Warum sind gerade Raiffeisenbanken so sicher?
MMag. Dr. Michael Laminger, Dr. Johannnes Rehulka (Heft 9/2020)
Die Entwicklungen rund um den Kollaps der Commerzialbank Mattersburg werfen viele Fragen über die Funktionsfähigkeit mit den internen und externen Kontrollsystemen von Banken auf. Der gegenständliche Artikel analysiert, warum eine ähnliche Fehlentwicklung innerhalb des Raiffeisensektors nicht möglich gewesen wäre. Früherkennungssysteme, gut ausgebildete Mitarbeiter und Funktionäre und eine strenge und umfassende Revision machen den Raiffeisensektor zum sichersten Bankensektor in Österreich.
Strenge und umfassende Revision
Die Commerzialbank Mattersburg ist eine regionale Privatbank in der Form einer Aktiengesellschaft, die keinem Sektorverbund (Raiffeisen, Sparkassen oder Volksbanken) angehört und damit auch keiner spezialisierten Revision und Sektorfrüherkennungssystemen unterliegt. Daher konnte sich diese Bank auch einen Abschlussprüfer selbst auswählen, der in den letzten Jahren nur die Commerzialbank Mattersburg und keine andere Bank geprüft und somit über wenig spezifisches Bankenprüfungs-Know-how verfügt hat. Raiffeisenbanken jedoch sind in den Raiffeisensektor eingebettet und werden von den Raiffeisenverbänden bzw. deren RevisorInnen geprüft. Sie können sich ihre Prüfer also nicht selbst aussuchen. Die RevisorInnen prüfen – gut abgestimmt mit den Innenrevisionen der Banken, ca. 360 der rund 500 Banken in Österreich, die in allen Bereichen der Bankenprüfung hochspezialisiert sind. Außerdem stehen den Raiffeisenverbänden umfangreiche Kennzahlenvergleiche ihrer geprüften Banken zur Verfügung, die unsere RevisorInnen bereits in der Planungsphase zu Beginn der Prüfung auf auffällige Entwicklungen hinweisen. Die Raiffeisenverbände haben außerdem automatisierte Schnittstellen in den Banken eingerichtet, die für zahlreiche laufende Analysen genutzt werden. Außerdem können die RevisorInnen direkt auf verschiedene Systeme ihrer geprüften Banken zugreifen, was mögliche Malversationen zusätzlich erschwert.
Die Raiffeisenverbände erarbeiten seit vielen Jahren im Rahmen ihrer Kooperation gemeinsame Prüfprogramme für die geprüften Genossenschaften – insbesondere für Regionalbanken. Dieses Know-how aus der Prüfung der 360 Raiffeisenbanken stellt sicher, dass nicht nur jene Prüfungshandlungen gesetzt werden, die RevisorInnen von den zahlreichen Regeln und Richtlinien abverlangt werden. Es werden auch Prüfungsschritte und -handlungen gesetzt, die die Raiffeisenverbände aufgrund der umfangreichen Erfahrung aus zahlreichen Prüfungen als wichtig erachten, obwohl sie nicht vorgeschrieben sind. Manche Prüfungshandlungen wären durch externe Wirtschaftsprüfer gar nicht möglich, weil die Raiffeisenverbände bereits vor vielen Jahren Systemschnittstellen eingerichtet haben, über die ein externer Wirtschaftsprüfer, der ja immer lediglich für ein Jahr bestellt wird, gar nicht verfügen kann.
Außerdem muss man bei der Genossenschaftsrevision auch immer auf die so wichtige Gebarungsprüfung verweisen, die gerade Funktionären von Genossenschaftsbanken wichtige Entscheidungsgrundlagen über die Qualität der Geschäftsführung liefern. Eine solche Form der Gebarungsprüfung gibt es nur im Rahmen der Genossenschaftsrevision.
Wie wären Raiffeisen-RevisorInnen vorgegangen?
