Bankenaufsicht anerkennt Südtiroler Raiffeisen IPS

Andreas Mair am Tinkhof, Heft 4/2021

Am 3. November 2020 hat die italienische Aufsichtsbehörde Banca d’Italia das Südtiroler Raiffeisen IPS offiziell als Institutsbezogenes Sicherungssystem (IPS) für Aufsichtszwecke anerkannt. Das Raiffeisen IPS ist somit das erste institutsbezogene Sicherungssystem in Italien überhaupt.

Hintergrund

Im Rahmen der Reform der italienischen Kreditgenossenschaften von 2016 hätten sich die Raiffeisenkassen zu einer Genossenschaftlichen Bankengruppe mit einer Bank-Aktiengesellschaft als Spitzeninstitut zusammenschließen müssen.

Eine Änderung des Reformgesetzes im Dezember 2018 erwirkte eine Sonderregelung für Südtirol und räumte den Raiffeisenkassen die Möglichkeit ein, anstelle einer lokalen Bankengruppe ein institutsbezogenes Sicherungssystem zu gründen.

Dem voraus ging ein zähes Ringen des Raiffeisenverbandes mit der italienischen Regierung und den nationalen Aufsichtsbehörden um einen Weg, der die genossenschaftliche Eigenständigkeit der Raiffeisenkassen aufrechterhält und dem europä­ischen Regelwerk für Banken Rechnung trägt.

Seidl

Neben der Hartnäckigkeit der Akteure erwies sich auch die Stabilität des Raiffeisensek­tors als gewichtiges Argument im Kampf um eine eigenständige Lösung für Südtirol. Die Risikotragfähigkeit der Raiffeisenkassen hob sich deutlich von den Werten auf nationaler Ebene ab. Während in anderen Regionen die notleidenden Risikoexpositionen stark anstiegen, blieben sie bei den Südtiroler Raiffeisenkassen stets auf sehr niedrigem Niveau.

Die Gunst der Stunde genutzt

„Von Beginn der Reform an haben wir uns für einen eigenen Weg der Raiffeisenkassen stark gemacht“, erinnert sich Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes. „Wir mussten uns aber nach der Decke strecken und uns am ‚Möglichen‘ orientieren. Anfangs gelang es uns, eine Südtiroler Bankengruppe im Gesetz zu verankern. Als sich aber im März 2018 die politischen Verhältnisse in Italien änderten, nutzten wir die Gunst der Stunde.  Allen Widerständen zum Trotz hielten wir an der Idee eines institutsbezogenen Sicherungssystems für Südtirol fest und nun haben wir unser Ziel erreicht“, berichtet Gasser nicht ohne Stolz.

Genossenschaft als IPS-Trägerkörperschaft

Das Raiffeisen IPS ist gemäß der Verordnung (EU) 575/2013 als satzungsmäßige Haftungsvereinbarung begründet. Es stellt sicher, dass die Mitgliedinstitute bei Bedarf über Liquidität und Solvenz verfügen, die zur Vermeidung eines Konkurses notwendig sind.

Nachdem weder die Verordnung der EU noch der „Leitfaden zum Ansatz bei der Anerkennung institutsbezogener Sicherungssysteme für Aufsichtszwecke“ der Europä­ischen Zentralbank besondere Vorgaben an das Leitungsgremium eines IPS stellen, haben die Raiffeisenkassen im Juni 2019 eine Genossenschaft, die Raiffeisen IPS Genossenschaft, als Trägerkörperschaft ihres IPS gegründet.

Mit dem Beitritt der 39 Raiffeisenkassen, der Raiffeisen Landesbank AG und der RK Leasing GmbH zur Raiffeisen IPS Genossenschaft wurde die Haftungsvereinbarung, bereits eineinhalb Jahre vor der offiziellen Anerkennung durch die Bankenaufsicht, verwirklicht.

Nach der Anerkennung als IPS müssen von der Raiffeisen IPS Genossenschaft nun eine Reihe von Anforderungen der Aufsichtsbehörde erfüllt werden.

Einrichtung eines Sicherungsfonds

Nach den Vorgaben der EU-Eigenmittelverordnung für Banken muss ein IPS garantieren, jederzeit und unverzüglich seinen Verpflichtungen aus der Haftungsvereinbarung nachkommen zu können.

Dazu richtete die Trägerkörperschaft einen Sicherungsfonds mit sofort verfügbaren Finanzmitteln (ex-ante) und zusätzlichen finanziellen Mitteln ein. Letztere kommen dann zum Einsatz, wenn bei Interventionsmaßnahmen die Ex-ante-Mittel nicht mehr ausreichen sollten.

Die Höhe der Mittel wird auf der Basis von Stresstests ermittelt, also unter Annahme von ungünstigen wirtschaftlichen Szenarios, um dadurch herauszufinden, welcher konkrete Finanzbedarf in einem solchen Falle bestehen könnte.

