EU-Whistleblower Richtlinie und HinweisgeberInnenschutzgesetz
Prof. FH Mag. Robert Kotal CFP, Dr. Manfred Strommer (Heft 4/2023
Ein Sprichwort sagt: Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. International ereignen sich nun schon seit etlichen Jahren, zum Teil prominente und von den Medien hoch beachtete Fälle als Whistleblowing, in denen es Menschen mit Insiderwissen gelingt, Rechtsverletzungen mit beträchtlichem Schaden für die Allgemeinheit aufzudecken und durch ihr Aufdecken weiteren Schaden zu verhindern. Welche Schutzmaßnahmen das neue HSchG für Hinweisgeber vorsieht und wie die dazugehörigen Einmeldeprozesse aussehen können, lesen Sie im vorliegenden Artikel.
Überblick
Das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG), BGBl. I Nr. 6/2023 , ausgegeben am 24.2.2023, erfolgt als Reaktion darauf in Umsetzung der RL 2019/1937/EU des Europäischen Parlaments zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden.
Ziel des HSchG ist es, in Lebensbereichen von besonderem öffentlichem Interesse die Bereitschaft zu rechtmäßigem Verhalten zu bestärken, indem Hinweisen auf Rechtsverletzungen einfache Verfahren mit vorhersehbaren Abläufen zur Verfügung stehen. Dabei sind Hinweisgeber und Personen in ihrem Umkreis vor persönlichen Nachteilen (zB Vergeltungsmaßnahmen) zu schützen und unbegründete oder ungerechtfertigte Verdächtigungen zu verhindern. Für juristische Personen und Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten besteht für die Einrichtung von internen und externen Stellen jedoch eine Übergangsfrist von 6 Monaten ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (§ 28 Abs 1 HSchG).
Für Unternehmen und juristische Personen mit weniger als 250 Beschäftigten treten die §§ 11 bis 13 HSchG erst am 17.12.2023 in Kraft (§ 28 Abs 2 HSchG).
Wer ist Whistleblower
Whistleblower ("Hinweisgeber") im Sinne des HSchG sind Personen, die aus ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Praktiken wie Betrug, Korruption, Gesundheits- oder Umweltgefährdungen erlangt haben und diese Informationen weitergeben. Der für sie damit verbundene faktische Druck von Anfeindungen und/oder Verfolgung kann natürlich enorm sein, dem versucht das HSchG entsprechend zu entgegnen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Maßnahmen im Überblick dargestellt:
Geltungsbereich des Gesetzes
Umfasst vom HSchG sind Personen, die aufgrund ihrer laufenden oder früheren beruflichen Verbindung zu einem Rechtsträger des privaten oder des öffentlichen Sektors Informationen über Rechtsverletzungen erlangt haben (§ 2 Abs 1 HSchG). Diese Personen sind zB Arbeitnehmer, Stellenwerber, Praktikanten, selbstständige Personen oder Beamte.
Auch Personen im Umfeld eines Hinweisgebers, die, ohne selbst einen Hinweis nach dem HSchG gegeben zu haben, besonders als Opfer indirekter Vergeltungsmaßnahmen in Betracht kommen, sollen den Schutzbestimmungen unterliegen.
Zur Einrichtung interner Meldestellen (zB "Whistleblowing-Hotline") sind juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie eingetragene Personengesellschaften ab 50 Beschäftigten verpflichtet, wobei je nach Unternehmensgröße folgender Zeitplan vorgesehen ist:
- Für Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Sektors mit 250 oder mehr Arbeitnehmern gilt ab dem Inkrafttreten des HSchG (25.2.2023) eine 6-monatige Übergangsfrist, innerhalb derer die Einrichtung des Meldesystems erfolgen muss.
- Für Unternehmen und juristische Personen mit weniger als 250 Beschäftigten gilt die Verpflichtung ab 17.12.2023.
- Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten fallen nicht in den Anwendungsbereich des HSchG.
Von der Hinweisgebung sind nach § 3 Abs 3 HSchG Verstöße gegen Unionsrechtakte, wie die Verletzung von Vorschriften u.a. in Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, aber z.B. auch Verkehrssicherheit; Umweltschutz; Strahlenschutz und nukleare Sicherheit umfasst.
Derzeit nicht erfasst sind Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften, wie zB gegen das AZG, das ARG, das MSchG, das LSD-BG ua.
Bereits eingerichtete Hinweisgebersysteme werden durch das HSchG nicht berührt (so ausdrücklich § 4 Abs 3).
Schutzwürdigkeit von Hinweisgebern
Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sind zur Inanspruchnahme der Verfahren und des Schutzes für die Hinweisgebung ab der Abgabe des Hinweises an eine interne oder externe Stelle berechtigt, wenn sie zum Zeitpunkt des Hinweises auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände und der ihnen verfügbaren Informationen hinreichende Gründe dafür annehmen können, dass die von ihnen gegebenen Hinweise wahr sind und in den Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes fallen (§ 6 Abs 1 HSchG).
