Klimawandler

Der Klimawandel bedroht auch die Wirtschaft. Nur Unternehmen, die Veränderungen nun offensiv umsetzen, haben aber beste Chancen auf nachhaltige Geschäftserfolge. Lenzing AG, AMAG und Freistädter Bier zeigen vor, wie es klappen könnte.

Der Klimawandel ist eine Chance für die Wirtschaft. Auf der einen Seite wirken sich Klimaschäden auf Unternehmen, Arbeitsplätze und Wohlstand aus. So haben laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Temperaturen deutlich größere Auswirkungen auf die Produktionskraft als bisher angenommen. In den meisten Regionen der Welt wäre ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von knapp zehn Prozent zu erwarten, sollte sich die globale Erwärmung um vier Grad bis 2100 nicht stoppen lassen; in manchen Regionen ist sogar ein Minus von 20 Prozent zu erwarten. Auf der anderen Seite bietet der Kampf gegen den Klimawandel aber durchaus auch geschäftliche Chancen: Von der Solarenergie über Elektroautos bis zu klimaneutralen Lebensmitteln ergeben sich vielfach Möglichkeiten. 

Photovoltaik bei der AMAG

Die Vorreiter

Fest steht: Der Klimawandel verändert die Wirtschaft noch viel stärker als gedacht – und führt zu einem Umdenken in den Unternehmen. Neue Geschäftsmodelle entstehen, andere Werte rücken in den Mittelpunkt, das Gewohnte wird hinterfragt. Viele österreichische Unternehmen sind drauf und dran, das Heft in die Hand zu nehmen. „Bei der Coronakrise dürfen wir auf die Rettung in Form einer Impfung hoffen, aber eine Impfung gegen die Klimakatastrophe wird es nicht geben“, sagt Ewald Pöschko, Geschäftsführer der Braucommune Freistadt (Freistädter Bier). Es werde nur etwas geschehen, wenn die Politik dazu gezwungen wird, wie bei Covid-19: „Wir müssen selbst etwas bewegen.“

Auch für Stefan Doboczky, CEO des Faserherstellers Lenzing, ist klar: „Der Klimawandel ist neben der Coronapandemie die größte Herausforderung, vor der die Menschheit derzeit steht. Die großen Herausforderungen unserer Zeit brauchen neue Antworten.“ Sein Unternehmen sei an vorderster Front dabei, Teil der Lösung zu sein. „In Lenzing schauen wir über unsere Fasern hinaus und übernehmen Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder, indem wir gegen Missstände unserer Zeit aufstehen.“ Diese Haltung sei nicht nur Teil der strategischen Prinzipien bei Lenzing, sondern entspreche auch seiner persönlichen Haltung. Beim Aluminiumkonzern Amag achtet Vorstandsvorsitzender Gerald Mayer auf die Umsetzung des Klimaschutzes: „Klimaschutz ist eine Chance für Unternehmen, aber auch eine dringende Notwendigkeit.“ Die Ökobilanz von Produkten im Lebenszyklus, von der Erzeugung über die Nutzung bis zur Entsorgung und zum Recycling, werde immer wichtiger. „Ich bin auch persönlich überzeugt, dass wir mit Hochdruck an der Umsetzung der Dekarbonisierung arbeiten müssen“, betont Mayer.

Lenzing: Nachhaltigkeit liegt in der DNA

Das klingt alles sehr gut, aber was tun die Unternehmen wirklich? Tatsächlich scheint bereits ein Umdenken stattzufinden. Beispiel Lenzing: Für den Faserhersteller sind erneuerbare Rohstoffe und biologisch abbaubare Fasern schon seit Jahrzehnten ein Trendthema. Als weltweit erster Faserproduzent hat man sich verpflichtet, bis 2030 die CO2-Emissionen je Tonne Faser und Zellstoff um 50 Prozent zu senken; bis 2050 soll die Produktion klimaneutral sein.

Das brachte dem Unternehmen im Dezember eine Topbewertung der Umweltorganisation CDP (Carbon Disclosure Project), die die Umweltdaten börsennotierter Firmen analysiert. Der Schutz der Wälder war dafür einer der Hauptgründe. „Nachhaltigkeit liegt in der DNA von Lenzing-Fasern“, sagt Dobockzy im Gespräch mit business. Seit mehr als 80 Jahren werden Cellulosefasern aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz hergestellt, dafür würde vor allem Holz aus zertifizierter Forstwirtschaft verwendet.

Stefan Doboczky, CEO Lenzing
Stefan Doboczky, CEO Lenzing: Bis 2050 will der Faserkonzern klimaneutral produzieren.

Der Kreislauf schließt sich, wenn die Fasern biologisch abgebaut werden und damit vollständig zur Natur zurückkehren.“ Zu den weiteren Klimaschutzmaßnahmen zählt auch eine Fotovoltaikanlage, die ab diesem Sommer errichtet wird und die größte Freiflächenanlage Oberösterreichs sein wird. Und in Brasilien wird das laut Lenzing energieeffizienteste Faserzellstoffwerk der Welt errichtet. Doboczky verspricht: „Wir bleiben mit den Investitionen auch im aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfeld auf Kurs.

