Die neue EU-Richtlinie zur Energieeffizienz von Gebäuden

Peter Stellnberger, MSc (WU), Heft 7-8/2024

 

Im Mai 2024 wurde die neue Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Das Regelwerk setzt sich ambitionierte Sanierungsziele und soll dazu dienen, bis 2050 den gesamten Gebäudebestand zu dekarbonisieren und gleichzeitig Energiekosten zu sparen. Wird diese Win-Win-Win-Situation für Immobilieneigentümer, Mieter und Klima gelingen? Im folgenden Artikel werden die Neuerungen kurz vorgestellt und mögliche Implikationen für die Immobilienfinanzierung ausführlicher beleuchtet.

Bei der Energieeffizienz von Gebäuden anzusetzen, ist naheliegend. Auf Gebäude entfallen in der EU rund 40 % des Energieverbrauchs, mehr als die Hälfte des Gasverbrauchs und 35 % der energiebedingten Treibhausgasemissionen. Aktuell sind etwa 35 % der Gebäude in der EU älter als 50 Jahre, und fast 75 % des Gebäudebestands sind nicht energieeffizient. Gleichzeitig beträgt die durchschnittliche jährliche Quote der energetischen Renovierungen jedoch nur etwa 1 %. 

Steiner

Status quo in Österreich

Laut einer Studie des Umweltbundesamtes stagniert die Sanierungsrate in Österreich seit 2015 auf einem ähnlichen Niveau und betrug 2022 1,5 %. Zwischen 2005 und 2014 sanken die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor in Österreich um 39 %. Von 2014 bis heute gab es hingegen kaum Fortschritte. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurden die Anstrengungen zur Unabhängigkeit von Öl und Gas intensiviert. Dennoch ist die aktuelle Entwicklung nicht mit dem Regierungsziel der Klimaneutralität bis 2040 und den EU-Vorgaben zur Reduktion des Energieverbrauchs vereinbar. Daher müssen die Sanierungsbemühungen dringend verstärkt werden.

Die bisherige Fassung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Building Directive, EPBD) stammt aus dem Jahr 2010 und wurde in Österreich insbesondere durch die OIB-Richt­line 6 „Energieeinsparung und Wärmeschutz“ umgesetzt.

Politischer Diskussionsprozess

Im Jahr 2020 gab die Europäische Kommission das Ziel vor, die Renovierungsquoten bis 2030 mindestens zu verdoppeln und sicherzustellen, dass die Energieeffizienz und der Anteil erneuerbarer Energien in Gebäuden durch Renovierungen erhöht wird. Während der Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen gab es intensive Diskussionen im Spannungsfeld von Leistbarkeit und Klimaschutz.

Die Richtline wurde schließlich im März 2024 vom Europäischen Parlament angenommen und ist am 28.05.2024 in Kraft getreten. Diese muss nun bis Ende Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. In Österreich wird dieser Prozess vom Österreichischen Institut für Bautechnik vorangetrieben, welches mit den OIB-Richtlinien die bautechnischen Vorschriften in Österreich harmonisiert.

Nationaler Gebäuderenovierungsplan

Ein zentrales Element der Novelle ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, nationale Gebäuderenovierungspläne zu erstellen, um den Bestand sowohl an öffentlichen als auch privaten Wohn- und Nichtwohngebäuden in Nullemissionsgebäude umzubauen. Renovierungen müssen dem Prinzip „Energieeffizienz an erster Stelle“ folgen. Nationale Gebäuderenovierungspläne sollen bis 2040 einen Fahrplan zum Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln beinhalten. Der Entwurf des Gebäuderenovierungsplans ist von den Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2025 einzureichen, die vollständige Ausarbeitung bis zum 31. Dezember 2026.

Vom Niedrigstenergiegebäude zum Nullemissionsgebäude

Vom bisherigen Standard, dem „Niedrigst-energiegebäude“, das einen sehr geringen Energiebedarf hat und zu einem wesentlichen Teil mit Energie aus erneuerbaren Quellen betrieben wird, werden nun in der aktualisierten Richtlinie „Nullemissionsgebäude“ zur Norm für neue Bauten. Diese sollen, basierend auf Kostenoptimalitätsberechnungen, einen möglichst geringen Primärenergiebedarf aufweisen (-10 % geringer als die aktuellen Anforderungen der Niedrigst-energiegebäude). Dabei dürfen keine Emissionen aus fossilen Brennstoffen entstehen, wobei bestimmte Ausnahmen zulässig sind.

