Österreichischer Wohnimmobilienmarkt: Aktuelles und Ausblick

Mag. Matthias Reith, Mag. Markus Tritthart (Heft 1/2024)

Das Jahr 2023 war alles andere als ein leichtes für den österreichischen Wohnimmobilienmarkt, war doch der Markt einem „doppelten Gegenwind“ in Form der regulatorischen Verschärfungen (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung der FMA, KIM-V) sowie des schnellsten und kraftvollsten Zinserhöhungszyklus in der EZB-Geschichte ausgesetzt. Das Leitzinsniveau wurde im Jahresverlauf auf 4,5 % hochgeschraubt. Ein Niveau, dessen Erreichen selbst zu Beginn des Zinserhöhungszyklus im Sommer des Jahres 2022 nicht erwartet worden war.

Doch Zinswende und regulatorischer Zeitenwende zum Trotz: Vor dem Hintergrund des Gegenwinds fiel die bisher gesehene Preiskorrektur überraschend moderat aus. Zwar war im Schlussquartal des Jahres 2022 ein deutlicher Preisrückgang von fast zwei Prozent gegenüber dem Vorquartal zu beobachten. 

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Das nährte die Befürchtung, dass nun tief fällt, was zuvor hoch gestiegen war. Jedoch waren Sorgen vor einem Einbruch der Immobilienpreise zumindest bisher übertrieben, verlangsamte sich doch der Preisrückgang im Verlauf des Jahres 2023 deutlich. Im Gesamtjahr 2023 dürfte sich Wohneigentum österreichweit daher nur um etwa zwei Prozent verbilligt haben. Zum Vergleich: Allein in den Jahren 2020 bis 2022 verteuerten sich die eigenen vier Wände zwischen Bregenz und Eisenstadt um satte 32 Prozent. Nach dem jahrelangen preislichen Steigflug hat der Markt also bisher kaum an Höhe verloren.

Zweiteiliger Immobilienmarkt

Doch Immobilien sind nicht gleich Immobilien. Dass sich beim Blick auf die Immobilienpreise bisher nur eine sehr moderate Korrektur zeigt, ist nämlich auch der sehr speziellen Preisentwicklung von Neubauwohnungen geschuldet. Insbesondere die Weitergabe der hohen Baukosten der Jahre 2021/22 hat dazu geführt, dass neu errichtetes Wohneigentum bis zuletzt sogar noch teurer geworden ist, während sich ältere Wohneinheiten schon spürbar verbilligt haben, auch wenn selbst in diesem Segment von einem „Preisrutsch“ keine Rede sein kann.

Und das ist nicht zuletzt der Baukostenentwicklung geschuldet. Trotz merklich gesunkener Materialkosten befinden sich die gesamten Baukosten weiterhin in der Nähe des im Frühjahr 2022 verzeichneten Rekordhochs. Der Grund: Kostentreiber sind nicht mehr Materialien, sondern steigende Löhne, die immerhin für knapp die Hälfte der gesamten Baukosten stehen und in der Baubranche besonders stark ins Gewicht fallen. Es hat somit eine „Staffelübergabe“ stattgefunden. Angesichts weiter steigender Löhne ist daher mit Blick auf die Baukosten eine Entspannung vorerst wenig wahrscheinlich. Ein Umstand, der im Neubau kaum niedrigere Verkaufspreise zulässt. Die Zweiteilung des Marktes ist daher ein Trend, der uns auch 2024 begleiten sollte.

Zinserhöhungszyklus im Zeitraffer, regulatorische Zeitenwende – und trotzdem nur sehr begrenzte Preisrückgänge auf dem österreichischen Wohnimmobilienmarkt im Jahr 2023. Liegt damit bereits das Schlimmste hinter uns, wird 2024 das Jahr der Wende? Nicht unbedingt. Mehrere Gründe sprechen dagegen, schon jetzt das Ende der preislichen Konsolidierungsphase auszurufen. Denn auch wenn Spekulationen über erste Zinssenkungen die Sorge um weitere Zinserhöhungen längst abgelöst haben, dürften zumindest die variablen Immobilienkreditzinsen im Durchschnitt des Jahres 2024 höher sein als im Durchschnitt des Jahres 2023. Das spricht für weitere, und durchaus auch prononciertere Preisrückgänge als im bisherigen Jahresverlauf gesehen. Selbiges gilt für den deutlichen Rückgang der Immobilientransaktionen. Im ersten Halbjahr 2023 wechselten um 33 Prozent weniger Wohnimmobilien den Besitzer als im ersten Halbjahr des Jahres zuvor. Der Markt befindet sich also weiterhin in einer Findungsphase, in der die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern auseinanderklaffen und daher weniger Transaktionen zustande kommen. Angebot und Nachfrage werden wieder zusammenfinden, aber zu niedrigeren Preisen.

