nachhaltigeren Zukunft gearbeitet. Verantwortungsvolles und „enkeltaugliches“ Handeln waren und sind daher keine Schlagworte, sondern gebotene Notwendigkeit. Damit soll zu einer erfolgreichen Transformation der Gesellschaft beigetragen werden.

Ebenso relevant bleibt die Initiierung gemeinsamer Projekte, wie etwa zur Reduktion der Treibhausgasemissionen, mit Blick auf mögliche Auswirkungen in den jeweiligen Geschäftstätigkeiten. In diesem Zusammenhang spielt der Impact im jeweiligen Kerngeschäft eine wesentliche Rolle. Ziel sollte es daher stets sein, den – aus nachhaltiger Sicht – negativen Impact zu reduzieren und den positiven zu erhöhen. Zur Messung des Erreichten und als Fortführung der 2015 erstmalig publizierten Ökobilanzierung wurde beispielsweise 2022 eine Treibhausgasbilanz für die gesamte Raiffeisen Bankengruppe erstellt. Im Rahmen dieser durch das Umweltbundesamt (UBA) vorgenommenen wissenschaftlichen Analyse wurden ausgewählte Klima-, Energie- und Mobilitätskennzahlen bewertet sowie wirtschaftliche Effekte durch Investitionen in erneuerbare Energie und Energieeffizienz verständlich aufbereitet. Ein wesentliches Ergebnis zeigt sich in den makroökonomischen Effekten der in den Jahren 2016–2021 getätigten nachhaltigen Investitionen in Höhe von 108 Mio Euro in eigene Gebäude, Mobilität und Energie, welche wiederum 61,3 Mio Euro an Wertschöpfung generiert und 618 Arbeitsplätze in Vollzeitäquivalenz geschaffen haben. Sämtliche Ergebnisse finden sich unter www.raiffeisen-nachhaltigkeit.at.

Weiterentwicklung bei branchenübergreifenden Themen

Dieser erfolgreiche Weg der RNI soll künftig fortgeführt werden. Die breite Aufstellung des Raiffeisensektors von den Banken bis hin zum Warenbereich ist für die ergebnisorientierte Arbeit und die Diskussion ein enormer Vorteil, da Nachhaltigkeit eine Vernetzung des Tuns und der Verantwortung über den eigenen Bereich hinaus erfordert. Neben Klimaschutz sind auch die Fragen der sozialen Verantwortung und der Lieferketten zum Thema geworden. Ziel ist es daher, künftig noch stärker branchenübergreifende Themen zu bearbeiten und den Banken- und Warensektor in dieser wichtigen Initiative noch enger zu verbinden. Die Weiterentwicklung der RNI zeigt sich daher auch in der Re-Integration der Initiative in den Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV).

Das soll sich auch in der personellen Neuaufstellung widerspiegeln. Aus dem Kreis der RNI-Vorstandsmitglieder wurde Dr. Johannes Rehulka, Generalsekretär des ÖRV, für die Position des RNI-Vorsitzenden vorgeschlagen. Er folgt damit Dr. Franz Fischler nach, der diese Funktion dankenswerterweise sechzehn Jahre lang erfolgreich ausgefüllt hat. Weiters wurde Mag. Robert Pichler, Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im ÖRV, als neuer RNI-Geschäftsführer bestellt. Die ÖRV-Agrarabteilung beschäftigt sich mit dem Thema Nachhaltigkeit sowie der Umsetzung einschlägiger EU-Regularien wie der Taxonomie-VO, der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) und Lieferketten-RL im Agrar- und Lebensmittelsektor.

Schwerpunkt Nachhaltigkeitsreporting

In enger Abstimmung mit den Mitgliedern wurde das Arbeitsprogramm der RNI für 2024 erstellt. Vor dem Hintergrund der steigenden regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsreporting von Unternehmen erfolgt in der RNI eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Anforderungen. Ziel ist es, zu einer hochwertigen Nachhaltigkeitsberichterstattung der RNI-Mitglieder beizutragen.

Dies erfolgt unter anderem dadurch, dass die zahlreichen schwierigen Fragen der Auslegung und Interpretation der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und der Taxonomie­verordnung einer möglichst einheit­lichen und konsistenten Lösung zugeführt werden. Als Schnittstelle fungiert dabei – im Rahmen eines aktuellen Projekts – die betriebswirtschaftliche Beratungsabteilung im ÖRV. Nicht zuletzt garantiert die Einbindung des Fachverbandes der Raiffeisenbanken sowie der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im ÖRV die frühzeitige Information zu Änderungen einschlägiger Regularien für den Finanz- und Warensektor.

