Erfolgreiche Fusion in schwierigen Zeiten

Andreas Harner, Prof. Dr. Anton Schmoll, Heft 10/2021

In der deutschen Genossenschaftsgruppe besteht seit längerer Zeit der Trend zu größeren Einheiten. So sind auch im Gebiet links und rechts des Rheins in den letzten Jahren größere Volksbanken entstanden. Für die VR Bank Neuwied-Linz eG gab es die Option, sich einem der größeren Häuser anzuschließen oder selbst initiativ zu werden. Ein Erfahrungsbericht über die Fusion zur VR Bank Rhein-Mosel eG.

Ein Blick in die Bilanzen der beiden Institute belegte, dass unmittelbar keine Notwendigkeit für eine Fusion gegeben war. Bei beiden Häusern handelte es sich um kerngesunde, erfolgreiche und eigenkapitalstarke Banken, die seit Generationen fest in ihren Regionen verwurzelt sind. Doch ganz im Sinne von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der propagierte „Was einer nicht schafft, das vermögen viele…“, beschloss man, die Kräfte zu bündeln, um gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft zu gehen.

Gruber
© Dieter Steinbach
Nefischer
© Dieter Steinbach

Die Geschäftsgebiete der beiden Banken grenzten aneinander und im Geschäftsstellennetz  gab es keine Überschneidungen der Standorte. Außerdem war die geschäftspolitische Ausrichtung beider Häuser sehr ähnlich. Dies bot eine gute Basis, um über eine erfolgreiche Verschmelzung als Partner auf Augenhöhe nachzudenken.

Eine größere Einheit schafft die Voraussetzungen, um Synergie- und Skaleneffekte zu nutzen (economies of scale), um damit komplexe Themen gemeinsam zu stemmen. Mindestens ebenso wichtig war das Ziel, mit der neuen Bank eine höhere Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit am Markt zu erreichen (economies of scope). Dabei sah man große Chancen, die vorhandenen Potenziale in beiden Geschäftsgebieten gemeinsam zu nutzen (z.B. durch Vergabe größerer Kreditengagements).

Rasche Klärung der Grundsatzfragen

Ende 2018 hatten die Vorstände beider Häuser die erste Kontaktaufnahme. Im Frühjahr 2019 wurden dann erste konkrete Sondierungsgespräche geführt und die Option für einen gemeinsamen Weg zu einer starken Genossenschaftsbank in der Region Rhein-Mosel geprüft.

Bereits in einer frühen Phase wurden wichtige Grundsatzentscheidungen geklärt. Dies ist beim Zusammengehen von gleichberechtigten Partnern besonders wichtig. Übernehmendes Institut war die etwas größere VR-BANK Neuwied-Linz eG. Die Hauptstelle und der juristische Sitz der neuen Bank sollte daher das Raiffeisen FinanzCenter in Neuwied sein. Um die regionale Verbundenheit zu dokumentieren, sollte die neue Bank unter der Bezeichnung "VR Bank Rhein Mosel eG" firmieren.

Der Vorstand der neuen Bank setzt sich aus den bisherigen Vorstandsmitgliedern der beiden Fusionspartner zusammen. Da ein Vorstand Ende 2020 in den Ruhestand eintrat, wird die Bank aktuell von drei Vorstandsmitgliedern geführt. Der Sprecher des Vorstands stammt aus der ehemaligen VR-BANK Neuwied-Linz. Dafür kommt der Vorsitzende des Aufsichtsrates aus der ehemaligen VR Bank Rhein-Mosel. Dieses Gremium setzt sich zu gleichen Teilen aus Mitgliedern der beiden Institute zusammen.

Das gemeinsame Fundament errichten

Status Check
Ausgangspunkt war ein umfassender Status-Check, den die Vorstände vor dem Treffen für ihr Haus vornahmen. Dabei ging es sowohl um eine bankexterne Marktanalyse (z.B. Kundenstruktur, Marktanteile), als auch um eine interne Unternehmensanalyse (z.B. Kostenstruktur). Auf diese Weise wurde die spezifische Ausgangssituation der beiden Häuser transparent. Sehr offen wurden die jeweiligen Stärken und Schwächen der Institute analysiert und bewertet.

