Vorschlag der EU-Kommission zur Umsetzung von "Basel IV"
Dr. Johannes Rehulka,
Dr. Thomas Schmatzberger, LL.M. (Heft 11/2021)
Ende Oktober 2021 hat die Europäische Kommission ihren Legislativvorschlag zur Umsetzung des „Basel IV“-Standards des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht in europäisches Recht veröffentlicht, welcher seitens der europäischen Kreditwirtschaft mit großer Spannung erwartet wurde. Und das nicht ohne Grund: Auf Basis von Anpassungen der Kapitaladäquanz-Verordnung („CRR III“) werden insbesondere die Regelungen zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko überarbeitet. Flankierend werden in der Kapitaladäquanz-Richtlinie („CRD VI“) neue Befugnisse der zuständigen Aufsichtsbehörden vorgesehen und ein verstärktes Augenmerk auf sog. „ESG“-Risiken gelegt. Der Kommissionsvorschlag sieht somit umfassende Neuerungen in wesentlichen Bereichen des Bankaufsichtsrechts vor, die im folgenden Artikel näher dargestellt werden sollen. Die intensiven Bemühungen des Fachverbandes der Raiffeisenbanken haben dabei erste Früchte getragen.
1. Hintergrund
Der Veröffentlichung des Legislativvorschlags der EU-Kommission geht ein langer Entstehungsprozess voraus. Erinnern wir uns zurück: Bereits Ende 2014 hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) einen ersten Begutachtungsentwurf zur Überarbeitung des bisherigen Regelwerks zur Bemessung des Kreditrisikos veröffentlicht, der auf massive Kritik der europäischen Kreditwirtschaft gestoßen ist. Den Verbesserungsvorschlägen der Bankenbranche Rechnung tragend, präsentierte der BCBS im Dezember ein überarbeitetes Konsultationspapier zu diesem Regelungsvorhaben, das ebenfalls inhaltliche Kritik der betroffenen Kreditinstitute zur Folge hatte.
Der Beschlussfassung des finalen Standards des BCBS zum Kreditrisiko-Standardansatz für die Bemessung des Kreditrisikos (sog. „Basel IV“-Standard) im Dezember 2017 sind somit jahrelange, kontrovers geführte Debatten zwischen dem Basler Ausschuss, der EU-Kommission, der europäischen Kreditwirtschaft und den Aufsichtsbehörden vorausgegangen. Im Anschluss an diese Beschlussfassung war die EU-Kommission an der Reihe, den Basel IV-Standard in europäisches Recht umzusetzen. Ein entsprechender Legislativvorschlag der EU-Kommission sollte bereits 2019 vorliegen. Nicht zuletzt aufgrund der COVID-19- Pandemie kam es jedoch immer wieder zu Verzögerungen, bis letztlich im Oktober 2021 der Kommissionsvorschlag veröffentlicht wurde. Zuletzt hatte der Fachverband der Raiffeisenbanken in einem intensiven Austausch mit der EU-Kommission und über den Europäischen Verband der Genossenschaftsbanken EACB die besonderen Interessen der Raiffeisenbanken eingebracht.
2. Zielsetzung
Das Legislativpaket der Kommission verfolgt im Wesentlichen die Zielsetzung, das risikobasierte Rahmenwerk der Eigenmittelanforderungen beim Kreditrisiko zu überarbeiten, um eine Erhöhung der Risikosensitivität des Kreditrisiko-Standardansatzes (sog. „KSA“) sicherzustellen. Nach Angaben der EU-Kommission wird diese Reform aber nicht dazu führen, dass der Eigenmittelbedarf der Banken signifikant erhöht wird. Den Aspekt einer (nicht) beträchtlichen Erhöhung der Kapitalanforderungen werden wir später noch näher beleuchten, zumal man hier durchaus unterschiedlicher Auffassung sein kann.
Zudem soll auf Basis des Vorschlags im Aufsichtsrecht ein verstärkter Fokus auf Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (sog. „ESG“-Risiken) liegen. Ebenso ist eine weitere Harmonierung von bestehenden Aufsichtsinstrumenten sowie eine Ausweitung der Befugnisse der Aufsichtsbehörden in bestimmten Bereichen vorgesehen. Darüber hinaus soll durch eine Reduzierung der Kosten bei den Offenlegungspflichten das Proportionalitätsprinzip im Aufsichtsrecht weiter gestärkt werden.
