Revolution im Anflug
REVOLUTION IM ANFLUG

Durch die Luft oder durch die Röhre? An Visionen für die Mobilität der nahen Zukunft mangelt es nicht – und sie könnten rascher umgesetzt werden als gedacht.

Mobile Visionen

Im Wien des Jahres 1875 wurden Briefe mit der Rohrpost befördert, in naher Zukunft sollen es Menschen sein. Auslöser dieser Verkehrsrevolution ist der Hyperloop, eine Mischung aus besagter Rohrpost und Hochgeschwindigkeitszügen. Die Idee, Menschen mithilfe von Druckluft von A nach B zu befördern, ist nicht neu – schon im 19. Jahrhundert wurden solche Pläne geschmiedet. Wiederbelebt wurde das Ganze dann im Jahr 2013 von Elon Musk, der mit seiner Vision eine Vielzahl von technischen Projekten und Start-ups lanciert hat. In Wettbewerben haben sich etwa die Prototypen von Teams der Technischen Universität München als praxistauglich erwiesen – in Bayern wird derzeit eine Teststrecke dafür errichtet.

HYPERLOOP IM PRAXISTEST

Das Hyperloop-Konzept wird in unterschiedlichen Ausprägungen weiterentwickelt, rund ein Dutzend Firmen treiben es voran. Am weitesten vorangeschritten scheint derzeit Hyperloop TT, kurz HTT: Es gibt bereits zwei Teströhren in Frankreich und eine 125 Kilometer lange Röhre soll nächstes Jahr in Abu Dhabi den Betrieb aufnehmen. Eine Rolle spielt dabei auch das Software-Unternehmen Cloudflight, das im Vorjahr die Linzer Catalysts übernommen hatte. Catalysts-Gründer Christian Federspiel zählt über seine österreichische Firma Findus Venture zu den Investoren bei Hyperloop TT. Dort könne jedes Unternehmen mitmachen, das zum Erfolg beitragen kann und will; auch große Investoren seien an Bord, erläutert Federspiel. „Die größten Hürden sind Regulatorien, technische Herausforderungen und finanzielle Aspekte, wobei das Interesse der Investoren groß ist.“ Hyperloop werde die kurzen Flüge bis 1.500 Kilometer ablösen und damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. „Ich rechne damit, dass 2024 die erste Commercial Line über 125 Kilometer fertiggestellt sein kann“, sagt Christian Federspiel. Die Nutzung werde für jeden Bürger leistbar und der notwendige Strom soll durch Fotovoltaik oder Windkraft direkt auf den Röhren erzeugt werden. Zudem sei der Bodenverbrauch gering, unter den Röhren könnte Landwirtschaftl betrieben werden. Dominik Rockenschaub, bei Cloudflight für die Bereiche Automotive und Mobility zuständig, ergänzt: „Hyperloop ist grüner, sicherer und günstiger als Fliegen auf diesen Distanzen.“ Für sein Unternehmen ist Hyperloop ein Baustein im wachsenden Segment der Mobilität.

FLIEGENDE TAXIS

Hoch hinaus will auch Urban Air Mobility. Dieses visionäre Mobilitätskonzept setzt auf Lufttaxis, die Passagiere autonom fliegend transportieren. Derzeit wird auch in Europa an den rechtlichen Voraussetzungen gebastelt, damit solche Luftfahrzeuge überhaupt starten und landen dürfen. Von den großen Flugzeugherstellern bis zu Start-ups haben unzählige Firmen den Markt der autonomen Mini-Flieger als zukünftigen Milliardenmarkt identifiziert. Und mitten drin ist die oberösterreichische FACC: Der Luftfahrtzulieferer, vor rund 30 Jahren als Ausgründung vom Skihersteller Fischer entstanden, ist Partner des chinesischen Hightech-Unternehmens EHang, das als einer der Vorreiter der luftigen Verkehrsrevolution gilt. Dessen jüngstes Modell soll mithilfe der Leichtbaukomponenten von FACC als eines der ersten autonomen Flugtaxis zur Serienreife geführt werden. „Der erste von FACC in Österreich gefertigte EHang 216 unterläuft in China ein intensives Flugtestprogramm“, erzählt Robert Machtlinger, CEO von FACC, im Gespräch mit business. Alle bis dato durchgeführten Flugtests seien positiv gewesen.

Die Partnerschaft ist Teil der Urban Air Mobility, an dem neben FACC und EHang auch die Linz AG beteiligt ist. Dabei soll ausgelotet werden, wie Passagier- und Gütertransporte mit solchen Fluggeräten im städtischen Umfeld möglich sind. Noch vor Jahresende soll der erste EHang 216 mit österreichischer Kennzeichnung zu Erprobungsflügen abheben; die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden vor Kurzem geschaffen. Bis über Linz, Wien, Berlin und München die Lufttaxis schweben, werden zwar noch einige Jahre vergehen – aber die Mini-Luftfahrt wird rascher kommen als gedacht. „Wir rechnen damit, dass autonomes Fliegen vor dem autonomen Fahren kommen wird, da Letzteres viel komplexer ist“, sagt Machtlinger. Am Boden seien die Räume eingeschränkter, die Verkehrsdichte höher. Dazu kommen technologische Vorteile. „Anders als in der Luftfahrt ist im Auto und im Straßenverkehr vieles auch noch nicht automatisiert.“ Tatsächlich werden in Passagierflugzeugen seit Jahren Systeme zur Automatisierung genutzt – und die Adaption in ein kleineres Fluggerät ist dann technisch keine riesige Herausforderung mehr. Spätestens 2025 sollte es so weit sein, dass die kommerzielle Nutzung der autonomen Flugtaxis in Europa umgesetzt werden kann.

Ob Lufttaxis, autonome Elektroautos oder Hyperloop: In Zukunft wird es eine Vielzahl neuer Möglichkeiten der Fortbewegung geben. Wichtig wird aber sein, dass sich die verschiedenen Ansätze vernetzen und durchgehend nutzen lassen. „Eine Vernetzung der Mobilitätsplattformen ist wichtig, damit ein übergreifender Datenfluss möglich wird“, meint Dominik Rockenschaub. Die mobile Zukunft hat jedenfalls längst begonnen. 

Durch die Röhre

Durch die Röhre

Wie funktioniert der Hyperloop? In unterirdischen Röhren sollen Kapseln mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs sein. Die Technologie gleicht jener von Magnetschwebebahnen: Die Kapseln gleiten auf Luftpolstern durch die Röhren, in denen ein Unterdruck erzeugt wird. Mit bis zu 1.200 km/h soll man damit unterwegs sein; vor allem Strecken bis 1.200 Kilometer Länge könnten damit bedient werden. Hürden sind weniger die Technologie als vielmehr Gesetze und finanzielle Fragen. Röhren an der Oberfläche könnten zudem auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen, eine unterirdische Verlegung hingegen ist teuer.

Durch die Luft

Durch die Luft

Wie funktioniert das autonome Lufttaxi? Die von EHang und FACC entwickelte Passagierdrohne kann mit bis zu 130 km/h rund eine halbe Stunde unterwegs sein und zwei Personen bis zu 70 Kilometer weit transportieren. Das Lufttaxi eignet sich vor allem für das Überfliegen von Staus im urbanen Raum. Die Kosten für den Flug sollen einer Taxifahrt am Boden entsprechen. Im Vorjahr wurden von der EU die ersten Schritte für die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. In drei bis fünf Jahren könnte es nach Ansicht von FACC-Chef Robert Machtlinger die Voraussetzungen für einen kommerziellen Einsatz der autonomen Lufttaxis geben.