Die aus den Einzelbankanalysen gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Basis, um die Fusionsauswirkungen in den wichtigsten Bereichen (z.B. Organisation; Personal) zu beleuchten und die Chancen und Risken der neuen Bank kritisch herauszuarbeiten.

Strategisches Zielbild
Bereits Konfuzius hatte einst festgestellt: „Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu schmieden“. Das Herzstück einer erfolgreichen Fusion bilden zweifelsohne eine gemeinsam formulierte Vision sowie ein klares strategisches Zielbild. Ausgangspunkt bei der Visionsentwicklung war die Frage: „Worauf sind wir stolz, wenn die Kunden in fünf Jahren über die neue Bank sagen…“ In den Diskussionsrunden wurde sehr rasch deutlich, dass es zwischen den Vorständen der beiden Häuser sehr viele gemeinsame Sichtweisen gab. So war es auch nicht schwierig, zum Selbstverständnis der gemeinsamen Bank sowie zu wesentlichen strategischen Stoßrichtungen eine einheitliche Meinung zu entwickeln.

Marktbearbeitungskonzept
Aufbauend auf dem strategischen Zielbild definierte der Vorstand die strategischen Stoßrichtungen, die für die Ausrichtung der neuen Bank am Markt besonders erfolgsentscheidend waren. Auf dieser Basis wurden jene Handlungsfelder identifiziert, die die Umsetzung der strategischen Ziele unterstützen sollen. Dabei ging es beispielsweise um die Festlegung der Kernzielgruppen, die Ausgestaltung der Vertriebswege sowie um die grundsätzliche Realisierung der Digitalisierungsstrategie.

Durch unterschiedliche Grade der Marktdurchdringung in den einzelnen Geschäftsgebieten ergeben sich vielfältige Marktchancen. Sowohl die Kompetenzbündelung als auch ein Konzept zur Neukundengewinnung sollen zu einer spürbaren Erhöhung der Vertriebsschlagkraft führen.

Gezielter Kommunikations-Mix

In allen Phasen des Fusionsprozesses wurde auf eine breit angelegte Kommunikation geachtet. Mit einer umfassenden Informationsstrategie sollten die Beweggründe für das Zusammengehen sowie die geplanten Schritte zur neuen Bank verständlich erläutert werden. Ziel war es, dass alle Betroffenen die Informationen rasch aus erster Hand erhielten. Damit wollte man von Anbeginn an Gerüchte und Unsicherheiten zerstreuen. Um dies zu erreichen, gab es sowohl für die jeweils bankinterne als auch für die externe Informationsstrategie ein klares Kommunikationskonzept. Damit wollte man vermitteln, dass dieses Projekt für alle einen Mehrwert stiftet; neben der betriebswirtschaftlichen Bankperspektive sollten vor allem die Chancen für die Kunden und für die Mitarbeiter klar herausgearbeitet werden.

Bankintern

Wie bei fast allen Fusionsprojekten war auch bei diesem Vorhaben am Beginn bei den Mitarbeitern Skepsis und teilweise Unsicherheit spürbar. Durch die Fusion soll ja eine spürbare Effizienzsteigerung erreicht werden. Durch das Zusammenlegen von Funktionen werden daher in verschiedenen Bereichen zukünftig weniger Mitarbeiter benötigt, was interne Verschiebungen mit sich bringt. Gleichzeitig geht es im Vertrieb auch um das Entdecken neuer Geschäftsmöglichkeiten und das Finden neuer Wege zur Ausschöpfung der Kundenpotenziale.

Ortswechsel für manche Mitarbeiter oder neue Vorgesetzte führen zwangsläufig zu spürbaren Veränderungen für die Mitarbeiter. Und zwar nicht nur in der Organisation und bei den Abläufen – sondern auch in der Unternehmens- und Führungskultur. Diese sich abzeichnenden veränderten Rahmenbedingungen führten bei manchen Mitarbeitern am Beginn zu Verunsicherungen.