3. Die wesentlichsten Neuerungen im Überblick
Im Folgenden sollen die für die Raiffeisenbanken wichtigsten Eckpunkte des neuen Regelwerks dargestellt werden. Beginnen wir mit den Anpassungen in der CRR im Hinblick auf den Standardansatz zur Ermittlung des Kreditrisikos, bevor wir uns den Änderungen in der CRD zuwenden.
Beteiligungen
Aufgrund der Vorgaben des Basler Ausschusses werden die Risikogewichte von Beteiligungen grundsätzlich von 100 % auf 250 % erhöht, sofern die Beteiligung nicht vom Eigenkapital abgezogen wird. Diese Regelung zur Erhöhung der Risikosensitivität für diese Positionsklasse gilt sowohl für Beteiligungen an Banken als auch für jene an Nicht-Finanzunternehmen.
Nach jahrelangen, intensiven Bemühungen auf europäischer und nationaler Ebene konnte von uns erreicht werden, dass in dezentralen Sektoren Beteiligungen innerhalb eines institutsbezogenen Sicherungssystems („IPS“) zukünftig weiterhin mit 100 % risikogewichtet werden können. Diese Regelung ist für IPS-Mitgliedsbanken umso erfreulicher, als der „Basel IV“-Standard Ausnahmen von der Anhebung des Risikogewichts für bestimmte Beteiligungen gar nicht vorsieht.
Bei bestehenden Beteiligungen kann das 100 %-Risikogewicht nach dem Vorschlag der EU-Kommission weiterhin angewendet werden, wenn diese seit 6 Jahren gehalten werden und durch diese ein maßgeblicher Einfluss bei diesen Unternehmen im Sinne der Bilanz-RL gegeben ist. Ein maßgeblicher Einfluss auf ein anderes Unternehmen liegt nach der Bilanz-RL insbesondere dann vor, wenn ein Unternehmen mindestens 20 % der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter des anderen Unternehmens besitzt. Allerdings kann auch eine geringere Beteiligung eine maßgebliche Beteiligung ausmachen, wenn ein entsprechender Einfluss nachgewiesen werden kann (etwa das Recht zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitgliedes). Mit dieser Sonderregelung ist es gelungen, ein spezifisches Anliegen bestimmter Raiffeisenlandesbanken im Vorschlag der EU-Kommission unterzubringen, das andere Banken in Europa nicht in vergleichbarer Weise trifft.
Für bestehende Beteiligungen, welche vom niedrigeren 100 %-Risikogewicht nicht erfasst sind, soll es beginnend mit 1. Jänner 2025 außerdem nur eine fünfjährige, stufenweise Anhebung des Risikogewichts geben, das erst ab dem 1. Jänner 2030 250 % betragen soll.
Investments in nicht börsenotierte Unternehmen (Risikokapital), die kurzfristig und für die Zwecke des Wiederverkaufs und des Kapitalzuwachses gehalten werden, sind mit 400% zu gewichten. Diese Art von Beteiligungen wird als besonders riskant angesehen. Das mag schon stimmen. Klar ist aber auch, dass diese Maßnahme keinen Anreiz zur Investition in junge Unternehmen („Start ups“) darstellt. Deswegen sollen diese Beteiligungen, wenn sie langfristig gehalten werden, „nur“ mit 250 % gewichtet werden. Die EU-Kommission sieht eine Behaltedauer von mindestens 3 Jahren als langfristig an.
Auch jene Kreditinstitute, die ihre Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko anhand interner Modelle berechnen (sog. „IRB-Banken“), haben ihre Beteiligungen in Zukunft nach den vorgegebenen Risikogewichten des Kreditrisiko-Standardansatzes zu beurteilen.
Retailfinanzierungen
Forderung gegenüber kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) oder natürlichen Personen (Retail) können, sofern bestimmte weitere Kriterien erfüllt sind (die Risikoposition ist eine von vielen mit ähnlichen Merkmalen sowie Anforderungen an das Risikomanagement), nach den Vorstellungen der EU-Kommission weiterhin mit 75 % gewichtet werden.