Um diese Emissionsfreiheit zu gewährleisten, müssen 100 % des Primärenergiebedarfes aus erneuerbaren Energien, vor Ort oder in der Nähe, durch eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft generiert werden. Weiters sind CO2-freie Energieträger sowie effiziente Fernwärme- und Fernkältesysteme möglich. Ab dem 1. Januar 2028 müssen alle neuen öffentlichen Gebäude, sofern technisch wie wirtschaftlich machbar, am Standort emissionsfrei sein, gefolgt von allen anderen Neubauten ab dem 1. Januar 2030. Bestehende Gebäude sollten bis 2050 zu Nullemissionsgebäuden umgebaut werden. Die Richtlinie sieht Ausnahmen für denkmalgeschützte, religiösen Zwecken dienenden oder landwirtschaftlich genutzte Gebäude vor. 

Grafik Energieeffizienz

Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz

Die überarbeitete Richtlinie enthält Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung der Energieeffizienz des Gebäudebestands, mit besonderem Fokus auf die am wenigsten energieeffizienten Gebäude. Mitgliedstaaten müssen Mindestenergieeffizienzstandards festlegen, differenziert nach Wohn- und Nichtwohngebäuden. Für Nichtwohngebäude gibt es strengere Anforderungen, nämlich, dass die schlechtesten 16 % der Nichtwohngebäude bis 2030 und die schlechtesten 26 % bis 2033 renoviert werden müssen. Besonders zu beachten ist, dass die Richtlinie hier auf das individuelle Gebäude abzielt.

Für Wohngebäude wurde das Renovierungsziel – entgegen der ursprünglichen Zielsetzung der EU-Kommission – etwas gelockert. Insgesamt müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Primärenergieverbrauch der Wohngebäude durchschnittlich bis 2030 um 16 % und bis 2035 um 20-22 % sinkt. Davon müssen jedoch mindestens 55 % der Energieeinsparungen durch Renovierungen der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz erzielt werden. Wesentlich zu betonen ist hier die durchschnittliche Betrachtung, nicht die individuelle – wie bei den Nichtwohngebäuden. Die Renovierungspflicht gilt daher nicht für einzelne Hauseigentümer.

Umfassende Renovierung, Solarenergie und Mobilität 

In der Richtline wird als neues Konzept die „umfassende Renovierung“ vorgestellt, das Gebäude vor dem 1. Jänner 2030 zu Niedrigst­energiegebäuden und danach zu Nullemissionsgebäuden verwandeln soll. Aktuell ist in der OIB-Richtlinie das Konzept der „größeren Renovierung“ verankert, bei der mind. 25 % der Fläche der Gebäudehülle saniert und gewisse Energiekennzahlen erreicht werden müssen.

Solarenergie soll in neuen Bauwerken, öffentlichen Gebäuden sowie bei der Renovierung bestehender Nichtwohngebäude sichergestellt werden. Alle neuen Gebäude müssen „solargeeignet“ sein. Das heißt, sie müssen die Möglichkeit bieten, zu einem späteren Zeitpunkt Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen ohne teure strukturelle Veränderungen auf dem Dach zu installieren.

Nachhaltige Mobilitätslösungen mit Vorschriften zur Ladeinfrastruktur, zu Ladestationen für Elektrofahrzeuge und zu Fahrradstellplätzen sind ebenfalls Bestandteil der Richtlinie. An neue und größere Renovierungen von Wohn- und Nichtwohngebäuden werden Vorgaben zu Vorverkabelung und Leerverrohrung der Ladeinfrastruktur sowie zu den Ladepunkten gestellt. Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Hindernisse für die Installation von Ladestationen zu beseitigen, um das Recht auf Ladeinfrastruktur umzusetzen (ausgenommen ernsthafte und gerechtfertigte Gründe sprechen dagegen). Darüber hinaus wird sichergestellt, dass ausreichend Stellplätze für Fahrräder vorhanden sind.

 

Grafik 2 Energieeffizienz

Harmonisierte Energieausweise & Gebäuderenovierungspässe

Der Anteil der erneuerbaren Energien soll in den Energieausweisen sowie Gebäuderenovierungspässen stärker hervorgehoben werden. Der neue Energieausweis umfasst Energieeffizienzklassen von A+ bis G, wobei Klasse A für Nullemissionsgebäude und Klasse G für die ineffizientesten Gebäude steht. Energieausweise sollen in nationalen Datenbanken gespeichert und aggregiert öffentlich zugänglich gemacht werden. Weiters sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis zum 29. Mai 2026 ein System von Renovierungspässen einzuführen. Der Renovierungspass soll für einzelne Gebäude einen Leitfaden darstellen, um diese bis 2050 zu Nullemissionsgebäuden zu verwandeln.

Finanzierung

Für die Umsetzung der Gebäuderenovierungspläne sind erhebliche finanzielle Mittel erforderlich. Die Richtlinie fordert die Mitgliedstaaten auf, geeignete Finanzierungen, Unterstützungsmaßnahmen und andere Instrumente bereitzustellen, um Marktbarrieren zu überwinden und die im nationalen Gebäuderenovierungsplan festgelegten notwendigen Investitionen zu ermöglichen, sodass der Gebäudebestand bis 2050 in Nullemissionsgebäude umgewandelt werden kann.