Amag: Umweltstandards für Lieferanten festgelegt

Für uns ist Nachhaltigkeit und insbesondere Recycling seit vielen Jahren Teil des Geschäftsmodells“, sagt AMAG-Chef Gerald Mayer. Das Unternehmen leiste mit seinem Aluminium unter anderem beim Leichtbau von Fahrzeugen oder in der Verpackung von Lebensmitteln und Medikamenten einen wesentlichen Beitrag. Und Nachhaltigkeit beginnt vor den Toren der eigenen Fabriken: Im Vorjahr wurde der Standort Ranshofen nach dem sogenannten Chain of Custody Standard der Aluminium Stewardship Initiative (ASI), einer Organisation für umweltfreundliche Standards in der Aluindustrie, zertifiziert. Nun werden auch Lieferanten bei der Einhaltung dieser Vorgaben unterstützt. Gerald Mayer: „Nach strengen Kriterien in den Bereichen Unternehmensverantwortung, Umwelt und Soziales wird dabei die Einhaltung von Mindeststandards für die gesamte Lieferkette der AMAG sichergestellt.“ 

Derzeit hat AMAG bereits eine für die Branche überdurchschnittlich hohe Recyclingquote von 75 bis 80 Prozent, diese soll weiter ausgebaut werden.

Gerald Mayer, Vorstandsvorsitzender AMAG
Gerald Mayer, Vorstandsvorsitzender AMAG: Nachhaltigkeit ist Teil des Geschäftsmodells.

Recycling ist gerade in Europa mit mangelnden Rohstoffvorkommen ein wesentlicher Faktor. So waren wir in der Krise durch unsere hohe Recyclingquote unabhängig von außereuropäischen Rohstoffquellen“, berichtet Mayer. Weitere Klimaschutzmaßnahmen umfassen etwa energiesparende Brennertechnologien in der Gießerei, mit der Abluft aus den Öfen zur Vorwärmung der Verbrennungsluft genutzt wird; vor Kurzem wurde die Errichtung einer Fotovoltaikanlage mit einer Fläche von 55.000 Quadratmetern beschlossen. „Der Weg zur vollständigen Dekarbonisierung ist aber noch weit“, sagt Mayer. Es brauche etwa neue Brennertechnologien, die den Einsatz von Grüngasen ermöglichen. 

Braucommune Freistadt: Abkehr von der Globalisierung

Klimaschutz ist auch für die Brauerei Freistadt mehr als ein Modetrend: So wird seit 2019 klimafreundliches Bier gebraut. „Man braucht Energie zur Erzeugung von Bier, das lässt sich nicht verhindern“, erzählt Brauerei-Chef Ewald Pöschko. Aber es soll möglichst wenig verbraucht werden. Aus diesem Grund wird Wärmerückgewinnung verwendet. Sein Ziel: ein Pelletsheizwerk errichten und Gas nur noch für die Abdeckung der Spitzen nutzen. Elektroautos und Fotovoltaik sind bei der Freistädter Brau­erei bereits im Einsatz; in Kürze erfolgt zudem der Spatenstich für ein neues Logistikzentrum mit einer großen Fotovoltaikanlage (400 kWp). 

Klimaschutz ist für Pöschko mehr als einzelne Maßnahmen: „Bei den Konsumenten sind Bereitschaft und Sensibilität gestiegen, aber man muss als Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen. Wir stehen als unabhängige Privatbrauerei für Regionalität und für die Abkehr von der Globalisierung.“

So werden nur regionale Rohstoffe verwendet und unnötige Transportwege vermieden. „Wozu sollten wir unser Bier nach Vorarlberg liefern? Es gibt dort auch gute Brauereien. Man muss nicht alles kreuz und quer durch die Gegend transportieren.

Ewald Pöschko, Geschäftsführer Braucommune Freistadt
Ewald Pöschko, Geschäftsführer Braucommune Freistadt: Energieeinsatz minimieren.

Die Rolle Europas

Welche Rolle kann Europa beim Klimaschutz einnehmen? Lenzing-Chef Doboczky: „In etlichen Bereichen, wie bei Bioraffinerien auf Basis Holz, sind europäische Firmen im weltweiten Spitzenfeld, und auch die Forschung ist entsprechend aufgestellt.“ In Zukunft seien aber noch stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit nötig. „So große Herausforderungen können nicht alleine gelöst werden.“ Amag-Chef Mayer warnt: „Wir müssen auch berücksichtigen, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit der führenden Unternehmen in Österreich und Europa nicht durch überschießende Vorgaben gefährden und so die globale Klimabilanz verschlechtern.

Text: Robert Prazak 

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