Das im Basler Papier vorgesehene sog. Granularitätskriterium, wonach die Beibehaltung des begünstigten Risikogewichts für KMU der Einschränkung unterliegt, dass keine einzelne Retailforderung mehr als 0,2 % des Gesamtportfolios aller Retailforderungen ausmachen darf, ist im Legislativvorschlag der EU-Kommission nicht übernommen worden. Die Umsetzung eines verpflichtenden Granularitätskriteriums hätte insbesondere kleine Banken mit einem entsprechend kleinerem Retailportfolio ungerechtfertigt benachteiligt.
Die EU-Kommission hat daher eine der zentralen Forderungen von jenen europäischen Bankengruppen aufgegriffen, denen überwiegend kleinere Regionalbanken angehören.
Als europäisches Spezifikum unverändert beibehalten wird der sog. KMU-Faktor, der bei dieser Forderungsklasse unter bestimmten Voraussetzungen risikomindernd zusätzlich zur Anwendung gelangen kann.
Immobilienfinanzierungen
Auch bei mit Hypotheken besicherten Finanzierungen von Immobilien stehen weitreichende Änderungen bei der Höhe der Risikogewichte und bei der Systematik zu deren Ermittlung ins Haus. Es werden hier auch neue Definitionen eingeführt, wie zB jene der „einkommensproduzierenden Immobilie“, die für die Ermittlung des korrekten Risikogewichts der Forderung wesentlich ist. Unter einer „einkommensproduzierenden Immobilie“ wird eine Wohn- oder Gewerbeimmobilie verstanden, bei der die Rückzahlung des Kredits von dem mit der Immobilie erwirtschafteten Geld (sog. Cashflow) abhängt.
Des Weiteren soll für die Ermittlung des Risikogewichts bei Immobilienfinanzierungen in bestimmten Konstellationen die sog. „Exposure to Value“ („ETV“) Kennzahl („Ratio“) maßgeblich sein. Für dessen Berechnung wird die Bruttorisikoposition durch den Wert der Immobilie dividiert.
Angepasst werden auch die Anforderungen an die Überwachung des Immobilienwerts und die Immobilienbewertung. So wird zB vorgesehen, dass der als Sicherheit anerkannte Immobilienwert den Durchschnittswert (Mittelwert) dieser Immobilie oder den Wert einer vergleichbaren Immobilie in den letzten drei Jahren bei Gewerbeimmobilien bzw. in den letzten sechs Jahren bei Wohnimmobilien nicht übersteigen darf. Zur Förderung des Nachhaltigkeitsaspekts stellt die Kommission hier aber auch klar, dass Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz der Immobilie wertsteigernd berücksichtigt werden können.
Dies vorausgeschickt, gelangen wir nun zur Vorgehensweise zur Ermittlung des korrekten Risikogewichts bei durch Wohn- und Gewerbeimmobilien besicherten Risikopositionen. Das erweist sich im Zuge der Analyse des Rechtstexts als alles andere als einfach, da der Kommissionsvorschlag hier komplexe Verweisketten zwischen einzelnen Bestimmungen vorsieht. Nähern wir uns diesem Thema somit Schritt für Schritt an und beginnen wir bei den Wohnimmobilien.
Die Bestimmung des Risikogewichts bei Wohnimmobilien hängt hier in einem ersten Schritt davon ab, ob die Wohnimmobilie bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Dazu zählen, ob die Wohnimmobilie zur Gänze fertiggestellt ist oder sich diese in der Errichtungsphase befindet (und alle behördlichen Baugenehmigungen vorliegen) oder ob es sich um eine land- oder forstwirtschaftliche Fläche handelt. Zudem muss sichergestellt sein, dass das Pfandrecht der Bank im ersten Rang besteht, der Immobilienwert nicht wesentlich von der Kreditqualität des Schuldners abhängig ist und dass entsprechende Dokumentationserfordernisse und auch die bereits erwähnten Anforderungen an die Immobilienbewertung erfüllt werden.