Die Commerzialbank Mattersburg weist im Vergleich zu Raiffeisenbanken gleicher Größe eine erheblich abweichende Bilanzstruktur und eine völlig atypische Gewinn- und Verlustrechnung auf, die jedem Bilanzkundigen sofort auffallen muss. So z.B. weist diese einen mindestens 6-fachen (!) Zinsaufwand aus und hat trotzdem ein viel besseres Nettozinsergebnis. Auch dieses ist völlig unplausibel, sieht man sich die Aktivseite der Bilanz an, die wesentlich aus Positionen besteht, die eben keinen oder nur wenig Ertrag generieren können, wie z.B. Forderungen an Banken. Somit wäre die Commerzialbank Mattersburg schon von den Zahlen her betrachtet ein totaler Ausreißer gewesen. Raiffeisen-RevisorInnen hätten in ihrer Prüfungsplanung auf diese extrem auffälligen Ergebnisse reagiert und entsprechende Prüfungshandlungen gesetzt, um herauszufinden, warum diese Zahlen so anders sind. Weiters hätten die RevisorInnen im Raiffeisen-Kreditprüfungsprogramm ARES auffällige Zahlungswellen bei den fingierten Kreditkonten erkannt; hier bewährt sich, dass die Raiffeisenverbände schon vor vielen Jahren mit der Digitalisierung der Genossenschaftsrevision begonnen haben. Außerdem prüft die Raiffeisen-Revision intensiv die Prozesse und das interne Kontrollsystem der Raiffeisenbanken. Ohne hier Details in der CBM zu kennen, sind gerade Malversationen eine Folge von mangelhaften Prozessen, deren Schwachstellen die gut ausgebildeten Raiffeisen-RevisorInnen erkennen.
Wir sind davon überzeugt, dass angesichts dieser Sicherheitsvorkehrungen bei uns im Sektor solche Malversationen bei einer durch Raiffeisen-RevisorInnen geprüften Bank bereits vor vielen Jahren aufgefallen und dementsprechend sanktioniert worden wären.
Früherkennungs- und Frühwarnsysteme
Eine strenge und umfassende Revision ist aber bei weitem nicht die einzige Institution, die gerade Raiffeisenbanken so sicher macht. Im Gegensatz zu allen Privatbanken, die ohne Bankenrevision und ohne jegliches bankenübergreifendes Früherkennungssystem dastehen, hat gerade der Raiffeisensektor in der Vergangenheit keine Mühen und Kosten gescheut, umfassende Früherkennungs- und Frühwarnsysteme einzurichten. Diese Systeme wurden eingerichtet, um allfällige Schieflagen frühzeitig zu erkennen und auszugleichen, damit erst gar keine Sicherungsfälle eintreten.
In jedem Bundesland wurden auf freiwilliger Basis Solidaritätsvereine eingerichtet, die bei Schieflagen frühzeitig eingreifen. Diese Solidaritätsvereine betreiben eine durch die jeweilige Raiffeisenlandesbank und den Revisionsverband unterstützte Früherkennung. Dabei handelt es sich um Ampelsysteme, die bei auffälligen Kennzahlen sofort anschlagen. Gemeinsam mit der Revision können gegen die betroffenen Banken weitreichende Maßnahmen zur Restrukturierung ergriffen werden. Diese Früherkennungssysteme müssen aufgrund einer bundesweiten Vereinbarung entweder durch den jeweiligen Raiffeisenverband oder den Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV) geprüft werden. Um sicherzustellen, dass diese Qualitätssicherungsmaßnahme nach einem einheitlichen Standard erfolgt, stellt der ÖRV jenen Bundesländern, wo er die Prüfung nicht selbst durchführt, sein Prüfprogramm zur Verfügung.
Darüber hinaus gibt es in den meisten Bundesländern sowie auf Bundesebene zwischen den Raiffeisenlandesbanken und der Raiffeisenbank International AG ein institutionelles Sicherungssystem (IPS). Auch dieses betreibt eine wirksame Früherkennung und ist gesetzlich verpflichtet, den Bestand und die Liquidität der Mitgliedsinstitute sicherzustellen. Das bedeutet, alle Mitgliedsinstitute müssen in einem Sanierungsfall umfassend füreinander einstehen, und zwar lange bevor die gesetzliche Einlagensicherung überhaupt gefragt ist. Diese Institutssicherungssysteme haben darüber hinaus verpflichtend im Voraus Sondervermögen mit ihren Beiträgen zu speisen, die für allfällige Schieflagen als Polster zur Seite gelegt werden. Die Höhe dieser Sondervermögen wird von der Aufsicht festgelegt. Bei Eigenmittel- und Liquiditätsengpässen kann auf diese Mittel sofort zugegriffen werden.
Diese gegenseitige Hilfeleistung hat natürlich auch damit zu tun, dass die Raiffeisenbanken Träger der gemeinsamen Marke „Raiffeisen“ sind und schon daraus eine starke Verpflichtung besteht, das Ansehen der Marke als die stärkste Banken-Marke Österreichs bestmöglich zu bewahren. Allerdings darf gerade im Zusammenhang mit dem Fall der Commerzialbank Mattersburg die Frage aufgeworfen werden, welche Sicherheitsvorkehrungen bei alleinstehenden Banken, die keinem Verbund angehören (sogenannte „stand-alone“-Banken), bestehen und ob diese als ausreichend angesehen werden. Denn schließlich haben wir alle ein Interesse an einem sicheren Finanzplatz in Österreich, der Insolvenzen von Banken frühzeitig verhindern soll.
