Immobilienfinanzierungen und leistbares Wohnen – Quo vadis?
Dr. Thomas Schmatzberger, LL.M. (Heft 12/2024)
In der Bauwirtschaft jagt eine Negativmeldung die andere. Die Branche wird sich auch 2024 in einer Rezession befinden. Um wieder Auftragswachstum in diesem Wirtschaftszweig generieren zu können, benötigt es mehr denn je Finanzierungsmöglichkeiten. Ohne leistungsfähige Banken wird die Trendwende daher auch nicht gelingen. Damit einher geht auch die Frage, wie leistbares Wohnen für die österreichische Bevölkerung sichergestellt werden kann. Vor diesem Hintergrund soll im vorliegenden Beitrag zum einen die derzeitige Flut an regulatorischen Maßnahmen im Bereich der Immobilienfinanzierung einer kritischen Würdigung unterzogen und zum anderen konkrete Vorschläge für leistbaren Wohnraum unterbreitet werden.
Machen wir uns nichts vor: Die ökonomische Situation in der Republik Österreich sah schon mal besser aus. Nach den Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) wird Österreich auch 2024 in der inzwischen längsten Rezession der Nachkriegszeit verharren. Unser Land fällt in den Rankings der wettbewerbsfähigsten Standorte sukzessive zurück und gilt inzwischen als neuer „kranker Mann Europas“.
Die Bauwirtschaft ist von dieser schlimmen Entwicklung besonders negativ betroffen. Nach den jüngsten Schätzungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) wird es 2024 in der Baubranche als ein zentraler Wirtschaftszweig für die Volkswirtschaft mit -3,5 % zu einem noch stärkeren realen Wertschöpfungseinbruch als in den Vorjahren kommen.
Die Lage am Finanzierungsmarkt
Außer Streit steht, dass das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft insbesondere auch von einer stetigen Kreditversorgung von Unternehmen und privaten Haushalten zu bestmöglichen Konditionen abhängt. Ein Mangel an Finanzierungen blockiert Investitionen und wirkt sich toxisch auf das Wirtschaftswachstum aus.
Die aktuellen Österreich-Ergebnisse der Umfrage über das Kreditgeschäft im Euroraum (sog. Bank Lending Survey) der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) vom Oktober 2024 sprechen im Bereich der Unternehmenskredite eine mehr als deutliche Sprache. Der seit dem vierten Quartal 2022 bestehende Abwärtstrend bei der Nachfrage nach Unternehmenskrediten setzte sich im dritten Quartal 2024 fort. Im Bereich der privaten Wohnbaufinanzierung sei laut OeNB das historische Tief der Nachfrageentwicklung des Jahres seit Anfang 2024 zwar durchschritten worden. Nichtsdestotrotz befindet sich diese nach wie vor auf einem sehr bescheidenen Niveau.
Vor diesem Hintergrund ist – auf die nun näher einzugehende – Vielzahl an bankaufsichtsbehördlichen Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Immobilienfinanzierung, aus volkswirtschaftlicher und regulatorischer Perspektive sehr kritisch zu beurteilen. Denn klar ist: Ohne eine leistungsfähige Kreditwirtschaft als starken Partner kann es keinen Trendumschwung zur Bewältigung der derzeitigen wirtschaftlichen Misere geben.
Wohnimmobilien
Bei der privaten Wohnimmobilienfinanzierung hinterlässt die seit August 2022 in Kraft stehende Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungs-maßnahmen-Verordnung (KIM-V) der FMA ihre Spuren. Die (weitere) Existenzberechtigung des Regelwerks ist aus mannigfaltigen Gründen in Zweifel zu ziehen.
Insbesondere durch die mehrmalige Anhebung des EZB-Leitzinses seit Juli 2022, des immensen Anstiegs der Baukosten sowie der hohen Energie- und Lebenshaltungskosten ist die Situation am Immobilienmarkt seit Inkrafttreten der KIM-V inzwischen eine gänzlich andere als noch vor dem Sommer 2022. Die genannten veränderten Rahmenbedingungen haben zu einer Trendwende bei Fremdkapitalfinanzierungen von privaten Wohnimmobilien geführt, womit inzwischen auch kein dynamisches Preis- und Kreditwachstum bei Wohnimmobilien (Immobilienblase) vorliegt. Das systemische Risiko aus Fremdkapitalfinanzierungen von Immobilien mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität hat sich somit ganz erheblich verringert.