Werden diese Kriterien nicht erfüllt, wird danach unterschieden, ob die Wohnimmobilie einkommensproduzierend ist oder nicht. Trifft ersteres zu, dann ist ein Risikogewicht von 150 % anzusetzen, im zweiten Fall ist die Risikogewichtung der Gegenpartei anwendbar.
Liegen die genannten Voraussetzungen vor, soll in einem zweiten Schritt überprüft werden, ob die Wohnimmobilie noch zusätzliche Kriterien erfüllt. So muss die Wohnimmobilie insbesondere den Hauptwohnsitz des Schuldners begründen oder die Kreditforderung gegenüber einer natürlichen Person bestehen und dieses durch eine einkommensproduzierende Wohneinheit besichert werden. Falls auch diese Bedingungen erfüllt werden, soll das sog. „Loan Splitting“ zulässig sein. Dabei kann jener Teil des Exposures, der bis zu 55 % des Liegenschaftswerts beträgt, mit 20 % risikogewichtet werden. Für den restlichen Teil der Forderung (sofern es einen gibt) soll das Risikogewicht der Gegenpartei Anwendung finden.
Falls diese zusätzlichen Kriterien aber nicht erfüllt werden, soll für die Ansetzung des Risikogewichts die bereits erwähnte ETV-Ratio maßgeblich sein. Je nach Höhe der ETV sollen Risikogewichte zwischen 30 % und 105 % zur Anwendung gelangen.
Es besteht hier aber eine Art Hintertür, von der ETV-Kennzahl abzugehen und das „Loan Splitting“ anzuwenden. Dies soll dann möglich sein, wenn bestimmte Ausfallsraten bei durch Wohnimmobilien besicherten Risikopositionen nicht überschritten werden. Maßgebend sollen hier die von den zuständigen Behörden veröffentlichten Daten für den nationalen Immobilienmarkt sein.
Sehen wir uns nun die Ermittlung des Risikogewichts bei Gewerbeimmobilien an, die auf einer ähnlichen Systematik wie im Falle von Wohnimmobilien basiert. Auch hier ist in einem ersten Schritt zu evaluieren, ob es sich um eine fertiggestellte Immobilie oder um eine land- oder forstwirtschaftliche Fläche handelt sowie ob ein Pfandrecht im ersten Rang etc. besteht.
Wenn diese Kriterien nicht gegeben sind, muss geprüft werden, ob die Gewerbeimmobilie einkommensproduzierend ist (dann 150 %-
Risikogewicht) oder nicht (Risikogewicht der Gegenpartei).
Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, so wird auch hier danach unterschieden, ob die Gewerbeimmobilie Einkommen produziert oder nicht.
Bei nicht einkommensproduzierenden Gewerbeimmobilien kann jener Teil des Exposures, der bis zu 55% des Liegenschaftswerts beträgt, mit 60 % risikogewichtet werden. Für den restlichen Teil der Forderung (sofern es einen gibt) soll das Risikogewicht der Gegenpartei Anwendung finden.
Bei einkommensproduzierenden Gewerbeimmobilien bewegen sich die Risikogewichte je nach Höhe der ETV-Ratio zwischen 70 % und
110 %. Aber auch hier besteht die Möglichkeit zur Anwendung des Loan Splittings, wenn – auf Basis der von der Aufsicht veröffentlichten Daten zum österreichischen Immobilienmarkt – bestimmte Ausfallsraten nicht überschritten werden.
Fremdwährungskredite
Forderungen aus Fremdwährungskrediten (der Schuldner bezieht sein Einkommen in einer anderen Währung als der Kreditwährung) sind nach Ansicht der Kommission mit höherem Risiko behaftet. Aus diesem Grund sollen Risikogewichte aus diesen Kreditforderungen gegenüber natürlichen Personen mit einem Multiplikator von 1,5 vervielfacht werden. Die Obergrenze soll hier bei einem Risikogewicht von 150 % liegen.
Nach derzeitiger Rechtslage ist der CRR eine Sonderregelung für Fremdwährungskredite fremd. Umso erforderlicher wird es für die folgenden Verhandlungen sein, im „Basel IV“-Entwurf der Kommission eine angemessene Übergangsbestimmung für bestehende Fremdwährungsexposures vorzusehen. Auf diese Notwendigkeit werden wir den europäischen Gesetzgeber hinweisen, zumal bei dieser neuen Risikopositionsklasse die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers unberücksichtigt bleibt und eine pauschale Bestrafung von Fremdwährungsfinanzierungen erfolgt.