Leistbarkeit von Wohnraum verbessert sich

In Summe rechnen wir 2023 und 2024 mit einem Rückgang der nominalen Immobilienpreise in Österreich von 10 Prozent. Zwar impliziert diese moderate Preiskorrektur einerseits, dass der Markt nach dem jahrelangen preislichen Steigflug lediglich etwas an Höhe verlieren und Wohnraum auch nach Abschluss der Neubewertung teurer sein wird als vor der Pandemie (Preisplus seit Q4 2019: +29 Prozent). Andererseits bedeutet das aber auch, dass angesichts des nur marginalen preislichen Minus des Jahres 2023 der größere Teil dieser Neubewertung noch vor uns liegt. Die Immobilienpreise dürften also 2024 deutlicher zurückgehen als 2023.

Dafür spricht auch die weiterhin angespannte Leistbarkeit. Will ein Durchschnittshaushalt im Jahr 2023 ein durchschnittliches Einfamilienhaus erwerben, müsste dieser fast die Hälfte seines Nettoeinkommens für den monatlichen Schuldendienst aufbringen – verglichen mit nur 30 Prozent im Jahr 2021. In der Realität bedeutet das nichts anderes als dass die gestiegenen Zinsen samt KIM-V für viele momentan unüberwindbare Hürden darstellen und das Reservoire potenzieller Käufer sehr klein geworden ist. Zwar zeichnet sich für 2024 eine leichte Entspannung ab, auf akzeptableren Niveaus dürfte sich die Leistbarkeit hingegen erst wieder 2025 befinden. Immerhin sollten Haushalte, die 2025 Wohneigentum kreditfinanziert erwerben wollen, dann nicht mehr knapp die Hälfte ihres Nettoeinkommens für Zins und Tilgung einplanen müssen, sondern lediglich etwa 38 % (gemäß unseren Prognosen).

Was sind die Gründe für die sich mittelfristig wieder verbessernde Leistbarkeit? Von der Zinsseite ist nur wenig Entspannung zu erwarten. Die Leitzinsen bleiben trotz erwarteter Zinssenkungen länger erhöht. Mehr Rückenwind sollte dagegen von den für dieses und nächstes Jahr unterstellten nominalen Immobilienpreisrückgängen (in Summe 10 %) sowie der für 2025 erwarteten Stagnation ausgehen. Der wichtigste Faktor sind jedoch die erwarteten Einkommenszuwächse. Zwischen 2023 und 2025 dürften die nominalen Haushaltseinkommen um insgesamt 22 % ansteigen. Höhere Kreditraten sind dadurch leichter zu schultern. Die hohe Inflation ist somit zwar heute eine Belastung für die Haushalte, verbessert aber morgen und übermorgen aufgrund steigender Löhne die Leistbarkeit von Wohneigentum. Der Anpassungsprozess auf dem Wohnimmobilienmarkt sollte demnach in erster Linie über die Annäherung der fundamentalen Rahmenbedingungen an die nominalen Preise erfolgen. Eine deutlichere Preiskorrektur kann damit vermieden werden. Die Inflation ist daher (über steigende Zinsen) nicht nur Auslöser der aktuellen Turbulenzen, sondern dürfte auch maßgeblichen Anteil an der erwarteten Stabilisierung haben (Inflationsabgeltung bei den Löhnen).

Jedoch darf nicht vergessen werden, dass am Ende des Tages nicht die nominalen, sondern die realen Immobilienpreise entscheidend sind. Und inklusive der erhöhten Inflation der Jahre 2023 bis 2025 impliziert das erwartete moderate nominale Preisminus in realer Rechnung einen deutlicheren Wertverlust in Höhe von immerhin 20 Prozent. Dieser Wert ist dabei nicht aus der Luft gegriffen, sondern entspricht dem realen Preisrückgang, den ähnlich gelagerte Immobilienzyklen nach dem Erreichen des preislichen Höhepunktes in der Vergangenheit erfahren haben.

