Glasklar

Im Waldviertel hat die NBG-Gruppe eines der weltweit modernsten Werke für Glasfaser-Rohkörper errichtet. Und ist überzeugt, damit zum Big Player der Zukunft zu werden.

Die neueste Netflix-Serie ansehen? Die Daten des Stromzählers übermitteln? Heikle Firmendaten vom Homeoffice über­tragen? Videokonferenzen, Online-Gaming? Alle diese Anwendungen benötigen stabiles und zuverlässiges Breitbandinternet, sonst wird es mühsam. Genau aus diesem Grund werden Glasfasernetze benötigt und in den meisten Ländern derzeit rasch ausgebaut. Das dafür notwendige Rohmaterial wird nun im nördlichen Waldviertel produziert: Die niederösterreichische NBG-Gruppe hat in Gmünd eines der weltweit modernsten Werke für sogenannte Glasfaser-Preforms hochgezogen. Das sind hochreine Glaskolben, die unter enormem Aufwand hergestellt werden und die in weiterer Folge zu den kilometerlangen Glasfasern verarbeitet werden. Konkret wird das Werk von der NBG Fiber GmbH betrieben, 50 Millionen Euro wurden dafür investiert, die Planung läuft bereits seit mehreren Jahren. Umgesetzt wird das Projekt in enger Partnerschaft mit der Raiffeisenlandesbank OÖ: Die Invest AG unterstützt die Finanzierung des Vorhabens und hält Geschäftsanteile. Darüber hinaus wurde die RVM mit der notwendigen Versicherung des Werks beauftragt. In Gmünd wird also die Grundlage dafür geschaffen, dass das Breitbandinternet für Wirtschaft und Privathaushalte rasch ausgebaut werden kann.

„Glasfaser ist zwar schon seit 20 Jahren von Bedeutung, aber erst jetzt so richtig angekommen“, erläutert Karl Bauer, CEO der NBG-Gruppe, im Gespräch mit business. Seit der Covid-Pandemie wurde noch mehr erkannt, wie wichtig die Breitbandversorgung ist – und die wiederum ist ohne Glasfaser nicht möglich. „Dabei ist die Kapazität von Glasfaser bei Weitem noch nicht ausgelastet, diese Technologie ist zukunftssicher.“ Der Beweis dafür: Die Datenmengen entwickeln sich rasant, aber Glasfaser hat damit kein Problem. 

Karl Bauer

"GLASFASER IST ZWAR SCHON SEIT 20 JAHREN VON BEDEUTUNG; ABER ERST JETZT SO RICHTIG ANGEKOMMEN: DIESE TECHNOLOGIE IST ZUKUNFTSSICHER."

KARL BAUER, CEO NBG-GRUPPE

Mehr als nur Internet

Der Markt für den Einsatz von Glasfaser wächst, hat aber noch nicht einmal ansatzweise sein Potenzial ausgeschöpft, ist sich Bauer sicher. „Es geht ja nicht nur um Telekommunikation, sondern etwa auch um die Sensorik, zum Beispiel sensible Straßen und Schienen oder dynamische Ampelschaltung zur CO2-Reduktion.“ Das alles werde auf Basis von Fiberoptik passieren. Ebenso ist der 5G-Ausbau für NBG interessant. „Wie kommen die Daten sonst zu den 5G-Sendern?“ Ein weiterer Punkt ist der Green Deal beziehungsweise der Umbau in Richtung einer klimafreundlichen Gesellschaft und Wirtschaft: „Enormes Potenzial bieten Energienetze, die sich ja komplett ändern: Es wird überall kleine Kraftwerke geben, da stehen wir erst am Anfang“, sagt Karl Bauer, der vor Kurzem ein neues Betriebsbüro in Houston eröffnet hat. Denn Chancen ergeben sich nicht nur in der Ölförderung, sondern auch in der Überwachung von Geothermie-Bohrlöchern – dieser Bereich ist für die Öl- und Gasindustrie das nächste große Geschäft. „Da sind wir mit dabei.“ Alles in allem führt kein Weg an Glasfaser vorbei: „Insgesamt sehe ich sehr großes Wachstum, wir werden in Richtung 700 Millionen Faserkilometer gehen.“ Und es ist kein Ende in Sicht, weil jene Strecken, die vor 25 Jahren gebaut wurden, nun erneuert werden müssen. Das Werk in Gmünd beruht auf präziser Vorbereitung, denn sowohl die Quantität als auch die Qualität der produzierten Glasfaserrohlinge müssen höchsten Anforderungen entsprechen: „Im neuen Werk werden sieben Millionen Faserkilometer pro Jahr produziert, es ist das modernste Preform-Werk der Welt“, erläutert Bauer, der dafür nicht nur auf Bewährtes zurückgegriffen hat: Mithilfe von Partner Rosendahl Nextrom – einem Unternehmen der österreichischen Knill-Gruppe und Weltmarktführer bei Preform- und Faserproduktionstechnik – wurden für die Hightech-Produktion sogar eigene Maschinen entwickelt. Produziert wird nun das reinste Glas der Welt: Die Lichtdämpfung eines Fensterglases mit fünf Millimetern Dicke entspricht einer Glasfaser von NBG mit vier Kilometern Länge. „Der Knackpunkt ist also, dermaßen reines Glas herzustellen.“