Folgende Aktivitäten werden bei diesem Schwerpunkt für die RNI-Mitglieder koordiniert und umgesetzt:

  • Behandlung fachlicher Auslegungsfragen der rechtlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Taxonomie-VO;
  • Koordination im Wege des Aufbaus einer „Taxo-Plattform“ und einer „ESRS-Plattform“, die ein effizientes, transparentes, fachlich einwandfreies und sektorweit akkordiertes Ergebnis abbilden;
  • Dokumentation der Fragenbeantwortung – samt laufender Aktualisierung – in einem eigenen Taxonomiehandbuch und einem Handbuch zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS-Handbuch).

Weitere Schwerpunkte für 2024

Ein großer Teil des Kapitals zur Finanzierung der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit soll aus dem Finanzsektor bereitgestellt werden. Damit Finanzunternehmen ihren Beitrag leisten können, werden Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen immer wichtiger. Denn erst diese ermöglichen – gemäß dem Aktionsplan der EU für ein nachhaltiges Finanzsystem – eine angemessene Risikoabschätzung u.a. mit der Integration von Unternehmensklimazielen in die interne Risikostreuung.

Daher findet sich im Arbeitsprogramm der RNI auch ein Projekt zur Datenerfassung im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Agrar- und Lebensmittelsektor. Zusätzlich wird gemeinsam mit der Österreichischen Kontrollbank (OeKB) an einer praktikablen Ausgestaltung einer Vorababfrage des sog. ESG Data Hubs für den Bereich Landwirtschaft gearbeitet. Der ESG Data Hub wurde von der OeKB als zentrale Plattform für Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG-)Daten entwickelt, um einen möglichst effizienten und effektiven Weg zum Datenaustausch für Datenbeziehende und Unternehmen sicherzustellen sowie Doppelgleisigkeiten und Redundanzen zu vermeiden.

Auf der Agenda steht darüber hinaus auch die Beschäftigung mit dem Thema der Biodiversität – die eine elementare Schlüsselrolle für die Gegenwart und Zukunft spielt – und in diesem Zusammenhang mit der Organisation von Austauschrunden mit Expertinnen und Experten.

Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft bietet viele Chancen, die es für den Raiffeisensektor zu erkennen und zu ergreifen gilt. Letztlich sind alle gefordert, den gesellschaftlichen Wandel mitzugestalten, um die Gesellschaft und Wirtschaft stabil und resilient für die Zukunft auszurichten.

Mag. Robert Pichler ist Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiffeisenverband und neu bestellter Geschäftsführer der Raiffeisen Nachhaltigkeits-Initiative.

 

INFO-BOX

Im Amtsblatt der EU wurden am 21.11.2023 zwei delegierte Rechtsakte zur EU-Taxonomie veröffentlicht:

Die Delegierte Verordnung (EU) 2023/2486 (Environmental Delegated Act) beinhaltet insgesamt sieben Anhänge. Anhänge eins bis vier umfassen neue technische Bewertungskriterien für Wirtschaftstätigkeiten zu den vier umweltbezogenen Zielen gemäß EU-Taxonomie-Verordnung: nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Anhänge fünf, sechs und sieben beinhalten Änderungen an der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 (Disclosure Delegated Act) zur Berichterstattung gemäß EU-Taxonomie-Verordnung.

Die Delegierte Verordnung (EU) 2023/2485 besteht aus insgesamt zwei Anhängen, die Änderungen an der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2139 (Climate Delegated Act) beinhalten. Die Änderungen umfassen die Aufnahme neuer technischer Bewertungskriterien für zusätzliche Wirtschaftstätigkeiten für die zwei klimabezogenen Ziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel).

Die beiden delegierten Verordnungen traten am 11. Dezember 2023 in Kraft und sind erstmals ab dem 1. Januar 2024 anzuwenden. In der erstmaligen Berichterstattung ist zunächst nur über die Taxonomiefähigkeit der neuen Wirtschaftsaktivitäten zu berichten, ein Jahr später dann auch über die Taxonomiekonformität (Alignment).

Die Umwelttaxonomie-VO bildete ein Kernelement des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums vom März 2018, welcher im sog. Europä­ischen Green Deal vom Dezember 2019 aufging. Dabei ist die Umwelttaxonomie-VO insb. im Zusammenspiel mit der RL zur Nachhaltigkeits-berichterstattung sowie der Offenlegungsverordnung und dem EU-Standard für „grüne“ Anleihen (sog. Green Bonds Standard) zu sehen.

29.02.2024 - Sonstiges