Der Aufsichtsrat
Die sektoralen Sicherheitsnetze werden durch bankinterne Sicherheitsnetze ergänzt.
Hier ist neben der Innenrevision insbesondere das Gremium des Aufsichtsrates zu erwähnen, ein Gemium, das in der Commerzialbank Mattersburg massiv in der Kritik steht, auch wenn man bedenken muss, dass wahrscheinlich kaum noch je in der Wirtschaft eine Malversation durch einen Aufsichtsrat verhindert werden konnte, wenn dieser nicht durch die Prüfungsinstitutionen entsprechend alarmiert wurde. Da jedoch der Aufsichtsrat gemäß Aktiengesetz wesentlich in die Auswahl des Bankprüfers involviert ist, muss man schon hinterfragen, warum denn gerade in einem Markt der Abschlussprüfer, in dem es Institute mit erheblicher Erfahrung in der Bankenprüfung gibt, ein Prüfer ausgewählt wurde, der nur diese eine Bank prüft. Das hätte der Aufsichtsrat jedenfalls thematisieren müssen.
Ein wesentliches Kriterium für die Qualität eines Aufsichtsrates oder eines Vorstandes ist natürlich die Aus- und Fortbildung deren Mitglieder. Raiffeisen-Funktionäre werden durch die sektoralen Bildungseinrichtungen aus- und weitergebildet. Diese Aus- und Weiterbildung wird durch Bildungsprofis organisiert, die den Weiter- und Ausbildungsbedarf ständig evaluieren und an neueste Anforderungen anpassen. Auch bankintern muss regelmäßig evaluiert werden, ob die Funktionäre den Fit&Proper-Anforderungen gerecht werden. Die Statistiken des Raiffeisen Campus beweisen, wie ernst Raiffeisen-Funktionäre ihre Aus- und Weiterbildung nehmen. Diese Aus- und Weiterbildung ist die Basis, warum bei Raiffeisen rechtzeitig gehandelt wird und Maßnahmen rechtzeitig gesetzt werden, um wirtschaftlichen Fehlentwicklungen entgegen zu wirken.
Aber auch die Ausbildung der bankinternen Führungskräfte (Geschäftsleitung, Innenrevision, etc.) wird bei Raiffeisen professionell betrieben und durch die Bildungseinrichtungen unterstützt. Kompetente Geschäftsleiter, Mitarbeiter und Innenrevisoren sind der Grund, warum es selten zu wirtschaftlichen Fehlentwicklungen kommt, bzw. solche sehr zeitnah bereinigt werden können.
Die gesetzliche Einlagensicherung (ESA – Einlagensicherung Austria GmbH) spielt dagegen für den Schutz der Einlagen bei Raiffeisen kaum eine Rolle, da die internen Sicherungssysteme Einlagensicherungsfälle frühzeitig verhindern. In mehr als 130 Jahren hat kein einziger Kunde einer Raiffeisenbank auch nur einen Cent verloren. Für die Raiffeisenbanken stellt daher die ESA nur eine gesetzliche Pflicht dar, die aber von Raiffeisen wohl nie in Anspruch genommen wird. Bei der Commerzialbank als alleinstehende Bank war und ist die ESA dagegen der wohl erste und letzte Schutz.
MMag. Michael Laminger ist Generalrevisor des Österreichischen Raiffeisenverbandes.
Dr. Johannes Rehulka ist Geschäftsführer im Fachverband der Raiffeisenbanken.
Warum sind gerade Raiffeisenbanken so sicher? · Die Solidaritäts- bzw. Hilfsvereine in den Bundesländern betreiben gemeinsam mit den Landesbanken und den Revisionsverbänden ein Netz an Früherkennungssystemen, wodurch wirtschaftliche Fehlentwicklungen früh erkannt und Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet werden. · Das institutionelle Sicherungssystem (IPS) und der jeweilige Solidaritätsverein sichern den Bestand der jeweiligen Bank zusätzlich ab. · Raiffeisen-RevisorInnen sind hochspezialisierte Bankprüfer, die nicht nur die bankaufsichtsrechtlichen Normen und den Jahresabschluss prüfen, sondern im Rahmen der Gebarungsprüfung auch die Geschäftsführung einer Bank prüfen. · Raiffeisen-RevisorInnen haben digitale Schnittstellen und Direktzugriff auf die Systeme der geprüften Banken; ein Verstecken von Malversationen wird dadurch im Vergleich zu externen Wirtschaftsprüfungen erschwert. · Die Funktionäre von Raiffeisenbanken bilden sich laufend weiter und sind „Aufsichts-Profis“. · Die Führungskräfte und Mitarbeiter bei Raiffeisen genießen eine gute Aus- und Fortbildung; wirtschaftliche Fehlentwicklungen werden dadurch vermieden. |
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