Zusätzlich sorgen die Bestimmungen des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes (HIKrG) und Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) für eine noch sorgfältigere Kreditvergabe nach strengen Vorgaben. Zudem sind im privaten Wohnimmobiliensegment weiterhin stabile Ausfallsquoten (sog Non-Performing Loans, NPL-Quoten) auf niedrigem Niveau gegeben.
Die KIM-V ist noch bis 30. Juni 2025 in Geltung. Von einer Verlängerung sollte aus den angeführten Gründen Abstand genommen werden. Seitens der Aufsicht könnte man es ja auch als Erfolg werten, wenn eine regulatorische Maßnahme nicht länger vonnöten ist.
Gewerbeimmobilien
Auch im Bereich der Gewerbeimmobilienfinanzierung herrscht ein reges aufsichtsbehördliches Wirken. So hat das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) im Oktober 2024 den Beschluss zur Verhängung eines sog. sektoralen Systemrisikopuffers für Gewerbeimmobilienfinanzierungen in der Höhe von 1 % gefasst. Die Anforderung soll ab dem 1. Juli 2025 zu erfüllen sein (zu dieser neuen Pufferanforderung siehe im Detail Schwaiger, Gewerbliche Immobilienfinanzierung in Österreich, Raiffeisenblatt 11/2024).
Doch damit nicht genug. Im Zuge des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (sog. Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) werden bestimmten Banken für Gewerbeimmobilienfinanzierungen in anderen Bundesländern Eigenmittelzuschläge auferlegt. Auch die heuer seitens der EZB beschlossene Überarbeitung der SREP-Methodik wird ab Mitte 2025 eher zu einer Erhöhung der Kapitalanforderungen führen als umgekehrt.
Basel IV und bestehende Kapitalpuffer
Bei der Verhängung von Aufsichtsmaßnahmen darf ferner nicht unberücksichtigt bleiben, dass mit dem Inkrafttreten des neuen „Basel IV“-Regimes bei der Immobilienfinanzierung im Kreditrisiko-Standardansatz ab 1.1.2025 ohnedies höhere Risikogewichte als bisher zur Anwendung gelangen.
Maßgeblich wird hier zukünftig die sog. Exposure To Value (ETV)-Kennzahl sein. Für deren Ermittlung wird die Bruttorisikoposition durch den Immobilienwert dividiert. Je nach Höhe der ETV (je niedriger, desto besser) kommt bei Wohnimmobilienfinanzierungen ein Risikogewicht von 30 % bis zu 105 % zur Anwendung. Im Vergleich zum bisherigen Risikogewicht von 35 % zeichnet zeichnet sich in vielen Fällen eine beträchtliche Erhöhung ab. Das gleiche Bild zeigt sich bei den zukünftigen Risikogewichten bei durch Gewerbeimmobilien besicherten Risikopositionen. Je nach ETV soll ein Risikogewicht von 70 %, 90 % oder 110 % angesetzt werden. Somit zeigt sich auch hier eine signifikante Erhöhung im Vergleich zum Status Quo (50 %).
Spezielle Regelungen gibt es darüber hinaus für Risikopositionen aus Grunderwerb, Erschließung und Bau gegenüber Unternehmen oder Zweckgesellschaften, die den Grunderwerb für Erschließungs- und Bauzwecke finanzieren oder die die Erschließung und den Bau von Wohn- oder Gewerbeimmobilien finanzieren (sog. Acquisition, Development, Construction, ADC Risikopositionen). Bei dieser Nachfolgebestimmung zur bisherigen sog. spekulativen Immobilienfinanzierung ist ein Risikogewicht von 150 % vorgesehen. Nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen (bestimmter Anteil an Eigenmitteln und rechtsverbindlichen Vorverkaufs- oder Vormietverträgen) kann ein 100 %-iges Risikogewicht zur Anwendung gelangen. Verschärft werden durch „Basel IV“ auch die Anforderungen an die Überwachung des Immobilienwerts und die Immobilienbewertung.
Zusätzlich beabsichtigt die FMA, den sog. CRR-Hard-Test abzuschaffen. Der Hard-Test ermöglicht die vergünstigte Eigenmittelanforderung bei Immobilienfinanzierungen, sofern bestimmte jährliche Verlustquoten nicht überschritten werden. So ist zB. in Deutschland seitens der zuständigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) keine Abschaffung des Hard-Tests geplant. Der deutsche Bankenmarkt ist dem österreichischen mit seinen vielen kleineren und mittelgroßen Instituten sehr ähnlich. Der Wegfall des Hard-Tests würde daher auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht voll durchschlagen.