In Mitarbeiterveranstaltungen wurden daher grundsätzliche Fragen wie

·         „Warum wird eine Fusion angestrebt?“

·         „Was bedeutet das für unsere Bank?“

·         „Welche Auswirkungen hat das für uns Mitarbeiter?“

ausführlich diskutiert. Dadurch ist es gelungen, den Mitarbeitern die drastisch veränderten Umfeldbedingungen und damit die Sinnhaftigkeit der Fusion klar vor Augen zu führen.

Von Anbeginn an wurde klargestellt, dass es keine fusionsbedingten Kündigung geben wird. Gleichzeitig wurde deutlich gemacht, dass durch die Fusion die Attraktivität als zukunftssicherer Arbeitgeber gesteigert wird. Für die Mitarbeiter in beiden Häusern ergeben sich neue Perspektiven und Chancen. Eine größere Bank bietet mehr Möglichkeiten zur beruflichen Spezialisierung und zu umfassenden Weiterbildungsmöglichkeiten.

Bankextern

Organe
Wie bereits erwähnt, beruht das Fusionsprojekt auf der Basis von genossenschaftlichen Werten. Wobei bei den Genossenschaftsbanken die Mitgliederverpflichtung im Mittelpunkt steht. Denn die Mitglieder und ihre Vertreter können als Teilhaber der Bank den Kurs des Instituts aktiv mitbestimmen. Daher wurden sämtliche strategische Grundsatzfragen der Verschmelzung stets mit dem Aufsichtsrat der beiden Institute abgestimmt.

Daneben wurde ein umfassender Kommunikations-Mix entwickelt, um die Mitglieder und Kunden umfassend zu informieren:

Homepage
Als zentraler Informationskanal gab es auf den Homepages der beiden Häuser eine eigene Rubrik „Fusion“. Dort wurden neben dem Überblick zu den Zahlen und dem Geschäftsgebiet der neuen Bank ständig aktualisierte Hintergrundinformationen zu den Zielen und Auswirkungen der Fusion bekanntgegeben. In der Rubrik „Fragen und Antworten“ wurden Informationen zu wesentlichen Neuerungen (z.B. Änderungen bei der Kontonummer, bei Verträgen usw.) vermittelt. Abgerundet wurde dieser Bereich durch aktuelle Presseartikel rund um die Fusion.

Unter dem Motto „Zukunft gestalten. Gemeinsam für die Region“ wurde eine eigene Broschüre herausgegeben, in der die neue Bank vorgestellt wird. In Interviews erläutern die Vorstandsmitglieder die Chancen der neuen Bank sowie die Vorteile für Kunden und Mitarbeiter.

Mitgliederveranstaltungen
Die hier skizzierten Medien sind wichtige Elemente der Kommunikationspolitik, können aber den persönlichen Dialog nicht ersetzen. Daher wurden im Februar 2020 die Mitgliedervertreter zu regionalen Informationsveranstaltungen eingeladen, an denen jeweils die Vorstände teilgenommen haben.

In den Veranstaltungen konnten sich die Teilnehmer selbst ein Bild von beiden VR-Banken machen. Zunächst wurden die (zufriedenstellenden) Ergebnisse 2019 beider Häuser vorgestellt. Damit wurde deutlich, dass für eine gemeinsame Zukunft eine sehr gute Ausgangslage gegeben war. Ebenso erhielten die Vertreter Einblicke in das zukünftige gemeinsame Geschäftsgebiet, die Zusammensetzung der zukünftigen Vertreterversammlung, des Aufsichtsrates und des Vorstandes.

Schließlich wurde herausgearbeitet, wie durch die Bündelung der Kräfte die Weichen für eine gemeinsame erfolgreiche Zukunft gestellt werden können.

Mit jenen (wenigen) Vertretern, die sich kritisch oder negativ zur Verschmelzung geäußert hatten, wurden Einzelgespräche geführt, um sie von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens zu überzeugen. Das war zwar zeitaufwendig, aber zweifelsohne eine sehr zielführende Initiative wie das spätere Abstimmungsergebnis zeigen sollte.

