"Werden unseren Weg konsequent weitergehen"
Vorstandsvorsitzender Dr. Johann Strobl, Heft 2/2020
Seit fast drei Jahren steht Johann Strobl an der Spitze der Raiffeisen Bank International. In diesem Zeitraum haben sich die Gewinne der Bank trotz schwieriger Umstände auf hohem Niveau gefestigt. Lesen Sie in unserem Interview mit Johann Strobl über Erfolge und Herausforderungen, das ewige Lernen als Unternehmenswert sowie die langfristigen Ziele für das Zentralinstitut.
Sehr geehrter Herr Generaldirektor, seit Anfang 2017 sind Sie CEO der Raiffeisen Bank International AG (RBI). Da ist es durchaus legitim, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Wo sehen Sie die größten Erfolge der RBI in den ersten drei Jahren Ihrer Tätigkeit als CEO?
Mit dem Verkauf unseres Kernbankgeschäfts in Polen im Jahr 2018 haben wir unser Transformationsprogramm, das wir im Februar 2015 angekündigt haben, erfolgreich abgeschlossen. Unsere Bank verfügt über eine gute Kapitalausstattung, eine gute Ertragssituation, ein qualitativ hochwertiges Kreditportfolio und eine niedrige NPE-Quote. Für diese Transformationsleistung hat uns das renommierte Fachmagazin Euromoney im Jahr 2018 mit einem Preis für die weltweit beste Banktransformation ausgezeichnet. Wir haben es selbst in der Hand, die Zukunft unserer Bank zu gestalten und können unseren Fokus voll auf unsere Kunden richten. Unsere Kapitalausstattung eröffnet uns den Spielraum zu selektivem Wachstum. Dieses wird zunehmend über die digitalen Kanäle generiert. Deshalb haben wir uns für Kooperationen mit Fintechs geöffnet, stärken unsere interne Innovationskraft und entwickeln die RBI hin zu einer adaptiven Organisation. Wir haben als Team in den vergangenen drei Jahren viel erreicht, dürfen uns aber auf diesen Erfolgen nicht ausruhen. Wir werden unseren Weg konsequent weitergehen.
Gab es auch Punkte, die nicht so gelaufen sind, wie Sie sich das vorgestellt haben und wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Raiffeisen Bank International in der nächsten Zeit?
Die Entwicklung unseres Aktienkurses kann uns sicher nicht zufrieden stimmen. Es ist uns noch nicht ausreichend gelungen, den Marktteilnehmern den wahren Wert der RBI zu vermitteln. Das liegt auch an äußeren Bedingungen, die wir nicht beeinflussen können, wie etwa die angespannten Beziehungen zwischen dem Westen und Russland. Aber wir wollen unseren Teil zu einer besseren Kursentwicklung beitragen und arbeiten deshalb intensiv daran, unsere Equity Story zu schärfen. Was die Herausforderungen betrifft: Wir müssen einerseits die notwendigen Investitionen in Richtung Digitalisierung vornehmen und andererseits bei den Kosten diszipliniert bleiben, um weiterhin preislich wettbewerbsfähig zu sein. Das erfordert einen Spagat, der nicht immer einfach ist und unseren Mitarbeitern Kraft kostet.
Die Raiffeisen Bank International ist gerade dabei, die internen Abläufe zu optimieren, die Organisation agiler zu machen und allfällige Synergien zu heben. Bis wann wird das so genannte Projekt TOM abgeschlossen sein?
Die Analysephase ist bereits abgeschlossen. Jetzt geht es darum, die in der Analysephase erarbeiteten Maßnahmen konsequent umzusetzen, um die gewünschten Prozessoptimierungen und Effizienzgewinne zu erzielen. In einigen Vorstandsbereichen ist damit bereits 2019 begonnen worden. Die Fortschritte werden kontinuierlich überwacht werden. Spätestens Ende 2020 soll das Projekt abgeschlossen sein. Wir werden aber auch nach dem Projektabschluss unsere Prozesse und Strukturen regelmäßig analysieren und verbessern.
Ist es nach wie vor das Ziel, die Cost-to-Income-Ratio in den nächsten Jahren auf 55% zu senken?
Ja, wir möchten dieses Ziel bis 2021 erreichen. Es ist das ehrgeizigste Ziel, das wir uns gesetzt haben. Wir müssen dazu unsere Erträge steigern und gleichzeitig die Kosten konstant halten. Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt leider für Gegenwind auf der Ertragsseite. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen, denn ich sehe in den mittel- und osteuropäischen Ländern nach wie vor Spielraum, um unsere Erträge zu steigern. Gleichzeitig müssen wir auf der Kostenseite sehr diszipliniert bleiben.
Können Sie trotz aller börserechtlichen Einschränkungen schon einen Vorgeschmack auf das Jahresergebnis 2019 geben?
Das darf ich leider nicht. Ich kann nur auf die ersten neun Monate des vergangenen Jahres verweisen. Die sind sehr ordentlich gelaufen. Wir haben ein Konzernergebnis von 874 Millionen Euro erwirtschaftet. Am 6. Februar veröffentlichen wir dann unser vorläufiges Ergebnis für 2019. Bis dahin müssen Sie sich noch gedulden.