Des Weiteren bestehen schon an anderer Stelle zusätzliche Vorgaben im Bereich der Kapitalpuffer. Größere Institute müssen einen Puffer für national systemrelevante Institute (sog. O-SII Puffer) und einen allgemeinen Systemrisikopuffer halten. Ferner darf auch der von allen Banken zu erfüllende Kapitalerhaltungspuffer in der Höhe von 2,5 % der RWA nicht unter den Tisch fallen, der die allgemeine Verlustabsorptionsfähigkeit der Banken noch weiter verbessert.
In der Zusammenschau all dieser Anforderungen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass gerade im Bereich der Immobilienfinanzierungen Risiken doppelt und dreifach abzusichern sein sollen.
Wirtschafts- und Finanzstandort Österreich
Diese aufsichtsbehördliche „Gürtel plus Hosenträger“-Methode bleibt aber nicht ohne Folgen. Dieser bunte Strauß an Aufsichtsmaßnahmen hat beträchtliche negative Auswirkungen auf die Immobilienfinanzierungen und damit auch auf den ökonomischen Wachstumspfad. Unter all den angeführten bankaufsichtsrechtlichen und -behördlichen Maßnahmen leidet die notwendige Kreditvergabefähigkeit der Banken, ohne die es in Österreich keine Investitionen, Innovationen und folglich auch kein Wirtschaftswachstum geben wird. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen Europa heute konfrontiert ist, werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aber enormes Kapital erfordern.
Die Verhängung von aufsichtsrechtlichen Vorschriften für Banken darf daher nie die gesamtwirtschaftliche Komponente der Auswirkungen für den Wirtschafts- und Finanzstandort Österreich und die wettbewerbsrechtlichen Implikationen für die heimischen Kreditinstitute außer Acht lassen. Bedauerlicherweise scheint dieser Aspekt in der derzeitigen Diskussion oftmals zu kurz zu kommen. Das sollte sich ändern.
Erforderliche Initiativen für leistbares Wohnen
Im Zusammenhang mit den Vorgaben zur Immobilienfinanzierung drängt sich auch die Frage auf, wie leistbares Wohnen für die österreichische Bevölkerung zukünftig sichergestellt werden kann, zumal es in den nächsten Jahren eine beträchtliche Nachfrage nach zusätzlichem (leistbarem) Wohnraum geben wird. Diese Entwicklung vermag auch nicht zu überraschen: Die Baubewilligungen haben sich innerhalb der letzten vier Jahre halbiert, während die Bevölkerungszahl stetig wächst. Nach aktuellen Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) fehlen allein in Wien bis zum Jahr 2030 rund 110.000 Wohnungen. Dies entspricht einer Größenordnung von 10.000 Wohnungen pro Jahr nur in der Bundeshauptstadt.
Es bedarf also zukünftig zahlreicher Initiativen, um Impulse zur Schaffung von Wohneigentum zu setzen. Einzelne Stimmen aus der Bauwirtschaft gaben kürzlich bereits enttäuscht medial zu Protokoll, dass die im Frühjahr 2024 beschlossene Wohnbaumilliarde der Bundesregierung nahezu ohne Wirkung geblieben sei.
Die nächste Bundesregierung sollte daher folgendes Wohnbaupaket schnüren:
- Abschaffung der Grunderwerbsteuer für das erste Eigenheim bei Hauptwohnsitz;
- dauerhafte Abschaffung der Grundbuchseintragungs- und Pfandrechtseintragungsgebühr für das erste Eigenheim (Hauptwohnsitz). Die befristete Befreiung für 2 Jahre bis Mitte 2026 bis 500.000 Euro war hier ein positiver Schritt in die richtige Richtung;
- zusätzliche Wohnbauoffensiven in den Bundesländern;
- steuerliche Absetzbarkeit von Kreditraten bei Wohnbaufinanzierungen für Hauptwohnsitze;
- Anhebung der Bausparprämie;
- Reparatur der Regelung zur Vorfälligkeitsentschädigung bei der Rückzahlung von Wohnimmobilienkrediten mit fixer Verzinsung in Anlehnung an die deutsche Rechtslage.
Darüber hinaus sind auch unbürokratischere und raschere Genehmigungsverfahren für Immobilienprojekte dringend erforderlich.
Dr. Thomas Schmatzberger, LL.M. ist Mitarbeiter im Fachverband der Raiffeisenbanken.