Der ex-ante-Fonds des Raiffeisen IPS wird bis zum Jahr 2028 stufenweise mit Finanzmitteln in Höhe von insgesamt 92 Mio. Euro ausgestattet. Dieser Betrag entspricht dem in den Leitlinien der EZB erwähnten, angemessenen Mindestbetrag.

Überwachung und Einstufung der Risiken

Die Trägergenossenschaft des IPS muss über geeignete und einheitlich geregelte Systeme für die Überwachung und Einstufung der Risiken verfügen, um einen vollständigen Überblick über die Risikosituation der einzelnen Institute und des IPS zu erhalten.

Hierzu wurde ein von der Aufsichtsbehörde validiertes Scoring-Modell entwickelt, welches jedes IPS-Mitglied einer von vier Risikoklassen zuordnet.  Das Scoring-Modell entspricht den Standards des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP) und berücksichtigt neben externen Benchmarks und der aktuellen Situation am Markt auch die historische Entwicklung der Risiken einer Raiffeisenkasse.

Die Aufsichtsbehörde legt Wert darauf, dass in der Wahlordnung der Raiffeisen IPS Genossenschaft die Kandidatur für den Verwaltungsrat ausschließlich den Vertretern von IPS-Mitgliedern der beiden besten Scoring-Klassen vorbehalten bleibt.

Austritt oder Ausschluss eines IPS-Mitgliedes

Die Aufsichtsbehörde legte außerdem besonderes Augenmerk auf die im Statut der Raiffeisen IPS Genossenschaft vorgesehene Möglichkeit des freiwilligen Austritts bzw. des Ausschlusses. Sowohl Austritt als auch Ausschluss sind im Rahmen der vom Gesetz vorgesehenen Fälle möglich. Ein IPS-Mitglied kann aber auch ausgeschlossen werden, wenn ein Abwicklungsverfahren anhängig ist oder wenn es die mit der Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen nicht erfüllt. 

Gerade was die Bewertung der Nichterfüllung anbelangt, legte die Banca d’Italia dem Raiffeisen IPS nahe, diese mit besonderer Umsicht durchzuführen. Man müsse dabei die Auswirkungen auf das Sicherungssystem als Ganzes sowie auf das einzelne Mitglied berücksichtigen.

Aggregierte Zusammenfassungsrechnung

Zum 31.12.2020 ist die erste Zusammenfassungsrechnung zu erstellen, welche den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 zu den konsolidierten Abschlüssen von Gruppen von Kreditinstituten entsprechen muss.

Die Gleichwertigkeit der aggregierten Zusammenfassungsrechnung muss von einem Abschlussprüfer geprüft werden, dabei muss der Prüfer besonders auf die Mehrfachbelegung von Eigenmitteln und auf die unzulässige Bildung von Eigenmitteln durch Transaktionen zwischen den Mitgliedern achten.

Seit 2021 können Risikopositionen innerhalb des Raiffeisen IPS gemäß Artikel 113, Absatz 7 der CRR mit Null gewichtet werden. Die Ausnahme des Abzugs von Investitionen in Eigenmittelinstrumente nach Artikel 49, Absatz 3 der CRR ist erst nach der Veröffentlichung der aggregierten Zusammenfassungsrechnung und dem Nachweis der Erfüllung der Eigenmittelanforderungen auf konsolidierter Ebene möglich.

Weitere Herausforderungen bewältigen

In der Raiffeisen IPS Genossenschaft stehen nach der Anerkennung durch die Aufsichtsbehörde noch einige operative Herausforderungen an. Dazu gehören unter anderem die Erstellung von Abwicklungsplänen oder die Mindestanforderung an vorzuhaltenden, bail-in-fähigen Verbindlichkeiten (MREL) für den Fall einer Abwicklung.

Desgleichen hat die Banca d’Italia die Erfordernisse für die COREP- und FINREP-Meldungen auf aggregierter Ebene noch nicht definiert.

Erfolgreiches Networking

Die Verantwortlichen des Raiffeisenverbandes und der Raiffeisen IPS Genossenschaft sind sehr zuversichtlich, auch die letzten operativen Hürden problemlos meistern zu können.

„Bei der Verwirklichung unseres IPS waren wir nie allein. Wir konnten auf die konstruktive Zusammenarbeit mit der italienischen Aufsichtsbehörde bauen und auf die Unterstützung unserer Partner im genossenschaftlichen Verbund des In- und Auslandes zählen“, unterstreicht Alexander Gasser, Obmann der Raiffeisen IPS Genossenschaft.

Eine tragende Rolle spielte dabei der Österreichische Raiffeisenverband, der wertvolle Hilfe bei der Ausarbeitung des umfangreichen Dokumentenpakets für das Anerkennungsverfahren leistete.

Andreas Mair am Tinkhof leitet den Bereich Schutz & Förderung des Genossenschaftswesens im Raiffeisenverband Südtirol.

01.04.2021 - Raiffeisen International