Erwartungen an den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken
RA Mag. Miriam Broucek, RA Dr. Bernd Fletzberger (Heft 11/2021)
Der Klimawandel stellt die Weltwirtschaft vor große Herausforderungen. Auch Banken sind gefordert, ihre Geschäftsmodelle, ihr Produktangebot und ihr Risikomanagement nachhaltiger1 auszurichten. Nicht zuletzt sollen auf diese Weise Kapitalflüsse von Anlegern stärker in nachhaltige Investitionen gelenkt werden. Handlungsbedarf besteht aber auch deshalb, da die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken stärker in den Fokus der Aufsicht gerückt ist.
Bedeutung von Nachhaltigkeitsrisiken für Banken
Europäische und nationale Aufseher befürchten durch das Eintreten von Ereignissen in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren eine wesentliche negative Beeinflussung auf die Performance von Vermögenswerten, auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und auf die Reputation von Banken.
Die EZB hat Klimarisiken als wesentlichen Risikofaktor für das Bankensystem des Euroraums ausgemacht. Dementsprechend wurden von den europäischen und nationalen Aufsichtsinstitutionen bereits zahlreiche regulatorische Vorhaben wie etwa neue Berichterstattungsregeln, Klima-Stresstests und potenzielle zusätzliche Kapitalanforderungen in Aussicht gestellt.
Vorhaben und Erwartungen der Aufsicht
Der EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken
Die EZB hat im November 2020 einen Leitfaden für Banken zu Klima- und Umweltrisiken veröffentlicht, aus dem hervorgeht, wie Banken im Euroraum nach Ansicht der EZB Klima- und Umweltrisiken umsichtig steuern und transparent offenlegen sollen.2 Dazu hat die EZB die Banken aufgefordert, im Laufe des Jahres 2021 eine Selbsteinschätzung durchzuführen und entsprechende Maßnahmenpläne zu erarbeiten. Die EZB wird diese Pläne bewerten und im Rahmen des aufsichtlichen Dialoges hinterfragen. Für 2022 hat sich die EZB vorgenommen, neben der Durchführung eines Klima-Stresstestes die Verfahren der Banken hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten einer eingehenden aufsichtlichen Überprüfung zu unterziehen und, sofern nötig, konkrete aufsichtliche Folgemaßnahmen zu ergreifen. Der EZB-Leitfaden richtet sich in erster Linie an von der EZB direkt beaufsichtigte bedeutende Institute und ist nicht rechtsverbindlich. Die EZB erwartet sich jedoch, dass auch weniger bedeutende Institute den Leitfaden berücksichtigen, und ruft die nationalen Aufsichtsbehörden dazu auf, die von ihr formulierten Erwartungen bei der Beaufsichtigung aller Banken zu beachten.
Der FMA Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken
Die FMA hat im Juli 2020 (noch vor dem EZB-Leitfaden) selbst einen umfassenden Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht,3 der Banken eine Orientierungshilfe bieten und auf die regulatorischen Entwicklungen vorbereiten soll (der „FMA-Leitfaden“). Schließlich ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren auch prüfungsrelevante Vorgaben in Umsetzung von nationalen oder europäischen Verordnungen, Richtlinien und Leitlinien auf die beaufsichtigten Banken zukommen werden. Auch der FMA-Leitfaden ist nicht rechtsverbindlich, die FMA wird die darin formulierten Ausführungen jedoch in ihrer Aufsichtstätigkeit und unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Maßstab anlegen. Die BaFin hat im Übrigen im Dezember 2019 für Deutschland ebenfalls ein ausführliches Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht, das zahlreiche anschauliche Beispiele für die praktische Anwendung bietet.4
Der FMA-Leitfaden adressiert nicht nur die Verankerung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Risikokultur von Banken, sondern auch den Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen bei der Ausgestaltung der Unternehmensstrategie, der internen Governance sowie der Berichterstattung. Zudem will der FMA-Leitfaden ein gemeinsames Grundverständnis sicherstellen, indem er einen Überblick über die gängigen Begrifflichkeiten, maßgeblichen Rechtsgrundlagen und politischen Hintergründe gibt.
Die FMA sieht die Verantwortung für die Implementierung von Strategien zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken bei der Geschäftsleitung begründet. Die Geschäftsleitung sollte sich daher ein umfassendes Verständnis darüber, wie sich Nachhaltigkeitsrisiken konkret auf das Unternehmen und sein Geschäftsfeld auswirken, aneignen und eine entsprechende Verantwortungszuteilung in der bestehenden Organisationsstruktur vornehmen. Dabei sollte auch sichergestellt werden, dass die Auseinandersetzung mit den Nachhaltigkeitsrisiken in angemessener Weise dokumentiert ist. Es könnte dabei auch eine Möglichkeit sein, bestimmte anerkannte externe Nachhaltigkeitsstandards freiwillig einzuhalten – so hat etwa die RBI im Februar 2021 die UN Principles for Responsible Banking5 unterzeichnet. Im Sinne einer Vorbildfunktion und einer gelebten Risikokultur erwartet die Aufsicht, dass die Geschäftsleitung „mit gutem Beispiel vorangeht“.