Forderungen gegenüber Unternehmen
Bei dieser Risikopositionsklasse kommt es im Kreditrisiko-Standardansatz – wie schon bisher – darauf an, ob für das Unternehmen eine Bonitätsbeurteilung durch eine externe Ratingagentur (zB Moody’s, Fitch, Euler-Hermes etc.) vorliegt oder nicht.
Wenn ein Rating des Unternehmens vorliegt, sind Risikogewichte von 20 % bis 150 % vorgesehen, was schon bisher in der CRR der Fall war. Eine Verbesserung zum Status Quo ist bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Rating vorgesehen, bei denen das Risikogewicht statt bisher 100 % zukünftig nur noch 75 % betragen soll.
Risikopositionen, für die keine externe Bonitätsbeurteilung vorliegt, sind mit 100 % zu gewichten. Dieser Ansatz entspricht dem geltenden Recht.
Forderungen gegenüber Banken
Forderungen innerhalb eines institutsbezogenen Sicherungssystems sind auch weiterhin mit 0 % zu gewichten. Auch bei Forderungen gegenüber Banken ist außerhalb eines institutsbezogenen Sicherungssystems für die Ansetzung des korrekten Risikogewichts die Existenz eines externen Ratings ausschlaggebend. Sofern es ein Rating gibt, betragen die Risikogewichte zwischen 20 % und 150 %. Diese Bandbreite entspricht der derzeitigen Fassung der CRR, zukünftig ist jedoch ein etwas niedrigeres Risikogewicht für Banken mit guter Bonität vorgesehen (30% statt 50%).
Niedrigere Risikogewichte sind für Forderungen gegenüber Instituten mit einer ursprünglichen Laufzeit von bis zu drei Monaten vorgesehen.
Sofern kein Rating vorliegt, wird das Risikogewicht anhand der Einordnung in drei Qualitätsstufen („Grades“) bestimmt, die sich an der Finanz- und Solvenzlage des anderen Instituts (insb. Ausstattung mit hartem Kernkapital, Höhe der Verschuldungsquote) orientieren.
Die Risikogewichte betragen auch hier – je nach Laufzeit der Forderung und der zu ermittelnden Qualitätsstufe – bestenfalls 20 % und schlimmstenfalls 150 %.
Die im Rahmen der Ermittlung der Qualitätsstufe verpflichtend durchzuführende „Due Diligence“-Prüfung soll auf Basis bereits geltender Vorgaben erfolgen, wonach die Kreditvergabe nach soliden, klar definierten Kriterien erfolgen soll und die Institute über interne Methoden verfügen, anhand deren sie das Kreditrisiko sowohl für einzelne Schuldner als auch für das gesamte Portfolio bewerten können. Diese internen Methoden dürfen sich insbesondere nicht ausschließlich oder automatisch auf externe Bonitätsbeurteilungen stützen.
Neuerungen bei der Anwendung von internen Modellen
Kaum ein Thema wurde im Vorfeld der Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags zur “Basel IV“-Umsetzung jahrelang so heftig und kontrovers diskutiert wie jenes zum sog. „Output-Floor“. Was steckt hinter diesem technischen Begriff? All jene – in der Regel größere – Institute, die interne Modelle zur Berechnung des Kreditrisikos verwenden, müssen zukünftig einen gewissen Prozentsatz an Eigenmitteln für das Kreditrisiko vorhalten, der sich im Falle der Anwendung des Kreditrisiko-Standardansatzes ergeben würde. Dieser Prozentsatz soll anfangs 50 % und nach Ablauf der Übergangsfrist 72,5 % betragen.
Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die heftigen Diskussionen. Der „Output-Floor“ ist für Großbanken, die mit ihren internen Modellen zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko bisher – beschönigend formuliert – keinen allzu strengen Ansatz verfolgt haben, der mit Abstand größte Treiber für zusätzliche teure Kapitalerfordernisse.