Zur Finanzierung dieser Transformation sollen finanzielle Instrumente, wie auf Energieeffizienz ausgerichtete Darlehen, Renovierungsfonds oder steuerliche Anreize dienen. Ein besonderes Augenmerk legt die Richtlinie auch auf Schutzvorkehrungen für Mieter, um Zwangsräumungen nach Renovierungen entgegenzuwirken und unverhältnismäßige Mieterhöhungen aufgrund der energetischen Sanierung zu verhindern. Es soll zu einer Kombination von EU- und nationalen Mitteln zur Förderung der Investitionen kommen.

Fazit & Auswirkungen für Banken 

Die überarbeitete Richtlinie verfolgt mit dem vollständig dekarbonisierten Gebäudebestand bis 2050 ein ehrgeiziges Ziel – die nationale Umsetzung in Österreich bleibt abzuwarten. Die Wirtschaftskammer Österreich spricht sich beispielsweise für eine möglichst richtliniengetreue Umsetzung (ohne sog. Goldplating) aus und sieht auch in der Finanzierung eine der wesentlichen Herausforderungen. Gleichzeitig ergibt sich dadurch auch eine Geschäftschance für Banken, an dieser Transformation mitzuwirken. Das Umweltbundesamt errechnet in einer Studie 2022, dass bis 2030 in Österreich 25,7 Mrd. Euro im Gebäudesektor investiert werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen.

Im Idealfall werden die Investitionen der Renovierung durch die Einsparungen der Energie- und Betriebskosten getragen, da erneuerbare Energieträger oft geringe variable Kosten haben. Eine Hypothese ist, dass sich sowohl private als auch gewerbliche Mieter stärker an der Bruttobelastung (inkl. Betriebs- und Energiekosten) orientieren werden und nicht nur an der Netto-/Kaltmiete und daher bereit sein werden, für eine sanierte Wohnung bzw. Büro netto mehr zu zahlen. Mit diesen Mehrerlösen könnten die (Mehr-)Investitionen für die Sanierung bestritten werden. Die Einsparungen durch die Sanierungen kommen insbesondere den Mietern zugute, nicht den Eigentümern (außer bei Selbstnutzung).

Eine große Herausforderung wird daher in Österreich der Altbau sein, der unter die Vollanwendung des Mietrechtsgesetzes (MRG) fällt und der Mietpreisbegrenzung des Richtwerts unterliegt. In Deutschland gibt es beispielsweise schon eigene „Manage-to-Green-Fonds“, bei denen (institutionelle) Investoren bewusst in den unsanierten Gebäudebestand investieren, um diesen zu sanieren. Dies passiert auch deshalb, weil in Deutschland Vermieter pro Jahr bis zu acht Prozent der Sanierungskosten auf den Mieter umlegen dürfen, jedoch maximal drei Euro pro m2 innerhalb von sechs Jahren.

Ein besonderes Augenmerk sollten Banken (insbesondere bei gewerblichen) Immobilienfinanzierungen darauf legen, ob die Immobilien bereits den Anforderungen, welche die EPBD bzw. zukünftig die nationale Umsetzung an diese richtet, erfüllen bzw. wie viele Investitionen notwendig sein werden. Die RLB NÖ-Wien hat beispielsweise diesbezüglich einen eigenen Kredit entwickelt, den „Going Green Kredit Real Estate“, der sich an Unternehmenskunden richtet, die unsanierte Immobilien ankaufen/refinanzieren und transformieren möchten, um den aktuellen Nachhaltigkeitsstandards (insb. den Anforderungen der EU-Taxonomie) zu entsprechen (nähere Infos unter https://www.raiffeisen.at/noew/rlb/de/firmenkunden/finanzieren/going-green-kredit-real-estate.html).

Ob die EPBD zu einer Win-Win-Win-Situation wird, welche das Klima schützt, den Nutzern hilft Energiekosten zu sparen und für Gebäudeeigentümer eine „faire“ Aufteilung der Sanierungskosten bedeutet, wird sich insbesondere in der nationalen Umsetzung zeigen. Ein wichtiger Schritt für einen klimafitten und zukunftstauglichen Gebäudebestand ist sie jedenfalls.

Peter Stellnberger, MSc (WU) ist in der RLB NÖ-Wien in der Finanzierung von großvolumigen gewerblichen Immobilienprojekten in Österreich und im Ausland tätig – mit Fokus auf grüne Transformation. Darüber hinaus ist er Lektor an der FH der Wirtschaftskammer Wien.

01.08.2024 - Sonstiges