Die Voraussetzungen dafür, dass Hinweisgeber Anspruch auf Befassung der internen und der externen Stellen und ab dem Zeitpunkt der Abgabe des Hinweises einen Anspruch auf den spezifischen Rechtsschutz haben, sind somit:
- Dem Hinweisgeber liegt eine Information vor, die nach allgemeiner Erfahrung Richtigkeit für sich beanspruchen kann.
- Die Information stellt einen Sachverhalt fest, der als solcher den Verdacht einer Rechtsverletzung nahelegt.
- Der Hinweisgeber ist subjektiv von der Richtigkeit der Information und der Verwirklichung des Sachverhalts überzeugt und kann als nicht rechtskundiger Mensch annehmen, dass das HSchG zur Anwendung kommt.
- Der Hinweisgeber kann bei ungefährer Kenntnis der Vorschriften des HSchG annehmen, dass er zu den Personen gehört, die in den persönlichen Geltungsbereich des § 2Abs 1 und 2 fallen, und dass die vermutete Rechtsverletzung in einen der Rechtsbereiche des § 3 Abs 3 HSchG fällt.
Hinweise, die offenkundig falsch gegeben werden, sind von den Stellen, die sie erhalten, jederzeit mit der Nachricht an die Hinweisgeberin oder den Hinweisgeber zurückzuweisen, dass derartige Hinweise Schadenersatzansprüche begründen und gegebenenfalls gerichtlich oder als Verwaltungsübertretungen (§ 24 Z 4) verfolgt werden können.
Wesentlicher Inhalt rechtlicher Grundlagen der Hinweisgebung sind der Schutz der Identität der an der Hinweisgebung beteiligten oder von ihm betroffenen Personen und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten. Über den Kreis der unmittelbar mit einem Hinweis befassten Personen hinaus sollte die Identität nur dann offengelegt werden können, wenn dies im Rahmen behördlicher Untersuchungen, im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe und auf eine Gefährdung der Person des Hinweisgebers verhältnismäßig ist.
Einrichtung Meldestellen
Ein wesentlicher Inhalt des HSchG besteht in seiner institutionellen Verankerung und der Errichtung organisationsinterner Meldekanäle für mögliche Hinweise nach dem HSchG.
Grundsätzlich waren Kreditinstitute bereits seit 01.01.2014 gem. § 99 g BWG, § 159 BörseG, § 40 FM-GwG verpflichtet, ein anonymes Hinweisgebersystem bereit zu halten. In der Praxis waren hier in der Vergangenheit jedoch nahezu keine Meldungen von Mitarbeitern über die internen Kanäle zu verzeichnen. Im Einzelfall erfolgten jedoch Meldungen direkt an die FMA.
Im Raiffeisensektor bedienen sich viele Sektorunternehmen, wie auch die niederösterreichischen Raiffeisenbanken und niederösterreichischen Raiffeisen-Lagerhäuser der EQS Group GmbH als professionellem Dienstleister zur Abwicklung des internen Meldekanals.
Als zusätzliche Instrumente der Unterstützung der Hinweisgebung sollen neben internen auch externe Meldekanäle eingerichtet werden (§§ 14 ff HSchG). Dabei bleibt es den Hinweisgebern vorbehalten, ob sie sich an die internen oder direkt an die externe Meldestelle wenden. Das Gesetz zielt auf eine Zentrierung der externen Stellen ab und schlägt das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zur einheitlichen Stelle für externe Hinweise vor.
Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen
Maßnahmen, die in Vergeltung eines berechtigten Hinweises erfolgt sind, sollen rechtsunwirksam sein (§ 20 HSchG). Solche Maßnahmen sind ua. insbesondere:
Suspendierung, Kündigung oder vergleichbare Maßnahmen,
- Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags,
- Herabstufung oder Versagung einer Beförderung,
- Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeits-ortes Minderung des Entgelts, Änderung der Arbeitszeit.
- negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Dienstzeugnisses.
Die juristische oder natürliche Person, der die Vergeltungsmaßnahme zuzurechnen ist, ist zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, zum Ersatz des Vermögensschadens sowie zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet.
Vergeltungsmaßnahmen, die zum Teil oder gänzlich nicht rückgängig gemacht werden können, wie zB Nötigung, Einschüchterung oder Zuweisung einer ärztlichen Behandlung, sollen in erster Linie Schadenersatzansprüche auslösen (§ 20 Abs 2 HSchG).
Strafbestimmungen
Für Verstöße gegen das HSchG drohen Verwaltungsstrafen bis zu € 20.000,- (im Wiederholungsfall bis zu € 40.000,-). Konkret begeht eine Verwaltungsübertretung, wer einen Hinweisgeber, dessen Unterstützer oder Personen im Umkreis des Hinweisgebers im Zusammenhang mit einer Hinweisgebung behindert oder zu behindern sucht oder durch mutwillige gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren unter Druck setzt, eine Vergeltungsmaßnahme (§ 20 HSchG) der Hinweisgebung setzt, die Bestimmungen zum Schutz der Vertraulichkeit verletzt, wissentlich einen falschen Hinweis gibt.
Prof. FH Mag. Robert Kotal CFP ist Compliance Officer der Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien.
Dr. Manfred Strommer leitet den Beratungsbereich des Raiffeisen-Revisionsverbandes Niederösterreich-Wien.