Abschließend kann im Hinblick auf die überarbeiteten Regelungen zum Kreditrisiko auf Basis der CRR festgehalten werden, dass sich die Kommission unübersehbar an den Vorgaben des „Basel IV“-Standards des Basler Ausschusses orientiert hat.
Offenlegung
Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Proportionalität) Rechnung zu tragen, sollen bei den Offenlegungspflichten der CRR Erleichterungen insbesondere für kleine und nicht-komplexe Banken umgesetzt werden. Im Speziellen ist hier geplant, dass die EBA durch Veröffentlichung auf deren Homepage für kleine und nicht komplexe Banken die Offenlegung von Daten und Informationen übernimmt, die bereits auf der Grundlage der Meldepflichten der CRR an die Aufsichtsbehörden gemeldet wurden.
Eine Einschränkung erfahren diese Entlastungen bei der Offenlegung aber durch die Verpflichtung, dass künftig alle Institute zur Offenlegung von „ESG“-Risiken angehalten sein sollen. Bei kleinen und nicht-komplexen Banken soll dies jährlich, bei allen anderen Instituten halbjährlich erfolgen.
Eine solche Maßnahme konterkariert offenkundig die unterstützenswerte Absicht der EU-Kommission zur Entlastung kleiner und nicht-komplexer Banken von Offenlegungsanforderungen und sollte daher zurückgenommen werden. In diesem Zusammenhang sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass alle Banken zukünftig auch Meldungen zu Exposures in Bezug auf ESG-Risiken an die zuständigen Aufsichtsbehörden vornehmen müssen.
Nach diesem „Best of“ zur CRR, werfen wir nun einen Blick auf die Neuerungen der CRD, die weit weniger umfangreich und unspektakulärer ausfallen.
Erweiterung aufsichtsrechtlicher und -behördlicher Befugnisse
Nach Ansicht der EU-Kommission bestünden derzeit keine ausreichenden Möglichkeiten zur aufsichtsrechtlichen Überwachung bestimmter Transaktionen (zB im Falle einer wesentlichen Übertragung von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten), weshalb den nationalen zuständigen Behörden (NCAs) und der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesem Bereich zusätzliche Informations- und Interventionsbefugnisse eingeräumt werden sollen.
Durch das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU hat die Tätigkeit von Kreditinstitutsgruppen aus Drittländern im EU-Binnenmarkt eine neue Dimension erreicht. Die derzeit unzureichenden Kompetenzen der Aufsichtsbehörden zur Überwachung der Tätigkeit von Zweigstellen von Banken aus Drittländern (insb. Vereinigtes Königreich, China und USA) stellen nach Auffassung der EU-Kommission eine Gefahr für die Finanzstabilität in der EU dar.
Vor diesem Hintergrund werden für in der EU ansässige Zweigstellen von Drittlandinstituten Minimalanforderungen hinsichtlich Zulassung, Kapitalausstattung, Liquidität und interner Governance vorgesehen.
Verhängung von Verwaltungsstrafen
Auch im Bereich des Sanktionsregimes sieht der Kommissionsentwurf zur Überarbeitung der CRD neue verwaltungsstrafrechtliche Instrumente für die zuständigen Aufsichtsbehörden vor. Durch die Möglichkeit der Verhängung von wiederkehrenden Strafzahlungen (sog. „periodic penalty payments“) sollen fortgesetzte Rechtsverletzungen bestraft werden, um die betroffenen Institute zur (Wieder-)Herstellung des rechtskonformen Zustands zu zwingen.
Verstärkte Berücksichtigung von ESG-Risiken
Wie in der CRR hinsichtlich Offenlegung und Reporting, rücken auch im Regelwerk der CRD ESG-Risiken verstärkt in den aufsichtsrechtlichen Fokus, da diese laut EU-Kommission weitreichende Auswirkungen auf die Institute und die Finanzmarktstabilität als Ganzes haben können. Umgesetzt wird dieses Vorhaben durch ein Bündel an Maßnahmen.