Die Raiffeisen Bank International versucht in den unterschiedlichsten Feldern, neue Wege zu gehen. So wurde der Elevator Lab, eine FinTech-Plattform geschaffen. Im Geldwäschebereich wurde das digitale e-KYC-Programm umgesetzt, das den Kunden viele Zwischenschritte erspart. Und zuletzt war die RBI als erste österreichische Bank an einer digitalen Handelstransaktion beteiligt. Inwieweit lernt die Bank durch diese neuen Aktivitäten dazu?
Lernen ist einer der Unternehmenswerte der RBI. Wir leben in einer Zeit, die durch immer kürzere Innovationszyklen gekennzeichnet ist. Wir dürfen nie aufhören, dazuzulernen. Dabei helfen der Austausch und die Zusammenarbeit mit jungen Start-ups enorm. Und wir müssen innerhalb der Raiffeisen Bank International noch stärker voneinander lernen. Wir haben so viel Wissen in unserem Konzern, das wir noch besser teilen müssen.
Sie haben in der Vergangenheit gesagt, dass sich die Bank künftig unter anderem auch durch Zukäufe stärken wird, wenn der Preis und das Umfeld stimmen. Ist das aktuell bei allfälligen Übernahmekandidaten der Fall?
Das muss von Fall zu Fall entschieden werden. Unsere bevorzugte Wachstumsoption ist organisches Wachstum und wir haben in den vergangenen beiden Jahren auch unter Beweis gestellt, dass uns das gelingt. Sollten wir zukaufen, muss wirklich alles passen. Zurzeit sind in Mittel- und Osteuropa einige Banken am Markt. Wir schauen uns alle potentiellen Übernahmeziele genau an, werden aber mit Sicherheit nicht überall mitbieten.
Wie entwickeln sich aktuell die einzelnen Länder, in denen die Raiffeisen Bank International aktiv ist?
Wir erwarten für alle unsere Märkte für die kommenden beiden Jahren ein positives Wirtschaftswachstum. In den meisten Fällen wird es deutlich über dem Wachstum der Eurozone liegen. In dem einen oder anderen Land würde ich mir mehr Strukturreformen wünschen. Insgesamt können wir mit der Entwicklung unserer Märkte in Mittel- und Osteuropa sehr zufrieden sein.
Die politischen Risiken in den einzelnen Ländern werden nicht weniger. In Rumänien war eine so genannte "Giersteuer" im Gespräch, die Slowakei will die Bankensteuer erhöhen und einzelne Urteile zu Fremdwährungskrediten erhöhen nicht unbedingt die Rechtssicherheit. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen?
Die so genannte „Giersteuer“ ist in Rumänien zum Glück in der geplanten Form vom Tisch. Ich halte überhaupt nichts von Sondersteuern auf einzelne Wirtschaftssektoren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir in einem Zeitalter des politischen Populismus leben, nicht nur in Mittel- und Osteuropa, sondern auch im Westen. Wenn Sie sich die größten Risiken für die Konjunktur anschauen, dann kommen die meisten aus der Politik: Handelskriege, der Brexit, geopolitische Krisen. Wir Banken sind gewohnt, mit wirtschaftlichen Risiken umzugehen. Wir müssen lernen, auch mit politischen Risiken umzugehen.
Bei Ihrem Antritt haben Sie angekündigt zu analysieren, wie man Frauen noch besser fördern könnte. Wissen Sie schon, wie man Frauen in der RBI leichter an die Spitze bringen kann?
Wir haben in der RBI viele gute Frauen auf der so genannten B-2-Ebene. Das ist die Ebene, die zwei Stufen unter dem Vorstand angesiedelt ist. Aber wir haben zu wenig Frauen, die es von der B-2-Ebene auf die B-1-Ebene schaffen. Das liegt nicht daran, dass in den Auswahlgremien zu wenig Frauen vertreten wären. Wir haben zu wenig Frauen, die sich von einer B-2 auf eine B-1-Position bewerben. Wir sind dabei, die Gründe dafür herauszufinden, um entsprechend gegensteuern zu können. Unsere neue Leiterin des HR-Bereichs ist eine ausgewiesene Expertin in Sachen Change- und Diversitätsmanagement. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir deutliche Fortschritte hinsichtlich der Diversität machen werden.
Welche Ziele nehmen Sie sich für die nächsten Jahre persönlich und für die Raiffeisen Bank International vor?
Wir haben uns für 2025 ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Wir wollen der am häufigsten empfohlene Finanzdienstleister sein. Den Weg zu diesem Ziel zeigt uns die „Strategische Roadmap“ auf, die wir 2019 entwickelt haben. Die Strategische Roadmap soll einerseits als einheitliches Strategieumsetzungsinstrument für die Raiffeisen Bank International und einzelne Netzwerkbanken und andererseits als Orientierung für alle RBI-Mitarbeiter dienen. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass wir auf der strategischen Roadmap vorankommen und unser Ziel erreichen. Ich freue mich auf diese spannende Aufgabe.
Vielen Dank für das Gespräch.