Deutliche Veränderung im Finanzierungsverhalten 

Analog zu den sich drastisch geänderten Rahmenbedingungen am österreichischen Immobilienmarkt konnte Raiffeisen Bausparkasse als Marktführerin in den vergangenen Monaten deutliche Veränderungen im Nachfrageverhalten bei Immobilienfinanzierungen feststellen. Zum einen setzen sprunghaft gestiegene Inflation und Zinsen der Gesamtnachfrage zu. Laut OeNB war der deutlichste Einbruch von Juli auf August 2022 spürbar, als die Nachfrage nach Wohnraumfinanzierung von 2,7 Mrd. EUR auf 1,3 Mrd. EUR um mehr als die Hälfte einbrach. Seither nahm die Nachfrage nach Wohnraumfinanzierung österreichweit sukzessive ab. Im August 2023 betrug diese laut OeNB nur mehr 0,8 Mrd. EUR. Bei Raiffeisen Bausparkasse ging die Nachfrage nach Finanzierungen im ersten Halbjahr 2023 im Vorjahresvergleich um knapp 70 Prozent auf EUR 550 Mio. zurück.

Enorm stellte sich der Rückgang an Finanzierungsnachfragen für neugebaute Immobilien dar. Diese fiel mit einem Anteil von 9 % so gering wie noch nie aus (Vergleich Gesamtjahr 2022: 20 %). Gleichzeitig wurden knapp 40 % der vergebenen Darlehen für Sanierung und Renovierung sowie Um- und Zubau verwendet. In der Vergangenheit lag dieser Wert im einstelligen Prozentbereich. Erst 2022 begann sich dieser deutlich zu steigern, wobei der Anteil im vergangenen Jahr auf 25 % kletterte. Per Ende Oktober 2023 entfielen ein Drittel der Darlehensanfragen auf dieses Segment. Aufgrund der intensiven Geschäftstätigkeit der Bausparkasse im gesamten Bundesgebiet geht sie davon aus, dass es sich hier um eine österreichweite und sämtliche Finanzinstitute umfassende Entwicklung hin zu Renovierung und Sanierung von Altbestand handelt. 

Insgesamt erwartet Raiffeisen Bausparkasse einen langsamen Anstieg bei Finanzierungsanfragen für 2024, wobei auch die Nachfrage im Segment Neubau aufgrund der erwartbar hohen Abschlüsse bei Kollektivvertragsverhandlungen wieder steigen dürfte. Analog zur Prognose von Raiffeisen Research ist jedoch davon auszugehen, dass die Nachfrage erst 2025 wieder merklich anziehen wird.

Enormes Potenzial von Altbauten

Laut einer seitens des Klimaschutzministeriums (BMK) beauftragten und von dem Marktforschungsinstitut TQS im ersten Halbjahr 2023 durchgeführten Studie denken fast drei Viertel aller Eigenheimbesitzer:innen in Österreich darüber nach, Sanierungs- oder Verbesserungsmaßnahmen an der eigenen Immobilie vorzunehmen. Die wichtigste Motivation dafür ist niedrigerer Energieverbrauch, aber auch mehr Wohnkomfort, Unabhängigkeit und Umweltschutz sind wichtige Gründe. Nicht nur als Unterstützerin der BMK- Kampagne „Österreich ist nicht ganz dicht“, sondern auch aus ihrem gesellschaftlichen Auftrag heraus, macht sich Raiffeisen Bausparkasse dafür stark, Renovierung und Sanierung von Altbauten zu unterstützen. 1,5 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser in Österreich wurden in den 1970er und 1980er Jahren errichtet. Das ökologische und wirtschaftliche Potenzial einer Modernisierung dieser Bauten ist enorm und bietet große Chancen für Raiffeisen als großen Kompetenzträger im Bereich Immobilienfinanzierung.

Ansparen für Eigenkapitalpolster 

Ebenfalls zu verzeichnen ist eine merkliche Veränderung beim Thema Ansparen eines Eigenkapitalpolsters für Immobilienfinanzierungen. Das vorhergesagte Revival des Bausparens findet aufgrund der „Normalisierung“ des Zinsniveaus statt. Nach den vielen Jahren niedriger Zinsen sehen wir mittlerweile eine ganz starke Bewusstseinsänderung in Hinblick auf das Ansparen von Eigenmitteln für den späteren Immobilienerwerb. Durch die gestiegenen Zinsen lohnt es sich schlicht wieder anzusparen und damit einen Eigenkapitalpolster für eine spätere Wohnbaufinanzierung aufzubauen. Aber auch Sparen generell hat dadurch wieder an Bedeutung für die Menschen in Österreich gewonnen. Allein im ersten Halbjahr 2023 wurden über 122.000 neue Bausparverträge abgeschlossen, damit konnte das für diesen Zeitraum prognostizierte Ziel von 105.500 Stück um knapp 16 Prozent übertroffen werden.

Mag. Matthias Reith ist Senior Economist Österreich Volkswirtschaft & Immobilien bei Raiffeisen Research.
Mag. Markus Tritthart ist Geschäftsführer der Raiffeisen Bausparkasse Ges.m.b.H.

01.02.2024 - Sonstiges