Zum einen wird explizit festgelegt, dass kurz-, mittel- und langfristige ESG-Risiken in den institutsbezogenen Strategien und Prozessen zur Ermittlung der internen Kapitalanforderungen (sog. „ICAAP“) berücksichtigt werden sollen. Daran anknüpfend wird klargestellt, dass auch der aufsichtliche Überprüfungs- und Evaluierungsprozess (sog. „SREP“) ESG-Risiken mitzuberücksichtigen hat.
Zum anderen wird darüber hinaus vorgesehen, dass ESG-Risiken auch Teil der Governance-Vorkehrungen bei einem Institut sein sollen und damit in den bankinternen Systemen, Strategien und Verfahren abgebildet werden sollen.
4. Wie hoch wird der zusätzliche Eigenmittelbedarf wohl sein?
Wie eingangs erwähnt, verfolgt das Legislativpaket der Kommission im Wesentlichen die Zielsetzung der Stärkung des risikobasierten Rahmenwerks der Eigenmittelanforderungen beim Kreditrisiko. Nach Angaben der EU-Kommission wird diese Reform aber nicht dazu führen, dass der Eigenmittelbedarf der Banken signifikant erhöht wird. Das kann man auf Basis der folgenden Zahlen auch anders beurteilen: Laut einer aktuellen Studie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) aus September 2021 zu den Auswirkungen von „Basel IV“ auf die betroffenen Banken ist damit zu rechnen, dass der Eigenmittelbedarf aufgrund des neuen Regimes bei Großbanken im Durchschnitt um rund 15 % und bei kleineren Banken um rund 8 % ansteigen wird.
Untersucht wurden aber insgesamt nur 99 EU-Institute (40 Großbanken und 59 kleinere Institute), weshalb sich auf Basis dieser veröffentlichten Zahlen keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Betroffenheit jeder einzelnen Raiffeisenbank ziehen lassen.
5. Geplantes Inkrafttreten
Ursprünglich sollte das neue Basel IV-Regelwerk schon ab dem Jahr 2022 Anwendung finden. Aufgrund der Kontroversität bei einzelnen Maßnahmen und nicht zuletzt auch aufgrund der COVID-19-Pandemie haben die im Basler Ausschuss vertretenen Gouverneure der Zentralbanken und die Vorstände in den Aufsichtsbehörden Ende März 2020 jedoch entschieden, das Inkrafttreten von „Basel IV“ um ein weiteres Jahr, auf nunmehr 2023, zu verschieben.
Auch diese Frist erscheint der Kommission aber zurecht zu ambitioniert. Bis auf einzelne Ausnahmen sollen die Bestimmungen der CRR im Wesentlichen erst mit 1.1.2025 in Kraft treten. Bei den Anpassungen zur CRD ist vorgesehen, dass die in innerstaatliches Recht umzusetzenden Regelungen nach der Umsetzungsfrist von 18 Monaten zur Anwendung gelangen sollen.
Diese Vorgehensweise zur Anwendbarkeit des neuen Basel IV-Regelwerks wäre eine vernünftige und umsichtige Lösung, um den Instituten nach der Krise eine angemessene Vorbereitungs- und Umsetzungszeit für die geplanten weitreichenden Maßnahmen des Regulators einzuräumen.
6. Ausblick
Im Anschluss an die Veröffentlichung des Legislativvorschlags der EU-Kommission werden sowohl Vertreter der europäischen Kreditwirtschaft als auch jene der Aufsichtsbehörden ausführlich dazu Stellung beziehen. Für die Raiffeisen Bankengruppe wird der Fachverband der Raiffeisenbanken die Anliegen auch über den Europäischen Genossenschaftsverband EACB federführend koordinieren und vertreten.
Auf EU-Ebene werden Vertreter der Mitgliedstaaten in den Arbeitsgruppen des Rats der Europäischen Union und das Europäische Parlament eine Position zum Vorschlag der EU-Kommission erarbeiten, bevor Kommission, Rat und das Europäische Parlament in den sog. Trilogverhandlungen eine Einigung auf ein zukünftiges Regelwerk zu erreichen versuchen.
Dr. Johannes Rehulka ist Geschäftsführer im Fachverband der Raiffeisenbanken.
Dr. Thomas Schmatzberger, LL.M. ist Mitarbeiter im Fachverband der Raiffeisenbanken.