Nachhaltigkeitsrisiken sollten im Rahmen der bestehenden Risikokategorien (u. a. Kredit-, Markt-, Liquiditäts- und operationelle Risiken) berücksichtigt und in das bestehende Risikomanagement integriert werden. Alle Risikoarten beinhalten nämlich einen gewissen Bezug zu Nachhaltigkeitsrisiken: Ein Beispiel für eine Auswirkung im Kreditrisiko wäre etwa, wenn eine Bank einen Kredit an ein Unternehmen vergibt, dessen Geschäftsmodell aufgrund einer CO2-Steuer wesentlich beeinträchtigt sein würde. Ein Beispiel für eine Auswirkung im strategischen Risiko wäre es, dass eine auf die Finanzierung im Montanbereich spezialisierte Bank künftig ihre Geschäftsbasis verlieren könnte. In diesem Zusammenhang ist eine robuste Datenlage Grundvoraussetzung, weshalb die FMA darauf hinweist, dass es erforderlich sein wird, nachhaltigkeitsbezogene Informationen abzufragen. Dieses Erfordernis stellt alle Banken praktisch noch vor erhebliche Herausforderungen.
Das Risikomanagement sollte die Geschäftsleitung regelmäßig im Rahmen der regulären Berichterstattung sowie anlassbezogen über Nachhaltigkeitsrisiken informieren. Weiters sollte der Risikomanagementansatz zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen der Säule 3-Offenlegung beschrieben und auf den Prozess zur Beurteilung der Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsrisiken für das Unternehmen eingegangen werden. Diese erweiterte Transparenz kann für Banken auch die Gelegenheit bieten, gegenüber Kunden aktiv mit dem Einsatz für mehr Nachhaltigkeit zu werben.
Dem FMA-Leitfaden sind zudem zwei umfangreiche Annexe angeschlossen:
- Annex A enthält eine demonstrative Aufzählung von Good Practices im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Eine effektive Strategie zur Risikosteuerung wäre demnach der Ausschluss oder die Limitierung von nachhaltigkeitsrisikobehafteten Vermögenswerten im Portfolio bzw. der strategisch geplante Ausstieg aus umwelt- und klimaschädlichen Veranlagungen. Eine positive Ergänzung wäre es zudem, bewusst in Vermögenswerte zu investieren, die geringe Nachhaltigkeitsrisiken aufweisen.
- Annex B listet Informationsquellen zu Nachhaltigkeitsaspekten auf, wie etwa Tools zur Portfolioanalyse und Leitfäden zur praktischen Implementierung in das Risikomanagementsystem.
Aufsichtliche Überprüfung des Umgangs mit Nachhaltigkeitsrisiken
Die FMA hat im Rahmen ihrer Aufsichts- und Prüfungsschwerpunkte für das Jahr 2021 angekündigt, die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in Risikomanagement, Strategie und Governance von beaufsichtigten Banken zu beurteilen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Klimarisiken, da deren methodische Berücksichtigung aktuell im Fokus der Debatte liegt. Die FMA beurteilt weiters, ob beaufsichtigte Unternehmen einen der Art und dem Umfang der Geschäftstätigkeit angemessenen und konsistenten Ansatz zur Berichterstattung über Nachhaltigkeitsrisiken entwickeln, stetig anwenden und regelmäßig aktualisieren. Die FMA wird diese Aspekte im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses („SREP“) entsprechend in Managementgesprächen adressieren.
Zunächst stehen für die Aufsicht also die Banksteuerung, das Risikomanagement und die Governance von beaufsichtigten Banken im Vordergrund. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA hat in ihrem im Juni 2021 veröffentlichen Bericht zum Management und zur regulatorischen Beaufsichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken 6 festgehalten, dass der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken jedenfalls im Rahmen des SREP Berücksichtigung finden und stufenweise auch in die Beurteilung der Kapitaladäquanz mit einfließen sollte. Die aufsichtliche Bewertung sollte dabei über den üblichen Zeitrahmen hinausgehen, um die Zuverlässigkeit der Bewertung zu erhöhen. Inwieweit und wann es schrittweise zu einer Berücksichtigung in den Säule 1- und Säule 2-Kapitalanforderungen kommen könnte, ist aber derzeit noch völlig offen.
Conclusio
Wie die obenstehenden Ausführungen zeigen, verlangt die FMA bereits jetzt eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema und der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in allen Bereichen von Banken. Es ist daher ratsam, Nachhaltigkeitsrisiken ganz oben auf die Agenda zu setzen. Auch wenn dies eine Reihe mühsamer Anpassungen impliziert – eine gut positionierte Kreditwirtschaft kann nicht zuletzt auch einen wichtigen Beitrag dazu leisten, adäquat auf die Herausforderungen des Klimawandels für unsere Gesellschaften zu reagieren.
RA Mag. Miriam Broucek ist Rechtsanwältin und RA Dr. Bernd Fletzberger ist Partner der auf Finanzmarktrecht spezialisierten Kanzlei PFR Rechtsanwälte (www.pfr.at).
1 Aufbauend auf dem ESG-Ansatz, der sich als Standard auch in der Finanzbranche etabliert hat, umfasst die Begrifflichkeit „Nachhaltigkeit“ drei Verantwortungsbereiche, nämlich „environment“ (Umwelt- und Klimaschutz), „social“ (soziale Aspekte wie Arbeitssicherheit und gesellschaftliches Engagement) und „governance“ (Unternehmenswerte, Aufsichtsstrukturen).
2 Der EZB-Leitfaden wurde in der Ausgabe 10/2021 des Raiffeisenblattes im Detail behandelt.
3 Download unter https://www.fma.gv.at/fma/fma-leitfaeden/.
4 Download unter https://www.bafin.de/dok/13412782.
5 Die Principles können unter https://www.unepfi.org/banking/bankingprinciples/ eingesehen werden.
6 Der Bericht kann unter https://www.eba.europa.eu/eba-publishes-its-report-management-and-supervision-esg-risks-credit-institutions-and-investment eingesehen werden.