Die Reinheit als Kunst

Für NBG bedeutete das entsprechende Anstrengungen: Der Investitionsbedarf nur für Maschinen betrug 28 Millionen, für das gesamte Werk insgesamt 50 Millionen, inklusive der Anlaufkosten sind es schon knapp 60 Millionen Euro. Kein Wunder, muss doch auf höchste Präzision geachtet werden. So werden in dem Werk mehr als vier Millionen Sensoren eingesetzt. Zudem braucht es einen enorm hohen Reinheitsgrad, dieser wurde durch die Produktion in einem beinahe partikelfreien Reinraum garantiert. Es herrscht dort eine Atmosphäre wie in einem Operationssaal, nur dass der Raum in diesem Fall eben rund 20.000 Kubikmeter groß ist. Karl Bauer bringt es auf den Punkt: „Ein solches Werk zu bauen und zu betreiben ist höchste Kunst.“ Dazu brauchte es aber auch die passenden Partner. „Ich bin froh, dass wir die Raiffeisenlandesbank OÖ und die Invest AG dafür gefunden hatten“, sagt Bauer. Die Gründe: Es gebe rasche Entscheidungsprozesse und die Konditionen würden seinen Anforderungen entsprechen. „Es handelt sich um Finanzpartner, die sich nicht einmischen, sondern mitdenken und mitleben.“

Aber auch innerhalb des Unternehmens achtet der NBG-Chef auf die passende Werte: „Wir haben eine eigene Unternehmenskultur und legen großen Wert auf Teamgeist und flache Hierarchien. Mitarbeiter sehen wir als Mitunternehmer.“ Bauer, der eigentlich Verhaltensforscher werden wollte, war immer schon davon fasziniert, wie riesige Tierkolonien ohne Chef auskommen. „Es kommt darauf an, wie sich der Einzelne entwickeln kann, wie er seine Stärken und seine individuellen Charakterzüge einbringen kann.“ Das macht sich bezahlt: Die NBG-Gruppe hat in den letzten eineinhalb Jahren 130 Mitarbeiter aufgenommen – es gab rund 1.400 Bewerbungen.

Nun steht für die NBG Holding weiteres Wachstum auf der Agenda: „Wir haben heuer einen schönen Umsatzsprung gemacht, wir werden auf rund 34 Millionen Euro Umsatz kommen.“ Das neue Werk bringt heuer noch keinen Ertrag, aber nächstes Jahr werden knapp 70 Millionen Umsatz angepeilt. „Wir sind auf Expansionskurs“, sagt Bauer. ••

Glasfaser

Weltklasse: Das Werk der NBG-Gruppe in Gmünd zählt zu den globalen Glasfaser-Vorzeigebetrieben

Glasfasertechnologie

Geht es um den Ausbau des Breitbandinternets, kommt man an Glasfaser nicht vorbei: Nicht nur für die Versorgung von Privathaushalten mit raschem Internet ist diese wichtig, sondern auch für die stark steigende Zahl vernetzter Geräte. Weshalb überhaupt Glasfaser? „Auf einer Glasfaser mit einem Kilometer Länge könnte man den gesamten Datenverkehr der Welt transportieren“, erklärt NBG-Chef Karl Bauer. In der Praxis sind indes die aktiven Geräte die Beschränkung, weil optisch-elektrisch gewandelt werden muss. Eine weitere Hürde ist die Latenz, also die Verzögerung, berichtet Bauer: Diese drosselt die Geschwindigkeit. „Man merkt das, wenn bei Fernsehübertragungen der Ton nicht zum Bild passt.“ 

Breitbandinternet in Österreich

Europaspitze? Leider nicht wirklich. In den frühen 2000er-Jahren war Österreich in der EU die Nummer drei bei der Breitbandversorgung, heute sind wir Statistiken zufolge auf den vorletzten Platz abgerutscht. „Wir haben zehn Jahre versäumt, im Gegensatz zu den Niederlanden oder skandinavischen Ländern“, sagt Bauer. Schätzungen zufolge sind erst 2,5 Prozent der österreichischen Haushalte mit Glasfaser ausgerüstet. Hier muss etwas getan werden, will das Land in Sachen Breitbandinternet nicht hoffnungslos zurückfallen – und dadurch auch als Wirtschaftsstandort an Attraktivität verlieren. Daher rechnet der NBG-Chef mit großem Potenzial im Heimatland. „Wir bieten auch alles, was man für den Ausbau der Glasfasernetze in Österreich braucht.“ 

Text: Robert Prazak • Foto: Getty Images / Image Source