Nutzen für die Kunden
„Kundenzufriedenheit“, „Nähe zum Kunden“ und „Regionalität“ waren für beide Häuser seit jeher zentrale Eckpfeiler ihrer Geschäftsphilosophie. Das sollte sich durch die Fusion keinesfalls ändern. Im Gegenteil: Eine größere Bank bietet die Möglichkeiten, die Beratungsqualität weiter zu steigern und neue Services anzubieten. „Kundennähe“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dem Kunden dort zu begegnen, wo er gerade ist. Damit ergibt sich eine zweifache Definition:

Die Präsenz vor Ort soll auch nach der Fusion erhalten bleiben. Beide Institute verfügen über ein dichtes Filialnetz, welches allerdings im Hinblick auf das geänderte Kundenverhalten regelmäßig analysiert und optimiert werden soll. Da beide Partner keine Doppelpräsenzen an einem Ort haben, werden durch die Fusion keine Filialen geschlossen. Zentrales Ziel ist es, die persönliche Betreuung der Privat- und Firmenkunden in den Regionen mit hoher Qualität zu garantieren. Die Größe der neuen Bank ermöglicht größere Kreditvergaben, weitreichende Kompetenzen und damit schnellere Entscheidungen vor Ort.

Die historischen Abstimmungen brachten sensationelle Ergebnisse: Sowohl in der Vertreterversammlung der VR-BANK Neuwied-Linz als auch in jener der VR-Bank Rhein-Mosel stimmten jeweils 100% der anwesenden Vertreter der Verschmelzung zu! Es gab weder Enthaltungen noch Gegenstimmen. „Insgesamt 200 Prozent“,  ein eindrucksvoller Beweis für die Identifikation mit dem Projekt einer Fusion auf Augenhöhe.

Dieses Ergebnis war aber auch eine sichtbare Anerkennung für das sehr gut vorbereitete Fusionsprojekt sowie für die umfassende und ehrliche Kommunikationspolitik beider Häuser.

Durch die Beschlüsse der Vertreterversammlungen im Juli 2020 entstand die Bank, wie bei Fusionen üblich rückwirkend, zum 01.01.2020. Die technische Fusion erfolgte im September des letzten Jahres.

Auf Kurs

Wichtig war, dass es während des Fusionsprozesses nicht zu einer „Innenorientierung“ kam und der Markt vernachlässigt wird. Dieses Ziel konnte vollumfänglich erreicht werden. So wurden beispielsweise gleich nach der technischen Fusion im letzten Jahr die neuen Kontomodelle sowie das sog. „Hausbankmodell“ mit Erfolg eingeführt. Die Kunden können nun unter verschiedenen Kontopaketen (z.B. „Klassik“, „Premium“, „Plus“ usw.) auswählen. Im Rahmen des Vorteilsprogramms "Meine Bank - mein VoRteil" kann ein bestimmter „Hausbankstatus“ erreicht werden. Je mehr Produkte der Kunde nutzt, desto mehr Sterne sammelt er für verschiedene Vergünstigungen.

Auch sonst ist die neue Bank „auf Kurs“: So konnte das neue Institut im Jahr 2020 seine Bilanzsumme um 9 Prozent auf 1,7 Mrd. EURO steigern. Damit befindet sich die jetzige Bank von der Größe her nun auf Platz 150 im oberen Drittel der Dt. Volks- und Raiffeisenbanken. Das betreute Kreditvolumen erhöhte sich im letzten Jahr um 3 Prozent und das Kundenanlagevolumen um 7 Prozent. Und das Wichtigste: Die neue VR Bank schreibt trotz schwieriger Umfeldbedingungen gute Zahlen. Es wird mit einem Jahresüberschuss auf Vorjahresniveau gerechnet, womit der ohnehin schon überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalanteil weiter gestärkt werden kann.

Somit kann man abschließend feststellen: Die neue Bank geht sturmfest in die Zukunft und ist fit für die kommenden Herausforderungen. Getreu dem neuen Motto der Gruppe „Morgen kann kommen“.

Andreas Harner ist Vorstandssprecher der Volks- und Raiffeisenbank Rhein-Mosel eG.

Prof. Dr. Anton Schmoll ist Lektor an der Fachhochschule für Bank- und Finanzwirtschaft Wien und Dozent an der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG).

01.11.2021 - Genossenschaften